Arzneimittel und Therapie

Das Leid der Krebspatientinnen

Ausgeprägte Nebenwirkungen onkologischer Therapien treffen Frauen häufiger als Männer

Bei onkologischen Therapien hängt das Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auch vom Geschlecht der Betroffenen ab. So erleiden Frauen wesentlich häufiger starke Nebenwirkungen als Männer. Das erhöhte Risiko ist besonders ausgeprägt unter Immuntherapien.

Es ist bekannt, dass Frauen und Männer unterschiedlich auf verschiedene Therapien ansprechen. Ob auch das Risiko, ein schweres unerwünschtes Ereignis zu erfahren, geschlechts­spezifisch ist, war bislang unklar. Daher widmete sich eine US-amerikanische Arbeitsgruppe dieser Fragestellung und wertete hierzu onkologische Therapien aus.

Die rund 200 ausgewerteten Studien wurden zwischen 1980 und 2019 durchgeführt und umfassten insgesamt 23.296 Patienten. Der größte Teil der Krebspatientinnen und -patienten hatte eine Chemotherapie, rund 15% eine zielgerichtete Behandlung und etwa 10% eine Immuntherapie (z. B. Checkpoint-Inhibitoren) erhalten. Etwa 65% der Teilnehmer hatten eine oder mehrere schwere unerwünschte Wirkungen (> Grad 3) erlitten, wobei diese unerwünschten Ereignisse in symptomatische, nicht-hämatologische und hämatologische Nebenwirkungen unterteilt wurden.

Die Auswertung der Daten ergab: Frauen hatten im Vergleich mit Männern ein um 34% erhöhtes Risiko, eine schwere unerwünschte Wirkung zu erfahren (Odds Ratio [OR] 1,34; 95% Konfidenzintervall [KI] 1,27-1,42; p < 0,001). Das erhöhte Nebenwirkungsrisiko zeigte sich vor allem unter Immuntherapien, hier war das Risiko um 49% erhöht (OR 1,49; 95% KI 1,24-1,78; p < 0,001). Differenzierte man die Ereignisse nach symptomatischen und hämatologischen Nebenwirkungen, so hatten Frauen ein erhöhtes Risiko für symptomatische Nebenwirkungen, insbesondere unter Immuntherapien; hier war das Risiko um 66% erhöht (OR 1,66; 95% KI 1,37-2,01; p < 0,001). Ferner traten bei Frauen, die eine Chemo- oder Immuntherapie erhalten hatten, vermehrt schwere hämatologische Nebenwirkungen auf. Im Hinblick auf nicht hämatologische Nebenwirkungen fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Frauen und Männern.

Die Gründe für das geschlechtsspezifische Risiko können vielseitig sein und sind noch nicht ausreichend bekannt. Mögliche Erklärungen sind eine unterschiedliche Adhärenz (vor allem bei Oralia), verschiedene Dosierungen, pharmakokinetische und pharmakodynamische Parameter sowie eine unterschiedliche Wahrnehmung und Kommunikation unerwünschter Ereignisse. Beim Bestreben, eine Krebstherapie möglichst individualisiert zu gestalten, sollte das Geschlecht als modulierender Faktor für die Toxizität onkologischer Therapien, insbesondere von Immuntherapien, berücksichtigt werden, so die Studienautoren. |

Literatur

Unger JM, et al. Sex Differences in Risk of Severe Adverse Events in Patients Receiving Immunotherapy, Targeted Therapy, or Chemotherapy in Cancer Clinical Trials. J Clin Oncol. 2022 Feb 4:JCO2102377. doi: 10.1200/JCO.21.02377. Epub ahead of print. PMID: 35119908.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.