Dermatologie

Weiße Flecken auf der Haut

Erste S1-Leitlinie zur Diagnose und Therapie der Vitiligo

 Weltweit ist rund 1% der Bevölkerung von der Weißfleckenkrankheit betroffen. Die sichtbaren hellen Flecken sind für die Patienten oft stigmatisierend. Umso wichtiger, dass nun für den deutschsprachigen Raum erstmals eine S1-Leitlinie zur Diagnose und Therapie zur Verfügung steht. Sie gibt einen schnellen Überblick über die effektiven Behandlungsoptionen und richtet zugleich den Fokus auf eine langanhaltende Repigmentierung der Haut. | Von Ines Winterhagen 

Die Vitiligo ist eine autoimmun verursachte, nicht ansteckende, chronische Hauterkrankung. Als Auslöser gelten Stress, starke UV-Belastung oder mechanische Hautschädigung. Zu den zentralen Krankheitsmechanismen zählen eine genetische Disposition sowie eine Fehlregulation des angeborenen und erworbenen Immunsystems. Dabei schütten CD8+-T-Zellen Interferon γ aus, welches letztendlich zu einer progressiven Zerstörung der Melanozyten führt. Die Melanin-Bildung unterbleibt und die Haut depigmentiert.

Foto: ALEKSANDR/AdobeStock

Vitiligo ist keine ansteckende Erkrankung. Trotzdem erleben Betroffene manchmal gesellschaftliche Ausgrenzung.

Typische Symptome

Charakteristischerweise treten scharf begrenzte, weiße, pigmentfreie Flecken in unterschiedlichem Ausbreitungs- und Schweregrad auf. Vorwiegend betroffen sind Hände, Unter­arme, Füße und Genitalien. Die weißen Flecken bleiben entweder unverändert, vergrößern sich im Laufe der Zeit oder repigmentieren spontan wieder. Bis auf einen gelegentlichen Juckreiz sind Vitiligo-Herde symptomlos. Die depigmentierte Haut ist aufgrund des verminderten photoprotektiven Eumelanins jedoch sehr lichtempfindlich und anfällig für Sonnenbrand. Potente Lichtschutzmittel (Lichtschutzfaktor ≥ 50) sind daher zu empfehlen. Generell ist die Vitiligo häufig mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert wie Typ-1-Diabetes, kreisrundem Haarausfall, atopischer Dermatitis und Schilddrüsenerkrankungen. Um die Schilddrüsenfunktion zu prüfen, sollten mindestens einmal jährlich das Thyroidea-stimulierende Hormon (TSH) sowie Thyreo­peroxidase(TPO)- und Thyreoglobulin(TG)-Antikörper bestimmt werden.

Supportive Behandlung

Die Vitiligo ist eine ernst zu nehmende Krankheit, die keinesfalls als banale kosmetische Störung abgetan werden darf. Oft fühlen sich die Betroffenen durch die sichtbaren Hautveränderungen stigmatisiert. Sie leiden unter Angst, Scham und reduziertem Selbstwertgefühl sowie unter gesellschaftlicher Ausgrenzung und Vereinsamung. Der unvorhersehbare Verlauf der Erkrankung und eine fehlende, langanhaltende Therapieoption führen bei vielen Patienten zu einer großen psychischen Belastung und erheblichen Einschränkung der Lebensqualität. Helfen können in diesem Fall dermatokosmetische Produkte wie Cremes, Sprays, Flüssig- oder Kompakt-Foundations, Concealer und Fixiersprays. Aufgrund ihrer hohen Pigmentdichte decken sie Herde zuverlässig ab. Zu beachten gilt: Das Make-up täglich entfernen, und zwar schonend. Reicht eine Camouflage nicht aus, ist mitunter eine ergänzende psychotherapeutische Intervention sinnvoll. Zudem bieten Selbsthilfegruppen den Betroffenen einen gegenseitigen Austausch.

Die wichtigsten Therapiesäulen

Die Therapieoptionen richten sich nach den befallenen Hautarealen und teilweise auch der Krankheitsaktivität. Im Vordergrund stehen folgende Arzneimittel und Therapien:

  • topische Corticosteroide
  • Calcineurin-Inhibitoren
  • Phototherapien
  • immunsuppressive Therapien
  • chirurgische Therapien

Die erste Vitiligo-Leitlinie im deutschsprachigen Raum fasst die zentralen Therapieempfehlungen zusammen. Hiernach sind topische Corticosteroide Mittel der ersten Wahl bei begrenzter Vitiligo (< 3% der Körperoberfläche). Sie sind besonders effektiv im Gesichts- und Halsbereich, bei dunklen Hauttypen und frischen Läsionen. Als potentes Cortico­steroid der Klasse III mit verbessertem therapeutischem Index wird beispielsweise Mometasonfuroat (z. B. Mome­galen®) empfohlen. Es wird für drei Monate einmal täglich angewendet oder über sechs Monate einmal täglich für jeweils 15 Tage, gefolgt von einer 14-tägigen Pause. Zu berücksichtigen sind unerwünschte Wirkungen wie Hautatrophie, Teleangiektasien, Striae und periorale Dermatitis. Zudem muss bei Behandlung großer Körperbereiche, intertri­ginöser Areale und besonders bei Kindern mit systemischer Absorption gerechnet werden.

Als Therapiealternative für Cortison-kritische Regionen wie dem Gesicht stehen die topischen Calcineurin-Inhibitoren Tacrolimus (z. B. Protopic®) und Pimecrolimus (z. B. Elidel®) in der Off-Label-Anwendung zur Verfügung. Typische Nebenwirkungen zu Behandlungsbeginn sind hier Brennen und Juckreiz. Die Substanzen sollten zweimal täglich für sechs bis zwölf Monate appliziert werden. Bei erfolgreicher Repigmentierung kann eine nachfolgende proaktive Therapie zweimal pro Woche das Rezidivrisiko reduzieren.

Eine weitere wichtige Behandlungssäule der Vitiligo bilden die Phototherapien, vor allem bei ausgedehnterem Befall. Die Leitlinie empfiehlt in erster Linie die Schmalband-UV-B-Therapie zur Ganzkörperbestrahlung, zwei- bis dreimal pro Woche. Diese Bestrahlungsart hat sich bei der genera­lisierten, aber auch bei der aktiven, progredienten Vitiligo als die wirksamste Therapieform bewährt. Die Behandlung sollte maximal zwölf bis 24 Monate erfolgen. Eine Kombination mit topischem Cortison oder Calcineurin-Inhibitoren kann den Effekt der Schmalband-UV-B-Therapie verstärken. Bei rasch fortschreitender Vitiligo lässt sich diese Bestrahlungsart auch mit systemischen Corticosteroiden kombinieren. Während in der Anfangsphase der Therapie möglicherweise phototoxische Reaktionen auftreten, ist für die Langzeitbehandlung das photokarzinogene Potenzial kritisch. Bisher deuten die vorliegenden Daten bei Vitiligo-Patienten aber nur auf ein sehr geringes Risiko von nicht-melanozytärem Hautkrebs nach UV-Therapie hin. Alternativ zur Schmalband-UV-B-Therapie bietet sich als gezielte Lichttherapie bei einer limitierten Vitiligo auch der Einsatz von 308 nm Excimer-Lasern oder -Lampen an. Diese haben den Vorteil einer auf die betroffenen Herde fokussierten Bestrahlung, einer höheren Eindringtiefe sowie einer höheren Strahlungsdosis pro cm2, womit sie insgesamt eine niedrigere kumulative Dosis ermöglichen. Bestrahlt wird ebenfalls zwei- bis dreimal wöchentlich. Die Patienten erreichen durchschnittlich eine 75-prozentige Repigmentierung. Kinder sprechen besser an als Erwachsene, kleinere Herde besser als größere.

Zu den immunsuppressiven Systemtherapien zählt eine orale Mini-Pulstherapie mit Dexamethason (z. B. Dexamethason acis®). Dazu werden 2,5 mg an zwei aufeinander folgenden Tagen pro Woche gegeben. Dadurch kann ein Krankheitsstopp bei akuter, rasch fortschreitender Vitiligo erzielt werden. Die Therapiedauer erstreckt sich über drei bis sechs Monate, wobei systemische Cortison-Nebenwirkungen zu erwarten sind. Weitere Immunsuppressiva wie Cyclophosphamid, Cyclosporin sowie Tumornekrosefaktor(TNF)-Blocker zeigen keinerlei oder nur wenig Effekt hinsichtlich der Repigmentierung. Vielmehr verdoppelt eine Therapie mit letzteren das Risiko, an einer Vitiligo zu erkranken.

Chirurgische Therapieoptionen sind nur für eine therapieresistente und stabile Vitiligo zu empfehlen. Je nach Technik können Farbdiskrepanzen zwischen repigmentiertem Vitiligo-Areal und umgebender Haut entstehen. Als Ultima Ratio gilt eine Depigmentierungstherapie mit irreversibler Zer­störung der Melanozyten. Sie sollte nur bei Patienten mit dunklem Hauttyp und entsprechend großem Leidensdruck in Erwägung gezogen werden.

Wissenswertes für die Beratung

  • auf Sonnenschutz achten: Produkte mit hohem Lichtschutzfaktor ≥ 50 verwenden, an unbedeckten betroffenen Stellen auch im Winter auftragen
  • zur Abdeckung betroffener Stellen: Camouflage-Produkte haben einen hohen Pigmentanteil und können in Form von Cremes, Deckstiften, Concealern, Fluids und Fixierpudern eingesetzt werden, z. B. von Dermacolor oder Make-up mit hoher Deckkraft, z. B. Vichy Dermablend™, wichtig: täglich sanft entfernen
  • Kosmetikinstitute und Selbsthilfegruppen bieten Kurse zu Applikationstechniken von Camouflage Make-up an
  • Selbstbräuner können eingesetzt werden, die Braun­tönung hält für drei bis fünf Tage an, bietet allerdings keinen Sonnenschutz!
  • dauerhafte Pigmentkorrektur: mit Permanent Make-up möglich, aber Risiken beachten z. B. Infektionen, allergische Reaktionen und Narbenbildung
  • Linktipp: Deutscher Vitiligo Verein e. V. bietet unter anderem Informationsmaterial und Kontakte zu Selbsthilfegruppen, unter www.­vitiligo-verein.de/

Ausblick auf weitere medikamentöse Therapieoptionen

Detaillierte Erkenntnisse zum Lebenszyklus der Melanozyten lassen neue Therapieansätze erkennen. So wurde beispielsweise Afamelanotid, ein synthetisches Analogon des α-Melanozyten-stimulierenden Hormons, in Kombination mit der Schmalband-UV-B-Therapie getestet. Diese Behandlung führte nach sechs Monaten zu einer schnelleren und stärkeren Repigmentierung als unter Phototherapie allein, allerdings vorrangig bei Patienten mit dunkleren Hautphoto­typen. Daneben ruhen die Hoffnungen auf Inhibitoren des Januskinase(JAK)-Signalwegs, die zukünftig das Therapiespektrum erweitern könnten. Denn das in den Vitiligo-Lä­sionen dominierende Interferon γ kann nur im Wechselspiel mit Januskinasen Signale ins Zellinnere weiterleiten und über Expression von bestimmten Genen Entzündungsreaktionen auslösen. JAK-Inhibitoren hemmen diese Signalübermittlung und damit entzündliche Prozesse. Bisher wurden bereits verschiedene Studien mit topischen (z. B. Ruxolitinib) und systemischen JAK-Inhibitoren (z. B. Tofacitinib oder Ritlecitinib) durchgeführt.

In Deutschland steht Ruxolitinib nur in oraler Form als Jakavi® bei Myelofibrose und Polycythaemia vera zur Verfügung. In den USA gibt es eine topische Darreichungsform unter dem Namen OpzeluraTM, dort ist Ruxolitinib zur kurzzeitigen und nicht kontinuierlichen chronischen Behandlung von leichter bis mittelschwerer atopischer Dermatitis zugelassen. Tofacitinib ist in Deutschland als Xeljanz® in oraler Form für verschiedene Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und Colitis ulcerosa verfügbar. Ritlecitinib gibt es bisher nicht auf dem deutschen Markt. Es befindet sich in der Erprobung in Studien bei Alopecia areata, Vitiligo, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.

Die Ergebnisse sind vielversprechend, dennoch besteht bei allen ein Problem – die erzielte Repigmentierung ist nicht anhaltend. Die Ursache hierfür sind T-Gedächtniszellen, die in der Haut persistieren. Sie schütten ebenfalls gegen Melanozyten gerichtetes Interferon γ aus. Die Folge: Die pigmentlosen Flecken kehren exakt in den ursprünglichen Arealen zurück.

Vision einer anhaltenden Behandlungsmethode

Primäres Ziel ist es daher, die T-Gedächtniszellen zu beseitigen, um einen weitaus länger anhaltenden Effekt zu erzielen. Für ihr Fortbestehen in Vitiligo-Läsionen sind sie auf eine Signalübertragung durch das Zytokin Interleukin 15 (IL-15) angewiesen. Diese T-Gedächtniszellen exprimieren die CD122-Untereinheit des IL-15-Rezeptors an ihrer Oberfläche. Beim Einsatz eines Anti-CD122-Antikörpers konnte im Mausmodell eine Repigmentierung beobachtet werden, bei einer längeren Behandlung auch eine Reduktion der T-Gedächtniszellen. Damit bleibt es spannend, wie sich die Therapie der Vitiligo weiterentwickeln wird. |

Auf einen Blick

  • Die Vitiligo ist eine weltweit häufig vorkommende Erkrankung mit Hypopigmentierung der Haut, die Betroffene häufig stigmatisiert.
  • Typischerweise treten scharf begrenzte, weiße, pigmentfreie Flecken auf – vor allem an Händen, Unterarmen, Füßen und Genitalien.
  • Da die Autoimmunerkrankung oft mit Schild­drüsenerkrankungen einhergeht, sollten mindestens einmal jährlich Thyroidea-stimulierendes Hormon, Thyreoperoxidase- und Thyreo­globulin-Antikörper bestimmt werden.
  • Die klassischen Therapieoptionen sind topische Corticosteroide und Calcineurin-Inhibitoren in Kombination mit Schmalband-UV-B-Bestrahlung sowie die Camouflage.
  • Mit Januskinase-Hemmern und Interleukin-15-Blockern zeichnen sich neue Behandlungsmöglichkeiten ab.

Literatur

Diagnostik und Therapie der Vitiligo. S1-Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (Herausgeber), 1. Auflage, 2021, AWMF-Register-Nr.: 013-093, www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-093.html

Hertlein A. Mit UVB und JAK-Inhibitoren gegen Vitiligo: Neue S1-Leitlinie gibt Empfehlungen. Nachricht von Medscape, November 2021, deutsch.medscape.com/artikelansicht/4910508

Hartmann S. 3rd Inflammatory Skin Disease Summit: Vitiligo: Aussicht auf anhaltenden Therapieerfolg. Nachricht von medonline, Dezember 2018, medonline.at/10023342/2018/vitiligo-aussicht-auf-anhaltenden-therapieerfolg/

Richmond JM et al. Antibody blockade of IL-15 signaling has the potential to durably reverse vitiligo. Sci Transl Med 2018;10(450) doi: 10.1126/scitranslmed.aam7710

Richmond JM et al. Resident Memory and Recirculating Memory T Cells Cooperate to Maintain Disease in a Mouse Model of Vitiligo. J Invest Dermatol 2019;139(4):769-778; doi: 10.1016/j.jid.2018.10.032

Schroeder I. Zielgerichtete Therapien. Vitiligo: Pigmentierung gezielt und dauerhaft wiederherstellen. Kongressbericht Oktober 2021, Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology 2021, www.springermedizin.de/eadv-2021/vitiligo/vitiligo--pigmentierung-gezielt-und-dauerhaft-wiederherstellen/19776144

von Kiedrowski R et al. Neuartige Ansätze in der Vitiligo – IL-15 und JAK3. NightTalk Tag 1 – Expertenrunde zum Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology 2021, www.infocenter-derma.de/open-area/articles/eadv-2021.html

Autorin

Dr. Ines Winterhagen
Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Homöopathie und Naturheilkunde; Autorin für die DAZ und den Deutschen Apotheker Verlag.

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