Die Seite 3

Alte Botschaft neu erklärt

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Jahrzehntelang hat sich die Politik wenig bis gar nicht für die Apotheken interessiert. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat dies treffend damit erklärt, dass Apotheken lautlos und selbstverständlich funktionieren. Am Anfang der Pandemie, als nichts mehr selbstverständlich war, wurde vielen diese Leistung erstmals bewusst. Derzeit zeigen die Lieferengpässe, dass auch das Arzneiversorgungssystem Grenzen hat. Damit steigt die Aufmerksamkeit für die Apotheken und darum ist dies eine gute Zeit, alte Forderungen zu wiederholen. Dass die Apotheken seit zwanzig Jahren fast keinen Inflationsausgleich erhalten haben, ist aus Apothekensicht ein uralter Hut. Doch den Politikern, die vorher nicht hingehört haben, muss dies wie eine neue Geschichte immer wieder erklärt werden. Darum ist es gut, wenn der Hamburger Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen jetzt 2,7 Milliarden Euro Inflationsausgleich fordert (siehe Seite 69), auch wenn er und alle anderen in der ABDA das schon lange hätten sagen können. Die Hoffnung, dass jemand hinhört, scheint jetzt größer zu sein.

Doch leider ist es komplizierter. Dass die Apotheken trotz stagnierender Honorierung so lange so gut funktioniert haben, konnte vielen Politikern wie eine Bestätigung für die geltende Vergütung erscheinen. Die Schließungen wurden als Strukturwandel verbucht, solange die Zahl der Beschäftigten in Apotheken sogar stieg. Doch es gibt einen großen Unterschied zwischen zeitweiligem Weitermachen und gesicherter Zukunftsfähigkeit – besonders bei inhabergeführten Unternehmen. Darauf hat kürzlich der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins Dr. Jörn Graue hingewiesen (siehe DAZ 2022, Nr. 47, S. 88). Ein bescheidener Gewinn kann für das Überleben ausreichen, wenn der Geschäftswert und die Ausstattung bezahlt sind und nur das Nötigste investiert wird. Der weitgehend fehlende Unternehmerlohn wird dabei ignoriert. Denn die Hürde einer anderen Tätigkeit liegt für den Inhaber hoch und das Personal schätzt den vertrauten wohnortnahen Arbeitsplatz. Verkäuflich ist eine solche Apotheke nicht. Ihre Schließung ist vorhersehbar, weil ihr Ertrag keine langfristige Perspektive bietet. Trotzdem kann die Arbeit dort eine Weile gut gehen, es sei denn, eine Inflation wirft die knappe Kalkulation über den Haufen oder das Personal geht vor dem Chef in Rente. Darum spitzt sich die Lage gerade jetzt zu. Diese Überlebensstrategie für das System endet ohnehin, wenn die große Babyboomer-­Generation in den Ruhestand geht. Da dies absehbar ist, muss dringend eine neue Strategie her – mit viel mehr Geld für die Apotheken. Die Politik muss erkennen, dass sie die Apotheken über viele Jahre auf Verschleiß gefahren hat, so wie Brücken, Bahntrassen und vieles mehr. Dafür wird es jetzt umso teurer, aber das ist immer noch billiger als ein Zusammenbruch des Systems.

Das sollte jetzt die Botschaft an die Politik sein. Dazu gehört leider auch, alte Hüte neu zu vermitteln, auch wenn es aus der Innensicht langweilig erscheint. Es wirkt oft erschreckend, was Politiker alles über Apotheken nicht wissen. Wenn sie jetzt endlich zuhören, sollten wir ihnen die Zusammenhänge immer wieder erklären – bis die Botschaft ankommt.

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