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Praxis

Kundenzeitschriften neu bewertet

Gelebte Tradition oder innovatives Marketing?

Passen papierne Kundenzeit­schriften noch in die Zeit? Ohne Frage sind sie ein wertvoller Imageträger für die Apotheken, andererseits sind sie ein nicht unwesentlicher Kostenfaktor. Schwierig wird es, wenn durch mediale Ansprache ein so hoher Erwartungsdruck bei den Kunden aufgebaut wird, dass man es sich sehr gut überlegen muss, auf bekannte Magazine zu verzichten. Die Apotheken befinden sich in einer Zwickmühle. | Von Reinhard Herzog

Kundenzeitschriften begleiten die Apotheken seit Jahrzehnten. Offenkundig bislang so erfolgreich, dass sogar in jüngerer Zeit weitere Anbieter hinzugekommen sind, ohne zum Marktführer „Apotheken Umschau“ mit seinen Ablegern (z. B. „Medizini“, „Diabetes-Ratgeber“ und „Senioren-Ratgeber“) aufschließen zu können.

Der Markt der Kundenzeitschriften

Ein Blick auf die Abbildung 1 zeigt indes: Die Zeit steigender Auflagen ist vorbei. Dabei muss man auch das digitale Angebot im Auge behalten, bei dem die Zugriffszahlen rasant steigen. Bei knapp 7,5 Millionen Printexemplaren (Spitze: knapp 10 Millionen in 2011) des Marktführers „Apotheken Umschau“ (zu Monatsanfang und Monatsmitte) aus dem Wort & Bild-Verlag werden immerhin 18,4 Millionen Leser pro Monat erreicht, die nach hauseigenen Medienanalysen jeweils rund 1,5 Stunden Lesezeit aufwenden. Durchschnittlich 3,8-mal wird jede Ausgabe „in die Hand genommen“. 64 Prozent der Leserschaft sind Frauen, 58 Prozent sind 60 Jahre und älter. Nicht überraschend wird so die traditionelle Kernzielgruppe der Apotheke adressiert, eine Gruppe, die mit ihren altersbedingt zunehmenden Gesundheits­anliegen apotheken­affin ist.

Abb. 1: Durchschnittliche monatliche Verbreitungszahlen ausgewählter Kundenzeitschriften in der Apotheke, jeweils zum 1. Quartal des Jahres (Quelle: Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V.)

Wie Zahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) zeigen, stellt sich die von der standeseigenen Avoxa herausgegebene, frühere „Neue Apotheken Illustrierte“ (nun: „Das Apotheken Magazin“) abgeschlagen dar. Mit rund 2 Millionen verbreiteten Exemplaren monatlich erscheint sie ebenfalls im 14-Tage-Rhythmus. Allerdings hält sich ihre Auflage recht stabil.

Das Marktumfeld ist hart: Jüngst musste der Gebr. Storck Verlag, nach rund 100 Jahren, Insolvenz anmelden. Apotheken-Kalender sowie unter anderem die Kundenzeitschriften „Ratgeber aus Ihrer Apotheke“ und „Meine Apotheke“ mit rund 1,3 Millionen monatlicher Auflage waren offenbar nicht mehr tragfähig genug.

Möglicherweise trug dazu der bekannteste Newcomer auf dem Markt bei – das Kundenmagazin „My Life“ mit weiteren Titeln wie „Platsch“ für Kinder und „My Life Senioren“ – geboren aus dem Zukunftspakt Apotheken, der ursprünglich von der Noweda unter IhreApotheken.de ins Leben gerufen wurde. Auch die Netdoktor GmbH (netdoktor.de) gehört zu diesem Pakt. Kürzlich hat das Verlagshaus Hubert Burda Media einen Anteil von 35 Prozent von IhreApo­theken.de erworben. Die Apothekenkundenzeitschriften wurden bereits davor von dem Medienunternehmen produziert.

Alles in allem erhält die Kundschaft jährlich immer noch über 200 Millionen von den Apotheken bezahlte Druck­erzeugnisse. Damit bekommt, bei gut 900 Millionen Bonkunden in bundesdeutschen Apotheken, statistisch mehr als jeder fünfte Kunde eine Zeitschrift. Im Verhältnis zu anderen Einzelhändlern (siehe Abschnitt „Seitenblicke in andere Branchen“) ist das sehr viel. Das lassen sich die Apotheken rund 100 Millionen Euro im Jahr kosten – wenig angesichts 60 Milliarden Euro Branchenumsatz, schon mehr bei etwa 13 Milliarden Euro Rohertrag, gar nicht so wenig in Relation zu den rund 3 Milliarden Euro steuerlichem Gewinn (ohne Corona-Sonder­lage) – nämlich gut 3 Prozent. In vielen Apotheken stellen die Kundenzeitschriften den größten Einzelposten der Werbeausgaben. Wer diesen Aufwand betreibt, sollte gute Gründe haben. Oder ist es eher die nicht näher hinterfragte Gewohnheit bzw. Tradition?

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Abb. 2: Der Marktführer und der bekannteste Newcomer– die „Apotheken Umschau“ (links) und „My Life“ (rechts)

Seitenblicke in andere Branchen

Das auflagenstärkste Magazin, noch vor der „Apotheken Umschau“, war einst die „ADAC-Motorwelt“ mit in der Spitze um die 14 Millionen Aussendungen monatlich. Dann wurde zunächst die Erscheinungsfrequenz gekappt und seit 2020 kann man die Zeitschrift noch an rund 9500 Stellen (Edeka- und Netto-Märkte, ADAC-Geschäftsstellen) einige Male im Jahr kostenlos gegen Vorlage des Mitgliedsausweises mitnehmen.

Als weiterer großer Player sei Edeka erwähnt. Dort findet sich unter anderem das Blatt „Mit Liebe“, ein Food-Magazin mit einer Auflage von 1,6 Millionen, das sechs Mal im Jahr erscheint. Mit rund 120 Seiten liegt es vom Umfang her noch über der Apotheken-Umschau mit gut 90 Seiten. Durch alle Edeka-Märkte dürften im Jahr um die 2 Milliarden Bonkunden gehen, sodass größenordnungs­mäßig nur jeder 100. Kunde eine Zeitschrift mitnimmt.

Ein massenwirksames Kundenmagazin bietet zum Beispiel auch die Drogeriemarktkette dm mit „Alverde“ mit rund 110 Seiten. Diese Zeitschrift kann auch im kompletten Umfang heruntergeladen werden, was beispielsweise bei der Apo­theken Umschau nur auszugsweise möglich ist. Nach dm-Angaben greifen 1,4 Millionen Kunden monatlich zu. Grob überschlagen wäre das jeder 40. bis 50. Bonkunde. Zahlen zum Online-Zugriff liegen uns nicht vor.

Ein vielleicht überraschendes Beispiel: Der Wort & Bild-Verlag hat seit 2007 auch die Hausärzte im Blick. Mehr als doppelt so viele Praxen wie Apotheken sollten einen florierenden Markt versprechen – mitnichten! Ganze 266.000 Exemplare vom Patientenmagazin „HausArzt“ werden jeweils einmal pro Quartal abgesetzt. Vor einigen Jahren waren es über 400.000.

Unzweifelhaft verschiebt sich die Kundeninformation und -ansprache in die Online-Welt. Anbieter haben das längst antizipiert. Die Finanzbasis fußt jedoch noch auf Print­produkten mitsamt Werbung. Plattform-Gebühren könnten die heutigen Modelle ablösen. Doch noch ist der (alleinige) Schritt dahin zu groß.

Gut investiertes Geld?

Eine Durchschnittsapotheke gibt jährlich um die 5000 bis 6000 Euro für rund 10.000 bis 15.000 Kundenmagazine aus – ein verzichtbarer Posten?

Ein Rechenbeispiel: Der statistische durchschnittliche Apothekenkunde bringt pro Jahr 650 Euro Umsatz in die klas­sische Apotheke, bereinigt um Spezialumsätze wie Par­enteralia, Heimversorgung und Versand. Das entspricht 140 bis 150 Euro Rohertrag. Allerdings konzentrieren sich die Umsätze (und abgeschwächt die Erträge) stark auf wenige Köpfe. So bestreiten 1 Prozent der Rezeptkunden bereits 40 Prozent der verordneten Arzneimittelausgaben. Zudem bündeln sich Umsätze gern bei Frauen, welche die Familieneinkäufe erledigen. Ein kleiner Prozentsatz der Menschen kommt hingegen gar nicht in die Apotheke, und ein erheb­licher Teil tätigt nur Minimalumsätze (Beispiel „Erkältungskunde“). Damit bringt die typische weibliche Offizin-Stammkundin als Familieneinkäuferin eher einen Jahresumsatz um die 1000 bis 1500 Euro ein, bei einem Rohertrag von über 250 Euro.

Würde man sich weigern, Kundenzeitschriften auszugeben und damit jährlich nur 20 bis 25 solcher Stammkunden verlieren, würden sich Ersparnis und Verlust bereits ausgleichen. Bleiben nur ganz wenige Top-Kunden mit mehreren tausend Euro Umsatz und immer noch einem absolut hohen Ertrag (nicht: Spanne) weg, blüht Ähnliches. Solch einen geringen Kundenschwund bemerken Sie in der Statistik gar nicht, da dieser Effekt von zu vielen anderen Faktoren überlagert wird. Damit stehen Sie angesichts des aufgebauten, medialen Werbe- und Konkurrenzdrucks im Zugzwang. Mittels Kundenselektion – also Konzentration der wertigen Zeitschriften auf „gute Kunden“ – können Sie Streuverluste minimieren. Grundsätzlich steht die Kundenzeitschrift in Konkurrenz zu anderen Zugaben. Wer aktiv mit „Goodies“ agiert, sollte Acht geben, nicht in eine Zugabespirale zu geraten, mit Zeitschriften stets noch obendrauf. In Zeiten von Schlange stehen und Mangelverwaltung stellt sich zudem heute mehr denn je die grundsätzliche Frage nach solchen Anreizsystemen: Möchten wir Kunden „kaufen“ oder durch Leistung überzeugen (siehe Kasten „Die Qual der (Zugaben-)Wahl“ und den nachfolgenden Pro- und Kontra-Beitrag auf S. 52)?

Die Qual der (Zugaben-)Wahl

Nichts ist so schwierig, wie Gewohntes wieder zu kappen. Hier läge auch der Charme, Zugaben gesetzlich restriktiver hand­zuhaben – damit wäre die Sache klar. Einstweilen stellt sich jedoch die Frage: Wenn schon Zugaben, dann welche?

Grundsätzlich sollten Zugaben den Spagat zwischen folgenden Anforderungen erfüllen:

  • günstige (Einkaufs-)Kosten,
  • gleichzeitig eine für die Kunden fühlbare Wertigkeit und Attraktivität, welche einen hohen Erinnerungswert hat und so meist eher ins Herz als auf die Ratio zielt,
  • Konformität mit bestehenden Werbebeschränkungen (z. B. „Geringwertigkeit“ im Bereich des Heilmittelwerbegesetzes),
  • ökologische Aspekte (kein Plastik).

Die Auswahl im 50-Cent-Bereich, etwa der Preis eines höherwertigen Kundenmagazins, ist indes beachtlich, hier einige prominente Beispiele:

  • Kugelschreiber oder Notizblock
  • Nähetui, Pflastermäppchen
  • LED-Lämpchen
  • Figuren (z. B. Betriebs-Maskottchen), Tierchen, etc.
  • Feuerzeuge, Eiskratzer, Parkscheiben, Einkaufswagenchips, Flaschenöffner
  • Taler oder Treuepunkte (häufig mit einem Kundenwert von 50 Cent)
  • Öko-Punkte oder Spenden-Punkte (der Gegenwert wird für soziale oder ökologische Projekte gespendet)

Mit was bereiten Sie nun die meiste Freude? Eine Gretchenfrage, sicher abhängig von Ihrer Kundenklientel. Die Zeitschrift ist sicher der beste Informationsträger mit insoweit dem höchsten „Impact“ auf die Kunden. Anderes zielt aber mehr ins Herz oder befriedigt die Sammelleidenschaft. Trotzdem sollte ein Zuviel an Zugaben, also z. B. Tierchen plus Treuepunkt und noch eine Zeitschrift obendrauf, vermieden werden.

Kostenkompensation durch Mehrverkäufe?

Kann man Kundenzeitschriften durch werbeinduzierte Zusatzverkäufe refinanzieren? Das wäre die Win-Win-Situation für Apotheke und Industrie. Nehmen wir 500 Euro monatliche Kosten an (für etwa 1000 Stück, aufgeteilt auf verschiedene Blätter), ließen sich diese durch 40 bis 50 zusätzliche „Durchschnitts-Offizinkunden“ – Rohertrag pro Kopf rund 12 Euro – aufwiegen. Alternativ gelänge, bei einem „OTC-Korbertrag“ von 4,00 Euro bis 5,00 Euro, die Refinanzierung durch monatlich 100 bis 120 zusätzliche OTC-Käufer. Gerne beworbene, höherwertige Produkte liefern teils deutlich höhere Stückerträge, somit reichen entsprechend weniger Zusatzverkäufe. Dass in der typischen Offizin jedoch Tag für Tag drei oder vier Kunden aufgrund von Kundenzeitschriften zusätzlich einen Kauf tätigen, erscheint aus der praktischen Erfahrung hoch gegriffen. Schließlich müsste ein entsprechender Prozentsatz der Leser aktiviert werden. Noch seltener bilden sich Dauerverwender der Präparate – das wäre die Wunschvariante – heraus. Eine gewisse Teilkompensation der Kosten ist zwar nicht von der Hand zu weisen. Das skizzierte Negativszenario wirkt aber stärker: die von Kunden gewohnten Zugaben zu kappen, war bislang hochriskant – momentan stehen indes die Zeichen dafür krisenbedingt so günstig wie selten.

Ist „digital“ tatsächlich ökologischer?

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Überschlägig werden 20.000 bis 30.000 Tonnen Papier pro Jahr für Apothekenzeitschriften aufgewandt. 1 kg Papier erfordert etwa 2,2 kg Holz. Ein typischer, für die Papierherstellung geeigneter Baum bringt ein bis allenfalls zwei Tonnen nutzbares Holz auf die Waage. Damit stehen die Kundenmagazine für 30.000 bis 60.000 Bäume, die jeweils einige zehn Kilogramm CO2 über ihren Holzzuwachs im Jahr fixieren können. So können um oder etwas mehr als 1000 Tonnen jährlich CO2 zusammenkommen, die nicht mehr als Holz gebunden werden – falls die Bäume tatsächlich alle gefällt würden. Der Anteil an Recycling-Papier beträgt nämlich heute 92 Prozent, allerdings ist dieser besonders hoch bei einfachen Gebrauchspapieren wie Toilettenpapier oder Verpackungen, und niedriger bei hochwertigem Druckpapier. Bundesweit ist der Papierverbrauch vom einstigen Spitzenwert um rund 15 Prozent gesunken auf rund 18 Millionen Tonnen, das sind über 200 kg pro Kopf und Jahr. Dagegen wirken die Apothekenkundenzeitschriften marginal. Wer allerdings Papier beklagt, muss auch die Alternative nennen. Statt 1,5 Stunden mit einer Zeitschrift ebenjene Zeit im Internet verbracht, verbraucht ebenfalls beachtliche Ressourcen. Das fängt beim eigenen Stromverbrauch an und zieht sich durch die ganze digitale Infrastruktur. Beim heutigen Strommix kommen da je Lesestunde am Rechner einige zehn Gramm CO2 zusammen. Wenn der Marktführer 28 Millionen Lesestunden je einzelne Ausgabe für sich reklamiert, entspräche das in der digitalen Welt größenordnungsmäßig 500 bis 1000 Tonnen CO2. Das ist nicht weit entfernt von der Menge, welche für eine unrecycelte Papierproduktion aller Kundenzeitschriften eines ganzen Jahres (und nicht nur einer Umschau-Ausgabe) anfiele. Mit CO2-­armer Stromerzeugung wendet sich später einmal das Blatt. Doch so kann man sich täuschen.

Fazit

Schon immer waren von den Apotheken bezahlte Kundenzeitschriften eine ambivalente Angelegenheit – einerseits potente Werbe- und Imageträger in eigener Sache und zudem bequem, da allseits bekannt. Andererseits haben wir uns so weit treiben lassen, dass viele Kolleginnen und Kollegen einen Verzicht im Wettbewerbsumfeld scheuen. Die Digitalisierung mischt die Karten nochmals neu. Braucht es also am Ende den Gesetzgeber, um die Marketingbudgets zu lichten oder richten es Markt und wirtschaftliche Vernunft? |

Autor

Apotheker Prof. Dr. Reinhard Herzog, Tübingen

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