Arzneimittel und Therapie

COVID-19 und die Angst vor Gürtelrose

Entwarnung für die Corona-Impfung, Rätsel um Risiko durch die Erkrankung

du | Menschen über 60 Jahren und Risikopatienten ab 50 Jahren wird nicht zuletzt vor dem Hintergrund von COVID-19 geraten, sich gegen Gürtelrose impfen zu lassen. Sowohl die SARS-CoV-2-Infektion als auch die Impfung stehen im Verdacht, schlummernde Herpes-Viren zu reaktivieren und damit das Gürtelrose-Risiko zu erhöhen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie gibt jetzt jedoch zumindest für die Impfung Entwarnung und stellt die Frage, ob tatsächlich die SARS-CoV-2-Infektion als solche für die Reaktivierung der Zoster-Viren verantwortlich gemacht werden kann.

Die Gürtelrose (Herpes zoster) wird wie Windpocken durch Varicella-Zoster-Viren (VZV) ausgelöst. Nach einer Windpockeninfektion persistieren diese Viren in Nervenzellen und können nach Jahren wieder aktiviert werden und dann das klinische Bild einer Gürtelrose hervorrufen. Gefürchtet ist eine postherpetische Neuralgie. Das Erkrankungsrisiko steigt mit dem Alter, mit 50 Jahren soll die jährliche Erkrankungsrate bei etwa 6 von 1000 Personen liegen, bei 90-Jährigen bei ca. 13 Fällen pro 1000 Personen [1]. Etwa 5% der Betroffenen sollen nach diesen Daten eine postherpetische Neuralgie entwickeln – Nervenschmerzen, die auch nach Abheilen der Hautausschläge über Monate bestehen bleiben können. Versichertendaten weisen jedoch auf einen deutlich höheren Anteil von Patienten hin, die nach einer Gürtelrose unter den quälenden Nervenschmerzen leiden [2].

Für die Reaktivierung der Varizella-Zoster-Viren wird eine Schwächung der Immunabwehr verantwortlich gemacht [3].

Aufgrund von Fallberichten steht der Verdacht im Raum, dass sowohl eine COVID-19-Erkrankung als auch die Impfung eine solche Reaktivierung begünstigen können. Das Risiko nach einer Impfung könnte sogar größer sein als nach einer Infektion [4].

Die Impfung

Erste Analysen von Impfnebenwirkungen deuteten auf einen Anstieg der Berichte über COVID-19-Impfung-assoziierte Herpes-Zoster-Infektionen hin. Die Deutsche Gesellschaft für Neuro­logie (DGN) gibt jedoch Entwarnung und verweist auf eine neue große US-amerikanische Kohortenstudie mit Auswertung von über 2 Mio. Geimpften [5]. In einer Pressemitteilung erklärt die DGN, dass die Impfungen mit Impfstoffen von Biontech/Pfizer, Moderna oder Johnson & Johnson in dem Zeitraum 12/2020 – 6/2021 durchgeführt wurden [6]. Das mittlere Alter der Geimpften betrug 43,2 ± 16,3 Jahre, 50,6% waren weiblich. 1451 Personen mit einer Herpes-Zoster-Diagnose wurden in die primäre STRI-Analyse („self-controlled risk interval“) eingeschlossen. Dabei wurde die Häufigkeit von Herpes-Zoster-Diagnosen im „Risikointervall“ (30 Tage nach der ersten oder zweiten Impfdosis) ermittelt und mit späteren Intervallen verglichen („Kontrollintervall“ 30 – 60 Tage nach der Impfung), so die DGN. Die Ergebnisse wurden außerdem verglichen mit dem Herpes-Zoster-Risiko nach Influenza-Impfung aus zwei historischen Kohorten vor der Pandemie (1/2018 – 12/2019) und in der frühen Pandemie-Phase (3/2020 – 11/2020). Die Auswertung erfolgte adjustiert im Hinblick auf Alter, vorbestehende immunologische Beeinträchtigungen und Art des Impfstoffs. Die DGN erklärt, dass die COVID-19-Impfung nach den Ergebnissen dieser Studie nicht mit einem erhöhten Risiko für eine VZV-Reaktivierung assoziiert war (Inzidenzratenverhältnis IRR 0,91; p = 0,08). Die Inzidenz sei nicht höher als in der supplementären Kohortenanalyse nach ­Influenza-Impfung in der Zeit vor der Pandemie gewesen. Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN, betont, dass demnach eine Gürtelrose nach Corona-Impfung bei Weitem nicht so häufig sei, wie es anfangs in der Berichterstattung den Anschein hatte.

Und die Erkrankung?

Doch wie sieht die Situation nach einer COVID-19-Erkrankung aus? Hierzu erklärt die DGN auf Anfrage, dass typischerweise das Risiko für neurologische Folgeereignisse nach SARS-CoV-2-Impfung deutlich geringer ist als nach der COVID-19-Erkrankung (z. B. Schlaganfälle, Enzephalopathie, Neuropathien). Das werfe die Frage auf, ob eine Gürtelrose überhaupt eine SARS-CoV-2- bzw. Vakzin-assoziierte Folge ist. Denn typischer Risikofaktor für das Auftreten des Herpes zoster sei eine herabgesetzte Immunabwehr, z. B. im höheren Lebensalter oder bei Menschen, die bestimmte Medikamente zur Immunsuppression einnehmen. Bei SARS-CoV-2 werde aber das Immunsystem nicht gebremst, sondern aktiviert – und das gelte sowohl für die Impfung als auch die Infektion. Bekannt ist, dass eine VZV-Reaktivierung durch psychischen und immunologischen Stress getriggert werden kann. Wie eine neuere Arbeit [7] nahelegt, könnte durchaus entsprechender Stress Auslöser einer Gürtelrose nach COVID-19-Infektion sein, so die DGN. |

Literatur

[1] Ultsch B, Siedler A, Rieck T, et al.: Herpes zoster in Germany: quantifying the burden of disease. BMC Infect Dis 2011;11:173

[2] Hillebrand K, Bricout H, Schulze-Rath R, et al.: Incidence of herpes zoster and its complications in Germany, 2005 – 2009. J Infect 2015;70(2):178-86

[3] Infektionskrankheiten A bis Z Varizellen. www.rki.de

[4] Martinez-Reviejo R, Tejada S, Adebanjo GAR, Chello C, Machado MC, Parisella FR, Campins M, Tammaro A, Rello J. Varicella-Zoster virus reactivation following severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 vaccination or infection: New insights. Eur J Intern Med. 2022 Oct;104:73-79. doi: 10.1016/j.ejim.2022.07.022. Epub 2022 Aug 1. PMID: 35931613; PMCID: PMC9340059.

[5] Akpandak I, Miller DC, Sun Y et al. Assessment of Herpes Zoster Risk Among Recipients of COVID-19 Vaccine. JAMA Network Open 2022;5(11): e2242240. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.42240

[6] Kein erhöhtes Risiko für Gürtelrose nach COVID-19-Impfung. Pressemeldung der DGN vom 18. November 2022

[7] Rahangdale RR, Tender T, Balireddy S, Pasupuleti M, Hariharapura RC. Interplay between stress and immunity triggers herpes zoster infection in COVID-19 patients: a review. Can J Microbiol. 2022 May;68(5):303-314. doi: 10.1139/cjm-2021-0242. Epub 2022 Feb 15. PMID: 35167378

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