Arzneimittel und Therapie

Vorsicht mit Metamizol bei Leberzirrhose

Analgetikum erhöht Inzidenz von akutem Nierenversagen bei dekompensierter Zirrhose

Immer häufiger wird das Analgetikum Metamizol verordnet. Allgemein ist es gut verträglich – doch kann es auch sicher bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose eingesetzt werden? Denn durch diese fortgeschrittene Erkrankung werden oft auch die Nieren in Mitleidenschaft gezogen. In einer retrospektiven Kohortenstudie wurde dies nun ­genauer unter die Lupe genommen.

Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose sind aufgrund der ver­minderten Leberfunktion und der portalen Hypertension besonders gefährdet für das Auftreten eines hepatorenalen Syndroms (siehe Kasten „Komplikation hepatorenales Syndrom“). Der Einsatz von Opioid-Analgetika und Paracetamol ist bei dieser Patientengruppe entweder kontraindiziert oder nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abschätzung unter größter Vorsicht zu erwägen. Die klassischen Cyclooxygenase(COX)-Inhi­bitoren werden laut der European Association for the Study of the Liver (EASL) nicht empfohlen, da die Einnahme das Risiko für ein akutes Nierenversagen (ANV) erhöht.

Komplikation hepatorenales Syndrom

Bei Patienten mit fortgeschrittener ­Leberzirrhose tritt häufig eine akute Niereninsuffizienz auf. Eine besondere Form der akuten prärenalen Nieren­insuffizienz stellt das hepatorenale Syndrom (HRS) dar [3]. Es ist laut S2k-Leitlinie Komplikationen der Leber­zirrhose definiert als „potenziell ­reversible Nierenfunktionsstörung bei Patienten mit Leberzirrhose und Aszites oder bei Patienten mit alkoholischer Steatohepatitis“ [4]. Dabei steigt der Serumkreatinin-Spiegel auf mehr als 1,5 mg/dl. Es handelt sich um ein funktionelles Nierenversagen, das nicht durch eine Volumentherapie gebessert werden kann. Die Prognose dieser Komplikation ist sehr schlecht und auf lange Sicht von der Leberfunktion abhängig. Medikamentös therapiert wird das hepatorenale Syndrom laut Leitlinie mit dem Vasokonstriktor Terlipressin und Albumin. Als einzig effektive Langzeittherapie nach Kontrolle der Niereninsuffizienz gilt eine Lebertransplantation.

Der Wirkmechanismus von Metamizol ist nicht vollständig entschlüsselt, aber zu einem gewissen Anteil kommt es zu einer COX-Inhibition. Der Einfluss auf die Nierenfunktion ist aktuell unklar, doch im Vergleich zu anderen Analgetika führt Metamizol in der Allgemeinbevölkerung nicht zu einem erhöhten Risiko für Einschränkungen der Nierenfunktion. In der Fachinformation von Metamizol wird hingegen eine akute Verschlechterung der ­Nierenfunktion als sehr seltenes un­erwünschtes Ereignis aufgelistet.

In Studien konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von Metamizol bei Patienten mit kompensierter Leber­zirrhose nicht zu einer relevanten Verschlechterung der Nierenfunktion führte. Die Daten für Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose sind allerdings rar. Hier wird vermutet, dass sich aufgrund der geringeren Nierendurchblutung infolge der portalen Hypertension schon eine minimale COX-Inhibition negativ auswirken könnte. In der aktuellen Studie wurde dies genauer analysiert. Hierzu wurden zwei unabhängige Kohorten (eine Explorativ– und eine Validierungskohorte) von Patienten mit dekompensierter ­Leberzirrhose und Aszites untersucht.

Foto: sewcream/AdobeStock

Die Nierenfunktion ist bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose per se gefährdet. Kann dann noch Metamizol gegeben werden?

Dosis entscheidend

In die explorative Kohorte wurden insgesamt 523 Patienten eingeschlossen. 110 von ihnen erhielten bereits zu Beginn des Beobachtungszeitraums eine Therapie mit Metamizol, dabei lag die durchschnittliche Tagesdosis bei 2000 mg (500 mg bis 5000 mg). Während des Beobachtungszeitraums von 28 Tagen entwickelten 241 Studienteilnehmer (46%) ein akutes Nierenver­sagen und 65 Probanden (12%) ein schweres akutes Nierenversagen (dritten Grades). Dabei hatten im Verlauf die Patienten, die zu Studienbeginn bereits Metamizol einnahmen, eine höhere Inzidenz von akutem Nierenversagen und schwerem akutem Nierenversagen (ANV: 68% versus 40%, p < 0,001; schweres ANV: 24% versus 9%, p < 0,001). In einer multivariaten Analyse war die Anwendung von Metamizol unabhängig mit dem Auftreten von akutem Nierenversagen und schwerem akutem Nierenversagen ­assoziiert (Hazard Ratio [HR] = 2,2, 95%-Konfidenzintervall [KI] = 1,6 bis 3,0, p < 0,001; HR = 2,8, 95%-KI = 1,7 bis 4,7, p < 0,001).

Dabei war das Risiko für ein akutes Nierenversagen mit der verabreichten Metamizol-Dosis assoziiert, so zeigte sich in der multivariaten Analyse der kumulativen Sieben-Tage-Metamizol-Dosis ein Risikoanstieg von 3,8% pro Gramm Metamizol. Als optimaler prädiktiver Grenzwert für das Auftreten von akutem Nierenversagen wurde für Metamizol eine Sieben-Tage-Dosis von 10 g ermittelt. Die Art der Metamizol-Gabe (intravenös oder oral) hatte hingegen keinen Einfluss auf das Risiko eines akuten Nierenversagens.

Auch in der unabhängigen Validierungskohorte mit 115 Patienten konnte ein erhöhtes Risiko für akutes Nierenversagen unter Metamizol festgestellt werden.

Gleichzeitig wurde die Inzidenz von akutem Nierenversagen zwischen ­Metamizol und Opioid-Analgetika verglichen. Dabei war die ANV-Rate unter Metamizol höher (p = 0,014).

Erhöhtes Sterberisiko

Außerdem wurde in der Studie untersucht, ob die Anwendung von Metamizol Einfluss auf Tod bzw. eine Lebertransplantation hat. Im Beobachtungszeitraum verstarben 53 Patienten der Explorativgruppe, und sieben Patienten erhielten eine Lebertransplantation. Hier zeigte sich, dass die Einnahme von Metamizol mit einem erhöhten Sterbe- bzw. Transplantationsrisiko assoziiert ist. Im Verlauf von 28 Tagen lag das Risiko bei 22% versus 9% (p < 0,001) und im 90-Tage-Verlauf bei 32% versus 21% (p = 0,010).

Fazit

Eine Limitation der Studie ist, dass die Daten retrospektiv erhoben wurden. Daher konnte der Einfluss der Behandlungsdauer von Metamizol nur begrenzt untersucht werden.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die Anwendung von Met­amizol bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose unabhängig mit dem Auftreten eines akuten Nierenversagens assoziiert ist. Daher empfehlen die Studienautoren, den Einsatz von Metamizol, insbesondere in hoher Dosierung, sorgfältig abzuwägen. In der Diskussion weisen sie zudem darauf hin, dass bei dieser Patientengruppe aktuell keine allgemeinen Aussagen zu einem sicheren Schmerzmittel gemacht werden können. Die Auswahl muss individuell erfolgen. |

Literatur

[1] Schulte B et al. Metamizol-assoziierte Risiken bei dekompensierter Leberzirrhose. Dtsch Arztebl Int 2022;119:687–693, doi: 10.3238/arztebl.m2022.0280

[2] Fachinformation Novalgin® Filmtabletten, Stand: Juli 2022

[3] Lenz K et al. Hepatorenales Syndrom bei dekompensierter Leberzirrhose: Eine besondere Form der akuten Niereninsuffizienz. Med Klin Intensivmed Notfmed 2016;111: 440–446, doi.org/10.1007/s00063-016-0177-5

[4] Komplikationen der Leberzirrhose. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), AWMF-Registernummer: 021-017, Stand: November 2018

Apothekerin Dr. Martina Wegener

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.