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Ausbildung

Apotheker van de toekomst

Apotheker der Zukunft – das praxisbezogene Pharmaziestudium der Niederlande im Porträt

In den Niederlanden arbeiten Universitäten und Standesvertretung in den letzten zehn Jahren intensiv zusammen, um die Pharmazieausbildung an die veränderten Aufgaben des Apothekerberufes anzupassen. Mit der großen Dynamik der Entwicklungen im Gesundheitswesen sollen die Inhalte der Apothekerausbildung alle fünf Jahre überarbeitet werden [1]. Da Apotheker in vielen Bereichen tätig sind, sollen im Studium grundlegende Kenntnisse als Basis vermittelt werden, mit der sich die Absolventen anschließend weiter spezialisieren können. In den Niederlanden versteht man den Beruf des Apothekers als lebenslangen Lernprozess [2]. | Von Martina Teichert

Basisapotheker

Die Ausbildung zum Basisapotheker besteht aus zwei eigenständigen Studiengängen: dem dreijährigen Bachelor und dem ebenfalls dreijährigen Master. Diese Struktur gibt Studenten die Möglichkeit, die Ausbildung mit einem Bachelor-Abschluss zu beenden oder eine weitere Ausbildung anzuschließen, die nicht unbedingt ein Master in Pharmazie sein muss. Außerdem vereinfacht diese Unterteilung einen Wechsel zu einer anderen Universität und sie bietet den Universitäten Freiräume im Studienangebot.

Das Pharmaziestudium zielt in erster Linie auf die Ausbildung von Apothekern, die anschließend in der öffentlichen Apotheke oder im Krankenhaus arbeiten. Für diese Basisapotheker schließt sich nach dem Master eine zweijährige (öffentlicher Apotheker) oder dreijährige (Krankenhausapotheker) Fachausbildung an. Basisapotheker sind jedoch mit einem Master in Pharmazie auch gut gerüstet für eine anschließende Laufbahn in der pharmazeutischen Industrie, bei Universitäten in Forschung und Lehre oder für die Arbeit bei Organisationen, die sich mit der Zulassung und Anwendung von Arzneimitteln beschäftigen [2]. Der Basisapotheker ist dementsprechend breit ausgebildet mit einer Grundlage, um selbstständig pharmazeutische Aktivitäten auszuüben, die jedoch in einer anschließenden Spezialisierung unter Aufsicht weiter zu entwickeln sind [2].

Gesetzlich geschützte ­Berufsbezeichnung

Der Basisapotheker kann sich in das zentrale Register für heilkundige Berufe in der individuellen Behandlung einschreiben. Dies ist in den Niederlanden die Voraussetzung, um als Apotheker eigenverantwortlich klinisch arbeiten zu dürfen und den Titel „Apotheker“ zu führen. Zum Erhalt dieses Titels muss man neben einem vollständig abgeschlossenen Studium und regelmäßigen Schulungen auch ausreichende Arbeitszeiten in der klinischen Praxis nachweisen. Kann man dies nicht, so darf man sich lediglich „Apotheker nicht praktizierend“ nennen.

Einheitliche Lehrinhalte

Im niederländischen „Referenzkader Pharmazie“ werden als Wissensgebiete des Basisapothekers Kenntnisse über Arzneimittel sowie über Arzneimittelwirkung und -an­wendung beschrieben [2, 3]. Hierunter fallen die Aufgabenbereiche Arzneimittelherstellung, Pharmazeutische Betreuung, Medikationsplanung, Qualitätsmanagement, Forschung, Ausbildung und Innovation [2]. Im „Grundlagenplan Pharmazie“ sind diese Wissens- und Aufgabengebiete des Basisapothekers detaillierter ausgearbeitet. Dieser Grundlagenplan beschreibt verbindlich für alle Pharmaziestudiengänge in den Niederlanden die Endqualifikationen des Basisapothekers [2].

Bachelor an der Universität Utrecht

An der Universität Utrecht beginnen durchschnittlich 240 Studenten jährlich mit dem Bachelorstudium der Pharmazie. Sie werden aus mehr als 600 Anmeldungen mit einem Numerus Clausus für die verfügbaren Plätze zugelassen. Der Unterricht im ersten Jahr besteht zu 10% aus Vorlesungen, 12% aus Übungen, 10% aus Praktika, 12% aus Arbeitsgruppen und 56% aus eigenem Studium. Die Arbeitsgruppen bestehen durchschnittlich aus 15 Studenten [4].Das erste Studienjahr ist in vier ­Perioden mit Chemie, Arzneimittelanwendung und -wirkung, Kinetik von Arzneimitteln sowie Arzneimitteltherapie und -forschung eingeteilt. Außerdem besteht die Möglichkeit, ein Fach eigener Wahl zu hören.

Das Bachelor-Studium

Der Bachelor Pharmazie ist eine breite naturwissenschaftliche Ausbildung [2]. Die Endqualifikationen des Studiums gliedern sich in folgende Bereiche: 1. Wissen und Verständnis (mit 15 verschiedenen Qualifikationen), 2. Praktische Fähigkeiten (17 Qualifikationen) und 3. Professionelles Verhalten (9 Qualifikationen). Die Studenten müssen bei Wissen und Verständnis z. B. die wichtigsten Eigenschaften von Krankheitsbildern und Produkten, die die Wirksamkeit von Arzneimitteln beeinflussen, mit den hierbei zu verwendenden diagnostischen Messmethoden kennen. In einer Bachelorarbeit zeigt der Pharmaziestudent die praktische Fähigkeit, eigenständig Fragen innerhalb des pharmazeutischen Fachgebietes mit dem erworbenen Wissen und den erlangten Fertigkeiten, erfolgreich zu lösen.

Außerdem gehört die Herstellung von Arzneiformen zum Programm. Professionelles Verhalten auf Bachelorniveau schließt die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen und das kritische Reflektieren des eigenen Handelns ein [2].

In jedem Jahr des Bachelorstudiums sind jeweils 60 Studienpunkte zu erwerben.

Foto: Universität Leiden, Fakultät Medizin/Teichert

Am Universitäts­krankenhaus in Leiden finden die Lehrveranstaltungen des Masterstudiengangs Pharmazie statt. Das zeigt die enge Verbindung der Pharmazie zur Medizinischen Fakultät.

Der konsekutive Master

Der Masterstudiengang Pharmazie rundet die wissenschaftliche Ausbildung zum Basisapotheker ab [2]. Die Endqualifikationen sind als „Kompetenzen“ abgeleitet aus dem CanMEDS-Modell für Kanadische Mediziner [5]. Unter einer Kompetenz versteht man die Fähigkeit, Kenntnis, Verständnis, praktische Fähigkeiten und Verhalten inte­gral im professionellen Handeln anzuwenden [2].

Die sieben Kernkompetenzen des Basisapothekers sind pharmazeutischer Sachverstand, Zusammenarbeit, Kommunikation, Führungseigenschaften, gesellschaftliches Handeln, Forschung und Professionalität [2, 3]. Auch hier sind in jedem Studienjahr 60 Studienpunkte zu erreichen.

Master an der Universität Leiden

In Leiden starten jährlich 50 Studenten im Master­studiengang Pharmazie. Im ersten und zweiten Jahr werden neun inhaltliche Themen behandelt wie z. B. Onkologie oder Selbstmedikation. Jedes Thema umfasst acht Wochen. In den ersten beiden Wochen findet vorbereitender Unterricht an der Universität mit Selbst­studium statt. In den folgenden fünf Wochen verbringt der Student drei Wochentage im Praktikum in entweder einer öffentlichen (fünf Themen), ambulanten (ein Thema) oder Krankenhaus-Apotheke (drei Themen). An den restlichen zwei Wochentagen findet Unterricht an der Universität statt. Im Labor wird dann höchstens für einen themenbezogenen Auftrag innerhalb der Prak­tikumsapotheke gearbeitet. Die letzte Woche dient der Vorbereitung auf das Examen.

Diese Einteilung folgt dem Prinzip des praxisbezogenen Lernens. Die Studenten wenden das gerade Gelernte unmittelbar in der Praxis mit gezielten Aufgaben an, sowohl individuell als auch in Gruppen. Außerdem werden sie angeregt, mit Fragen aus der Praxis in den Unterricht zurückzukommen. Der Unterrichtsstoff wird an der Universität in Vorlesungen und Arbeitsgruppen angeboten. Daneben sind einige Unterrichtseinheiten eine Mischung verschiedener Unterrichtsformen: der Unterricht in Methodologie beispielsweise kann im Selbststudium mit Lehrbuch, Wissensclips, angepassten Online-Tests und Rückmeldungen sowie Übungen stattfinden [6]. In der ersten Hälfte des dritten Jahres schreiben die Studenten eine wissenschaftliche Arbeit. Daneben arbeiten sie zehn Wochen weitgehend selbstständig als „beinahe Apotheker“ in einer klinischen Umgebung ihrer Wahl. In dieser Studienphase kann auch ein Wahlfach an einer anderen Universität oder Institution belegt werden. Das Erlernen der erforderlichen Kompetenzen wird über die Themen hinweg durch sechs Koordinatoren überwacht, die die Endqualifikationen für ihre jeweilige Kompetenz in steigendem Schwierigkeitsgrad verfolgen.

Spielend zum Top-Apotheker

Die Universität Groningen hat in den letzten 20 Jahren ein Spiel entwickelt, in dem Studenten während vier Wochen in Gruppen als Apothekenteams miteinander um die beste pharmazeutische Betreuung wetteifern. Dabei werden die Studenten individuell in ihren pharmakologischen Kenntnissen, in der Kommunikation mit Patienten und Kollegen, in der Zusammenarbeit (im Apothekenteam und mit anderen Disziplinen) und in der korrekten pharmakologischen Beratung bewertet. Hierbei wird die Apotheke mit Bestellungen, Qualitätsmanagement, Projekten, Rezepten, Handverkaufsfragen von Patienten, Anfragen von Ärzten, Kundenwerbung oder Arzneimittelrückrufen nachgespielt. Jedes Team arbeitet in „seiner“ Apotheke und kann durch eine gute Beratung oder Organisation Patienten dazugewinnen. Das Team gewinnt, das am Ende die meisten Patienten hat.

Neben Rezepten werden gezielt Aufträge bearbeitet, beispielsweise durch gespielte Patienten, die die Beratung bewerten, und den Dozenten, die die korrekte Durchführung überwachen. Die Spielsituation gibt die Möglichkeit, Studenten eigenverantwortlich Situationen meistern zu lassen, die sie im Praktikum so nicht erleben. Inzwischen wird das Spiel auch in Utrecht und Leiden gespielt und international in Brüssel, Nottingham, Griffith, Bath und Vilnius [7]. |
 

Literatur

[1] van den Houdt F. Focus openbaar apotheker verschuift richting generieke vaardigheden: Interview Olaf Tan. Pharmaceutisch Weekbald, 2022;21/22:10

[2] Schalekamp T, Halsma H. Domein-specifiek referentiekader Farmacie & Raamplan Farmacie Rijsuniversiteit Groningen, Unversiteit Utrecht, Universiteit Leiden, Koninklijke Nederlandse Maatschappij ter bevordering der Pharmacie (KNMP) 2016. www.knmp.nl/sites/default/files/­2021-11/2016%20pharmacist%20competency%20framework%20and%20DSFR%20Netherlands.pdf

[3] Teichert M. Studium mit stärkerem Praxisbezug: neue Curricula in den Niederlanden. DAZ 2017;(5):30-31

[4] Universtiteit Utrecht. Bachelor Pharmacy for international Students. www.uunl/bachelors/en/general-information/information-international-students, 2022; letzter Zugriff am 6. Juni 2022

[5] Working Group on Curriculum Review. CanMEDS-Allgemeinmedizin Deutsche Übersetzung 2009. www.am.med.tum.de/sites/www.am.med.tum.de/files/Canmeds_German%20Version.pdf, letzter Zugriff 6. Juni 2022

[6] Teichert M. Blended onderwijs: aantrekkelijke mix online lessen en praktijkopdrachten. Pharmaceutisch Weekbald 2021;19/20

[7] Fens T, Dantuma-Wering C, Taxis K. The Pharmacy Game-Gimmics® a Simulation Game for Competency-Based Education. Pharmacy 2020;8(198), doi:10.3390/pharmacy8040198

Autorin

Dr. Martina Teichert studierte Pharmazie (Approbation 1987) und Wirtschaftswissenschaften an der TU Braunschweig (Diplom 1991). 2005 Master Epidemiologie an der Vrijen Universiteit Amsterdam, 2011 Promotion an der Erasmus Universität Rotterdam. Seit 2002 Wissenschaftlicher Rat beim Niederländischen Apothekerverband KNMP, seit 2016 Associate Professor für pharmazeutische Praxisforschung an der Universität Leiden.

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