Praxis

Fertigspritze, Pen oder Injektionslösung

Können pharmazeutische Bedenken bei MTX zum Retax-Verhängnis werden?

Das Apothekenpersonal hat die Möglichkeit, im Einzelfall vom Austausch auf ein Rabattarzneimittel bzw. auf ein preisgünstiges Arzneimittel abzusehen, falls der Therapieerfolg oder die Arzneimittel­sicherheit trotz zusätzlicher Beratung des Patienten gefährdet sind – so weit ist die Sachlage klar. Im Fall von hochpreisigen Arzneimitteln kann das aber schon mal für ein mulmiges Gefühl sorgen. Genügend Diskussionsstoff bietet Methotrexat (MTX), mittlerweile in zahlreichen Darreichungsformen auf dem Markt und bei den Patienten ohnehin nicht besonders beliebt. Bedenken gibt es viele – pharmazeutischer und wirtschaftlicher Natur.
Foto: Science Photo Library

In regelmäßigen Abständen wird in der Fachpresse über Schwierigkeiten bei der Handhabung von Methotrexat-haltigen Fertigspritzen und die Notwendigkeit einer umfassenden Aufklärung des Patienten berichtet. Zuletzt erinnerte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im Oktober 2021 in einer Drug Safety Mail daran, dass nicht alle Präparate unmittelbar angewendet werden können. Teilweise ist vor der Applikation eine Montage mit mehreren Arbeitsschritten erforderlich, was gerade Patienten mit Gelenkerkrankungen und eingeschränkter Beweglichkeit der Finger vor Probleme stellt. Ein Austausch des vertrauten Präparats im Rahmen eines neuen Rabatt­vertrags kann den Therapieerfolg massiv gefährden.

IFE und FER sind nicht das Gleiche

MTX-Fertigspritzen sind in der Taxe unter zwei verschiedenen Darreichungsformen zu finden. Nachdem im September 2020 die neue Darreichungsform „IFE“ (Injektionslösung in einer Fertigspritze) eingeführt wurde, haben viele Hersteller auf das neue Kürzel geändert. Unter „FER“ (Fertigspritze) laufen noch mehrere Dosierungen von Nordimet®. Die Darreichungsformen sind nicht identisch und werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht als austauschbar definiert. Es droht eine Retaxierung. Im Unterschied zur Fertigspritze wird bei einem Fertigpen die Wirkstofflösung nicht durch den Druck des Anwenders auf den Kolben appliziert. Die Nadel ist vor und nach der Applikation von einem Nadelschutz umgeben, die Verletzungs­gefahr ist damit geringer. Fertigpens („PEN“) gibt es von Metex® und Nordimet®. Seit November 2021 hat Nordimet® durch Zulassung zur Behandlung von leichtem bis mittelschwerem Morbus Crohn in den Anwendungsgebieten mit der Kon­kurrenz gleichgezogen.

Wie wirkt Methotrexat?

Als Folsäure-Analogon inhibiert Methotrexat die Dihydrofolsäure-Reduktase und verhindert so die Umwandlung von Dihydrofolsäure in Tetrahydrofolsäure, die als Ein­kohlenstoff-Donator essenziell für die DNA-Synthese ist. Zudem hemmt Methotrexat die Thymidilat-Synthase, die Stoffwechselschritte der Pyrimidin-Synthese katalysiert. Auf diese Weise bremst der Arzneistoff die Replikation des Erbguts. Eingesetzt wird Methotrexat in hoher Dosierung zur Behandlung von Tumorerkrankungen. Da eine schnelle Zellvermehrung auch bei Auto­immunerkrankungen eine Rolle spielt, wird Methotrexat außerdem in niedrigeren Dosierungen u. a. bei rheumatoider Arthritis, entzündlichen Darmerkrankungen und Psoriasis eingesetzt.

Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2020

Noch unfertige Fertigspritzen

Die Patienten interessieren sich nicht für derartige Formalitäten. Sie bekommen einen Präparatewechsel am eigenen Leib zu spüren. So kann innerhalb einer Dosierung die Wirkstoffkonzentration und damit oft das Injektionsvolumen zwischen den einzelnen Herstellern variieren. Ein Beispiel: Von Metex FS 15 mg (50 mg/ml) muss für eine Dosis von 15 mg ein Volumen von 0,3 ml gespritzt werden, von Trexject® (10 mg/ml) für die gleiche Dosis ein Volumen von 1,5 ml. Zur Minimierung von Injektionsschmerzen empfehlen Studien bei subkutaner Applikation ein maximales Injektionsvolumen von 1,5 ml. Diese Grenze ist im Fall von Trexject® bereits ab einer Dosierung von 20 mg (2 ml) überschritten, bei 25 mg sind es gar 2,5 ml. Andere Präparate bleiben mit ihren Injektionsvolumina weit darunter (max. 1,25 ml).

Kompliziert wird es, wenn die Fertigspritzen noch nicht applikationsfertig sind. Im vergangenen Jahr warnte die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) vor dem Präparat Trexject® (Medac), nachdem vermehrt Meldungen über Probleme bei der Vorbereitung eingingen. Nicht allen war klar, dass vor der Anwendung die Kanüle auf die vorgefüllte Spritze aufgeschraubt werden muss. Stichverletzungen und Kontamination der Haut oder der Umgebung mit Methotrexat waren die Folge. Kritisiert wurde insbesondere, dass die Gebrauchsinformation keine Anleitung enthielt. Dies wurde in der Zwischenzeit nachgeholt, sowohl schriftlich als auch bebildert. Trexject® ist derzeit Gegenstand von Rabattverträgen mit mehreren AOKen, der Hanseatischen und der Techniker Krankenkasse. Medac ist auch Zulassungsinhaber des Präparats Metex®, der als erster Methotrexat-Fertigpen in Deutschland vielen Patienten bekannt ist.

Die Apotheke als letzte Chance

Die Erfahrungen in der Praxis bestätigen die Befürchtung, dass gerade Patienten, die mit Methotrexat behandelt werden, durch eine Umstellung hochgradig verunsichert werden. Obwohl das Problem auch Ärzten bestens bekannt ist, sind längst nicht alle von ihnen bereit, den Austausch durch Markierung des Aut-idem-Feldes zu unterbinden. Der Schwarze Peter wird an die Apotheke weitergereicht, die letztlich über das Präparat entscheidet. Bei jeder Abgabe muss sich vergewissert werden, dass der Patient mit der Handhabung des Arzneimittels vertraut ist. Auch eine vermeintlich einfache Bedienung wie beim „tastenlosen“ Autoinjektor Nordimet®-Pen bedarf es einer Beratung und Übung. Gelangt man zu der Überzeugung, dass ein Wechsel des Präparats im Sinne des Rabattvertrags zur Non-Adhärenz führt, kann man pharmazeutische Bedenken geltend machen. Bei Verordnung der N3-Größe wird es mit steigender Wirkstoffmenge aber schnell teuer.

Muss man sich um Retaxationen Sorgen machen?

Das Deutsche Apotheken Portal (DAP) antwortet darauf: „Uns sind keinerlei Präzedenzfälle bekannt, in denen korrekt durchgeführte und dokumentierte pharmazeutische Bedenken zu einer Retaxierung geführt hätten. Tatsächlich haben wir im Jahr 2014 dazu auch einmal eine Umfrage gemacht, bei der 93% der Apotheker angaben, noch nie eine Retax im Zusammenhang mit pharmazeutischen Bedenken erhalten zu haben. Auch wissen wir aus unserem Kontakt mit der Firma Medac, dass pharmazeutische Bedenken bei Metex® aus Sicht des Herstellers unproblematisch sind.“

Zum Weiterlesen

Mehr zur Handhabung der verschiedenen injizierbaren Arzneiformen lesen Sie im Artikel „Unterstütztes Spritzen: Wie Methotrexat-Fertigpens angewendet werden“ von Marius Penzel, DAZ 2020, Nr. 12, S. 34

Falsche Dokumentation kann zum Problem werden

Das DAP weiter: „Was wir allerdings wissen, ist, dass Apotheken teilweise nicht die ausreichende Dokumentation durchführen bzw. Rezepte nicht korrekt bedrucken und daraus dann Retaxierungen im Zusammenhang mit pharmazeutischen Bedenken entstehen (vermutlich die verbleibenden 7% aus der obigen Umfrage). Wichtig ist also, dass der Apotheker sensibilisiert ist, dass er eine Beratung durchführen muss, um Compliance-Probleme zu vermeiden, und pharmazeutische Bedenken nur unter der Maßgabe anwendet, dass trotz Beratung der Therapieerfolg bzw. die Compliance des Patienten gefährdet ist. Auch muss die Dokumentation korrekt durchgeführt werden. Dazu sind Sonder-PZN und/oder ein handschriftlicher Vermerk notwendig. Nach neuem Rahmenvertrag reichen entweder die Sonder-PZN ODER eine handschriftliche Begründung, und wenn beides vergessen wurde, kann die Apotheke das im Beanstandungsverfahren nachreichen (Rahmenvertrag § 6 Abs. 2g3).“ |

Literatur

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Information zur Handhabung von Methotrexat-haltigen Fertigspritzen. Drug Safety Mail 2021-55 vom 14. Oktober 2021

Aut idem bei MTX-Fertigspritzen: auf die Darreichungsform achten. Meldung des Deutschen Apotheken Portals (DAP) vom 20. Mai 2021, verfügbar unter www.deutschesapothekenportal.de/rezept-retax/nachrichten/verordnungen/detail/aut-idem-bei-mtx-fertigspritzen-auf-die-darreichungsform-achten/

Trexject® Fertigspritzen: Risiken bei der Vorbereitung und Verabreichung durch Patienten. AMK-Meldung 11/20 vom 10. März 2020

Gebrauchs- und Fachinformation von Trexject® (Stand: 11/2021)

Apothekerin Rika Rausch

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