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Jens Spahns „blöder Fehler“

Maskendeals und Lobby-Agentur: Ex-Bundesgesundheitsminister muss sich erklären

eda | Jens Spahn steht mal mehr und mal weniger gerne im Rampenlicht. Wenn es um die Vermarktung seiner persönlichen Corona-Rückschau in Buchform geht, dann trifft man ihn auf Lesungen. Bei der öffentlichen Aufarbeitung der so­genannten Maskendeals hält sich der Ex-Bundesgesundheitsminister dagegen eher bedeckt. In der RBB-Talkshow „Chez Krömer“ ging es jüngst auch um seine Beteiligung an der Lobby-Agentur Politas und die Liberalisierung des deutschen Apothekenmarkts.

Weil staatliche Stellen zu Beginn der Corona-Pandemie überfordert waren, ausreichend Schutzmasken für medizinisches Personal und die Bevölkerung zu beschaffen, wurden Lieferanten und Händler aus der freien Wirtschaft beauftragt.

Was die sogenannten Maskendeals rückblickend in ein äußerst unrühmliches Licht stellt: Einerseits wirft das Bundesgesundheitsministerium Unternehmen vor, qualitativ minderwertige Masken beschafft zu haben und verweigert den Händlern die Bezahlung. Andererseits sind Einzelpersonen Beraterhonorare und Vermittlungspauschalen in bis zu zweistelliger Millionenhöhe zugeflossen. Das Ministerium wird auch wegen der direkten Beauftragung von Logistikunternehmen öffentlich kritisiert. Gerichtsverfahren, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und Untersuchungsausschüsse laufen derzeit und sollen für Klarheit sorgen. Eine Reportage des ARD-Magazins „Plusminus“ beleuchtete in der vergangenen Woche die Hintergründe dieser Maskendeals. Jens Spahn, inzwischen wieder gewöhnlicher Bundestagsabgeordneter, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender sowie Autor seiner persönlichen Corona-Rückschau mit dem Titel „Wir werden ­einander viel verzeihen müssen“, weicht dabei den Fragen der Journalisten aus und verweist – angeblich wegen fehlender Akteneinsicht – an das Gesundheitsministerium.

Verbindung zu Max Müller

Deutlich redseliger zeigte sich Spahn dagegen in der Anfang November beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ausgestrahlten Talkshow „Chez Krömer“. Gastgeber Alexander Bojcan alias Kurt Krömer zitiert darin aus dem Buch des Ex-Ministers: „Einzelne, charakterlose Abgeordneten haben sich auf schäbige Art bereichert. All das ärgert mich sehr.“

Wen Spahn genau meint, bleibt un­erwähnt. „Das ist die spannendste Stelle im Buch, aber Sie nennen keine Namen“, stellt Kurt Krömer fest und konfrontiert Spahn mit Fotos der (Ex-)Unionspolitiker Nikolas Löbel, Georg Nüßlein, Mark Hauptmann und Alfred Sauter. Als „besonders schäbig“ bezeich­net Spahn diejenigen, „die mich angerufen haben und die mich benutzt haben für ihre Geschäfte“. Bei der Bildauswahl tippt er auf Georg Nüßlein, der für die Vermittlung von ­Maskendeals 660.000 Euro Provision erhalten haben soll, mit weiteren 540.000 Euro in Aussicht.

Aus Apothekersicht wird bei „Chez Krömer“ noch ein weiteres, bemerkenswertes Kapitel in Spahns Biografie aufgeschlagen: „Von 2006 bis 2010 waren Sie an der Lobby-Agentur Politas beteiligt, die die Medizin- und Pharmaindustrie berät. Gleichzeitig saßen Sie als Obmann der CDU im Gesundheitsausschuss und machten sich für eine Liberalisierung des Apothekenmarkts stark“, liest Krömer aus seinen Unterlagen vor.

Zum Hintergrund: Jens Spahn gründete 2006 zusammen mit seinem Büroleiter Markus Jasper und dem späteren DocMorris-Cheflobbyisten Max Müller die Agentur Politas, die Kunden aus dem „Medizin- und Pharmasektor“ Informationen aus der Gesundheitspolitik anbot. Besonders pikant: In jenen Jahren ging es vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) um die Frage, ob das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot im Apothekenwesen Bestand haben wird. Spahn gehörte seinerzeit zu jenen Politikern, die meinten, man müsse sich für den Fall, dass die Verbote kippen, vorbereiten. „Wir hatten beide Lust, die Gesundheitsbranche ein bisschen aufzumischen“, zitiert etwa Spahn-Biograf Michael Bröcker Max Müller. Der EuGH bestätigte das Fremd- und Mehrbesitzverbot im Mai 2009 jedoch.

Wiederum einige Zeit später, wird die Verbindung erneut thematisiert, unter anderem von der Linksfraktion. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht das Rx-Versandhandelsverbot, doch Widerstand kommt aus dem von Spahn geführten Bundesgesundheitsministerium.

Auch das Thema „Maskenbeschaffung“ bringt Jens Spahn mit Max Müller zusammen: Nachdem bereits ein Deal mit der Hubert Burda Media – dem Arbeitgeber von Spahns Ehemann – für ein Medienecho sorgte, räumte der Minister 2021 ein, auch von Müller, inzwischen beim Chemie-Konzern Bayer tätig, ein Angebot erhalten zu haben.

„Das war auch ein Zufall?“, fragt Kurt Krömer seinen Gast. „Nö, das war ein Fehler, ein blöder“, antwortet Jens Spahn bezogen auf die „Start­finanzierung“, die er seinem Freund Jasper für die Gründung von Politas überließ. „Hätte ich besser nicht mitgemacht.“ Dadurch sei ein Eindruck entstanden, der ihn noch zwölf Jahre später begleitet. „Besser wäre gewesen: ohne“, resümiert Spahn. Interessenskonflikte habe es jedoch keine gegeben. |

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