Aus den Ländern

Forderung nach 2,7 Milliarden Euro Inflationsausgleich

Kammerversammlung der Apothekerkammer Hamburg mit klarer Botschaft

HAMBURG (tmb) | Bei der Kammerversammlung der Apotheker­kammer Hamburg am 23. November bedauerte Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen, dass die ABDA über Jahre versäumt habe, deut­liche Forderungen öffentlich zu benennen – und nannte selbst eine klare Forderung: 2,7 Milliarden Euro für die deutschen Apotheken als Inflationsausgleich für die vergangenen zwanzig Jahre.
Foto: DAZ / tmb

Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, ist für deutliche Forderungen an die Politik.

Siemsen stellte die verbreiteten hohen Lohnforderungen in der Inflation den Kürzungen bei den Apotheken gegenüber. Neben der Erhöhung des Kassenabschlags sei auch der variable Teil des Apothekenhonorars betroffen, wenn die Herstellerabgabepreise gedeckelt werden. Der FDP-Wahlslogan „Leistung muss sich lohnen“ sei wohl nicht für das Gesundheitswesen gedacht, meinte Siemsen. Die Apothekerinnen und Apotheker hätten zu jeder Zeit ihre Leistung unter Beweis gestellt. Doch „was vor wenigen Monaten noch Beifall brachte, kommt jetzt als Bumerang zurück“, erklärte Siemsen mit Blick auf die politische Argumentation, die Apotheken hätten in der Pandemie gute Umsätze gemacht. Siemsen konstatierte, die Politik suche sich den einfachsten Weg mit dem geringsten Widerstand. Die ABDA habe über Jahre und Jahrzehnte versäumt, „unsere Wünsche als deutliche Forderung öffentlich zu benennen“. Siemsen könne als Kammer­präsident nicht zu einem Streik aufrufen, erklärte aber, der Berufsstand werde dieses solidarische Handeln bei der angekündigten Struktur­reform noch dringend brauchen. Lauterbach habe eine „große all­umfassende Reform“ angekündigt. Siemsen erklärte: „Jeglicher externer Sachverstand soll draußen vor bleiben“, die Reform werde nur im Ministerium geplant. Bei der jüngsten Sitzung der Bundesapothekerkammer sei zwar angekündigt worden, die Apotheken würden bei der großen Reform geschont, aber Siemsen mahnte, alle sollten sich gut vorbereiten. Er pflichte dem Präsidenten der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, Dr. Kai Christiansen, bei, „jetzt nicht nur weitere Erschwernisse verhindern zu wollen, sondern auch berechtigte Forderungen zu stellen und dafür zu kämpfen.“ Bis auf eine kleine Erhöhung von 25 Cent liege das Packungshonorar auf dem Niveau von 2002, dem Basisjahr für die Umwandlung der Preisregelung im Jahr 2004. Dazu erklärte Siemsen: „Allein für den Inflationsausgleich der letzten zwei Jahrzehnte fordern wir 2,7 Milliarden Euro für die deutsche Apotheke.“ Dabei seien die zusätzlichen Aufgaben außerhalb des Kerngeschäfts, beispielsweise das Inkasso des Herstellerrabatts, noch nicht berücksichtigt.

Fachkräftemangel und ­Arbeitsbelastung

Die nicht angemessene und systembedingt nur sehr schwer änderbare Entlohnung der Apothekenmitarbeiter sei auch ein Grund für den Fachkräftemangel. Zudem seien 64 Erstsemester-Studienplätze für die Millionen-Metropole Hamburg „eher beschämend, insbesondere wenn sich die Stadtobersten rühmen, dass Hamburg die (!) Life-Science-Stadt in Deutschland sei“. Alle dazu geführten Gespräche hätten keine Änderung gebracht. Wegen des Fachkräftemangels hätten die ersten Apotheken schon ihre Öffnungszeiten anpassen müssen. Außerdem sei dies ein Hemmschuh für die Umsetzung der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen. Es gebe großen Andrang bei der Qualifizierung, aber die Umsetzung laufe nur langsam an. Wenn aber das bereitgestellte Geld nicht flächendeckend und vollständig abgerufen werde, sei das „Wasser auf die Mühlen der Krankenkassen, die diese Millionen lieber für sich reklamieren möchten“, mahnte Siemsen. Als weiteres Problem sprach er die Lieferengpässe an. Diese würden die Patienten treffen und die Apotheken vor riesige Aufgaben stellen. Gemäß einer Erhebung der EU bedeute das in jeder Apotheke durchschnittlich mindestens 5,1 Stunden nicht bezahlten Mehraufwand pro Woche.

Notdienst muss bleiben

Außerdem griff Siemsen Diskussionen über den Notdienst in sozialen Medien auf. Dort gebe es Forderungen, den Notdienst abzuschaffen oder zu verweigern. Doch Siemsen betonte, der Notdienst sei eine Allgemeinwohlpflicht und ein Grundpfeiler des Berufs. Wenn die Apotheker darauf hinwirken würden, den Notdienst aufzugeben, werde die Politik die Apothekenpflicht infrage stellen. Die öffent­liche Apotheke in ihrer jetzigen Form werde dann Geschichte, mahnte Siemsen. In der Kammerversammlung wurde anschließend Kritik an der Notdienstverteilung geäußert, weil Apotheken in der Innenstadt seltener Notdienst haben als Apotheken im Außenbereich. Siemsen entgegnete, dass eine höhere Dienstfrequenz in der Innenstadt den Patienten in den äußeren Stadtteilen nichts bringen, aber die Apotheken in der Innenstadt belasten würde. In Flächenländern sind Unterschiede zwischen den Notdienstbelastungen in Großstädten und ländlichen Regionen selbstverständlich und stärker ausgeprägt als in Hamburg. Geschäftsführerin Ena Meyer-Bürck betonte, dass ungleiche Sachverhalte ungleich behandelt ­werden müssten.

Kammerbeiträge für 2023 sinken

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Kammergeschäftsführerin Ena ­Meyer-Bürck stellte den Haushalt vor.

Meyer-Bürck präsentierte auch den Haushalt. Für 2022 wird ein Überschuss erwartet. Die Ausgaben waren geringer als geplant, weil einige Personalstellen zeitweilig nicht besetzt waren und pandemiebedingt Präsenzveranstaltungen ausgefallen sind. Inzwischen seien jedoch alle Positionen in der Geschäftsstelle besetzt. Dennoch beschloss die Kammerversammlung auf Vorschlag des Vorstandes geringere Beiträge für 2023. Denn die Kammer hatte gegen Umsatzsteuerforderungen auf Zahlungen für den Präsidenten geklagt und gewonnen. Vor Jahren hatte die Kammer deswegen eine Rücklage von 135.000 Euro gebildet, die nun auf­gelöst wird und den Mitgliedern über sinkende Beiträge zugutekommt. Entsprechend der damaligen Beitragsstaffel sinken die Betriebsstätten­beiträge für 2023 in allen Stufen um 7,29 Prozent gegenüber 2022. Der Grundbeitrag und damit der Beitrag für Vollzeit-Angestellte sinkt um 5,6 Prozent auf 23,41 Euro monatlich.

Ab 2024 wahrscheinlich Delegierten- statt Vollversammlung

Die geplante Verabschiedung neuer Satzungen musste entfallen. Hintergrund ist das angekündigte neue Kammergesetz in Hamburg, das aufgrund nachträglicher Änderungen eine neue Runde durch die Senatsbehörden nehme. Wenn das Gesetz gemäß dem vorliegenden Entwurf beschlossen wird, wird die Kammerversammlung, die derzeit eine Vollversammlung aller Mitglieder ist, durch eine Delegiertenversammlung abgelöst. Dies gilt für die anderen humanen Heilberufe in Hamburg schon lange. Da Ende 2023 Kammerwahlen fällig sind, werde die Kammerversammlung voraussichtlich eine außerordentliche Sitzung abhalten müssen, um die Satzungen rechtzeitig verabschieden zu können, kündigte Siemsen an. |

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