Die Seite 3

Grundversorgung in Gefahr

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

In diesem Jahr liegen zum Deutschen Apothekertag außergewöhnlich viele Anträge vor, darunter viele gute Ideen und wichtige Fragen. Mancher Antrag birgt die Gefahr, dass sich die Delegierten daran festbeißen, sodass die Zeit später an wichtigerer Stelle fehlt. Zudem haben die meisten Anträge eines gemeinsam. Ihre Umsetzung kostet Geld. Sogar Energiesparmaßnahmen mit Blick auf den Klimawandel sparen zwar langfristig auch Kosten, aber meistens muss erst mal in energiesparende Technik investiert werden. Die vielen schönen Ideen führen also nicht weiter, wenn das Geld dafür fehlt. Darum sind die im Antragsheft leider ziemlich weit hinten platzierten Anträge zum Honorar entscheidend für alles. Hoffentlich beeilen sich die Delegierten am Anfang der Debatte und lassen sich später genug Zeit, um das Thema Honorar intensiv zu diskutieren, anstatt es zu fortgeschrittener Stunde im Schnellverfahren durchzuwinken. Es reicht nicht, den Wunsch nach mehr Geld einstimmig zu verabschieden. Die Forderung muss konkretisiert werden. Der beste Weg ist die seit so vielen Jahren überfäl­lige Erhöhung des Festzuschlags auf Rx-Arzneimittel. Dass dies dem Gießkannenprinzip folgt, ist jetzt genau richtig, denn die Inflation trifft alle. Alternativen wären zusätzliche Honorare für Leistungen, die bereits erbracht werden – ähnlich wie der Notdienstfonds. Dafür bietet sich besonders das Handling der Rabattverträge an, die es bei der Einführung des Kombimodells noch nicht gab und die daher in der Honorierung nicht abgebildet werden. Hinter allen Anträgen zum Honorar steht die Frage, welche Instrumente die Apotheken haben, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen – und welche sie wirklich einsetzen wollen. Dazu gibt es keinen formellen Antrag, aber der Punkt ist entscheidend, und gerade hier kommt es auf eine Meinungsbildung in der großen Runde an.

Dies alles drängt jetzt mehr denn je, weil die Inflation galoppiert. Das trifft auch das Umfeld der Apotheken und erklärt wohl, warum Noventi, der Marktführer unter den Rechenzentren, die Preise erhöht und seine teure Expansionsstrategie beendet (siehe Seite 9). Als Mittel gegen die Inflation müssen die Zinsen steigen. Das trifft auch die Rechenzentren bei der Vorfinanzierung der Apotheken – und dies alles kommt letztlich bei den Apotheken an.

Die Inflation trifft die Bereiche besonders hart, in denen der Kostendruck schon lange hoch ist. Das sind die Apotheken, deren Festzuschlag keinen Anpassungsmechanismus hat, und die Generikahersteller, bei denen Festbeträge und Rabattverträge den Druck systembedingt ständig erhöhen. Durch diese Mechanismen ist das Ungleichgewicht zu den Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel – bei aller Berechtigung angemessen honorierter Innovationen – auf ein erschreckendes Maß angestiegen. Daher geht es in diesem Heft um die Ausgaben für hochpreisige im Vergleich zu patentfreien Arzneimitteln (siehe Seite 48) und um praktische Aspekte zum Umgang mit Hochpreisern (siehe Seite 52). Dies alles zeigt: Wenn nun die Inflation als Belastung hinzukommt, gerät die Grundversorgung in Gefahr. Darum ist es allerhöchste Zeit für mehr Geld in der Grundversorgung.

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