Arzneimittel und Therapie

Neuer Antikörper bei Morbus Alzheimer

Zulassungsrelevante Studie sieht Benefit im Frühstadium der Erkrankung bei Lecanemab

Für den Antikörper Lecanemab, der eine frühzeitige Bildung von Beta-Amyloiden verhindert, konnte in einer Phase-III-Studie eine Verlangsamung kognitiver Störungen bei Patienten im Frühstadium einer Alzheimer-Erkrankung gezeigt werden. Die Studienergebnisse beruhen auf Herstellerangaben und wurden noch nicht in einem wissenschaftlichen Journal publiziert.

Ein Therapieansatz zur Verzögerung einer Alzheimer-Erkrankung ist der Abbau von Beta-Amyloiden im Gehirn mithilfe von Antikörpern. Zwar konnte dadurch die Amyloid-Last im Gehirn gesenkt werden, ein klinisches Korrelat in Form einer Verbesserung der Symptomatik blieb indes weitgehend aus. Nun macht ein neuer Antikörper von sich reden, mit dem mutmaßlich bessere Ergebnisse erzielt wurden. Es handelt sich um den humanisierten monoklonalen Antikörper Lecanemab (BAN2401), der selektiv in der N-terminalen Region des Beta-Amyloid(Aβ)-Peptids bindet, um Aβ-Aggregate zu neutralisieren und zu eliminieren. Da angenommen wird, dass Aβ-Aggregate eine zentrale Rolle in neurodegenerativen Prozessen spielen, könnte Lecanemab den Krankheitsprozess verlangsamen. Das Medikament, das von den Unternehmen Eisai und Biogen vertrieben wird, ist noch nicht zugelassen. Durch ein beschleunigtes Zulassungsverfahren bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA könnte im nächsten Jahr eine Marktzulassung erfolgen. Die neuen Ergebnisse der Clarity-AD-Studie sind zulassungsrelevant und sollen den klinischen Nutzen von Lecanemab bestätigen. In dieser Phase-III-Studie (NCT03887455) wurde untersucht, ob eine Therapie mit Lecanemab das Fortschreiten leichter kognitiver Störungen, aufgrund von Morbus Alz­heimer, und eines leichtgradigen Morbus Alzheimer mit bestätigter Aβ-Pathologie verlangsamen kann. Weitere Studien mit Lecanemab sind geplant, teilweise werden bereits Probanden rekrutiert.

Ergebnisse der Clarity-AD-Studie

An der Studie nahmen an weltweit 247 Zentren 1795 Patienten teil, bei denen minimale kognitive Einschränkungen bestanden, die mit einem Clinical-Dementia-Rating(CDR)-Score von 0,5 und einem CDR-Memory-Box-Score von 0,5 oder höher eingestuft wurden. Ferner lagen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn vor. Die Probanden wurden zu gleichen Teilen auf eine Behandlung mit Lecanemab (zweiwöchentlich in einer Dosis von 10 mg/kg als Infusion) oder Placebo randomisiert. Der primäre Endpunkt war die Verlangsamung der Krankheitsprogression. Diese wurde durch Veränderung in der Clinical Dementia Rating-Sum of Boxes (CDR-SB) erfasst, die mehrere Aspekte der Demenz beurteilt. Der Studienzeitraum lag bei 18 Monaten.

Laut Pressemitteilung der Hersteller verlangsamte Lecanemab bei Patienten in einem frühen Stadium den Abbau der geistigen Fähigkeiten um 27% im Vergleich zu Placebo. Das entsprach einem Unterschied von -0,45 Punkten auf der 18-Punkte-CDR-­SB-Skala, der mit einem p-Wert von 0,00005 in einer Intent-to-treat-Analyse signifikant war. Dieser Benefit ist zwar gering, war jedoch bereits nach sechs Monaten nachweisbar und über den gesamten Zeitraum hinweg klinisch signifikant. Die Behandlung mit Lecanemab erzielte auch in sämtlichen sekundären Endpunkten (u. a. Veränderung der Aβ-Menge im Gehirn und Einstufung nach verschiedenen klinischen Scores) positive Ergebnisse.

Bei der Beurteilung unerwünschter Wirkungen standen insbesondere Ödeme und Mikrohämorrhagien im Fokus, die als ARIA-E und ARIA-H bezeichnet werden. ARIA steht für Amyloid-related imaging abnormalities, E für Ödem und H für Hämorrhagie. Die Inzidenz von ARIA-E betrug in der Lecanemab-Gruppe 12,5% gegenüber 1,7% in der Placebogruppe. Mit Symptomen verbunden war die ARIA-E bei 2,8% der Patienten in der Verum-Gruppe versus 0,0% in der Kontrollgruppe. Die ARIA-H-Rate betrug in der Lecanemab-Gruppe 17,0% gegenüber 8,7% in der Placebogruppe. Symptomatisch war die ARIA-H in der Lecanemab-Gruppe bei 0,7% der Probanden versus 0,2% in der Placebogruppe. Im Vergleich zu anderen Antikörpern war das Auftreten von ARIA unter Lecanemab gering.

Eine erste Einschätzung

Dr. Linda Thienpont, Leiterin Wissenschaft bei der Alzheimer Forschung Initiative e. V., bewertet die derzeit bekannten Ergebnisse „vorsichtig optimistisch“. Die erzielte Verbesserung der Kognition um 27% nach 18 Monaten im Vergleich zur Kontrollgruppe sei als eher moderat einzustufen. Positiv sei zu vermerken, dass Nebenwirkungen wie zum Beispiel Hirnschwellungen weniger oft auftraten als in vorhergehenden Studien mit vergleichbaren Wirkstoffen. Für eine umfassende Einschätzung müssten aber die detaillierten Studienergebnisse abgewartet werden, so Thienpont. |

Literatur

Morbus Alzheimer: Antikörper Lecanemab erzielt günstige Wirkung im Frühstadium. Nachricht des Deutschen Ärzteblatts, 28. September 2022, www.aerzteblatt.de/nachrichten/137776/Morbus-Alzheimer-Antikoerper-Lecanemab-erzielt-guenstige-Wirkung-im-Fruehstadium

Lecanemab confirmatory phase 3 Clarity Ad study met primary endpoint, showing highly statistically significant reduction of clinical decline in large global clinical study of 1,795 participants with early Alzheimer’s disease. Pressemitteilung von Eisai und Biogen, 27. September 2022, investors.biogen.com/news-releases/news-release-details/lecanemab-confirmatory-phase-3-clarity-ad-study-met-primary

Ein Hoffnungsschimmer in der Alzheimer-Forschung? Studienergebnisse zu Wirkstoff Lecanemab veröffentlicht. Nachricht von Alzheimer Forschung Initiative e. V., 28. September 2022, www.presseportal.de/pm/7969/5331767

US-amerikanisches Studienregister. clinicaltrials.gov/, Abruf am 01. Oktober 2022

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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