Management

Am „Import“ führt kein Weg vorbei

Personalnot in Apotheken durch ausländische Fachkräfte kompensieren – ein Gastkommentar

Foto: Privat

Dr. Olaf Rose, Apothekeninhaber aus Münster, sieht die aktuelle Personalkrise als eine Schwächung der Zukunftsfähigkeit des Berufsstandes an. Die Lösung in seinen Augen: „Entbüro­kratisierung mit der Brechstange“.

Das hatte man sich zugegebenermaßen etwas anders vorgestellt: 15 Jahre Kampf für eine zukunftsfähige Neupositionierung der Apotheken in Deutschland, und inzwischen – „dank“ Corona-Pandemie – wurden die Apothekerinnen und Apotheker sowie ihre Standesvertretung von der Realität überholt: Packungslosgelöste Tätigkeiten sind plötzlich kein Schreckgespenst mehr, sondern Alltag. Digitalisieren, testen, impfen, ausliefern. In mehreren großen Studien konnte auch das Medikationsmanagement schon abgerechnet werden. Das lief zwar oft zaghaft, aber auch ohne das eigentliche Fundament: Fortbildungsprogramme der Kammern (Apo-AMTS, ATHINA, ARMIN), der „Campus Pharmazie“ und bald auch ein Masterkurs zur AMTS vermitteln, was an Pharmakotherapie-Wissen fehlt. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens das Impfen nun flächendeckend in die Universitäts-Curricula aufgenommen wird. Und dass ABDA und Bundesapothekerkammer (BAK) ernst machen mit der neuen Approbationsordnung, die ihren Namen auch verdient und nicht zum Zeitpunkt ihres Inkrafttreten schon wieder reformiert werden muss. Über ein entsprechendes Positions­papier wird die BAK-Mitgliederversammlung am 10. Mai beraten und abstimmen. Die große Herausforderung bei den zukünftigen honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen wird also nicht mehr der Wandel in den Köpfen, sondern ganz klar der Personalmangel sein. Wie konnte es dazu kommen? Und wieso so „plötzlich“?

Mutmaßlich ist die durchschnittliche Anzahl an Berufsjahren in einem überwiegend weiblich geprägten Berufsstand kurz genug, dass sich Änderungen allzu rasch auswirken können. Womöglich haben Masken-Coupons, Corona-Phobie, PCR-Telefon-Terror und andauerndes Corona-Regeln-Erklären viele PTA und Apotheker nicht nur an den Rand der Verzweiflung sondern auch aus den Apotheken getrieben. Gefühlt ist der Personalstand in den letzten zwei Jahren auf die Hälfte geschrumpft. Verzweifelte Inhaber bieten inzwischen Rekordgehälter, um sich noch einen letzten Rest Lebensqualität zu erkämpfen. Was läuft da schief?

Feststehen dürfte, dass der eklatante Mangel an qualifiziertem Nachwuchs nur zu einem Teil selbst verschuldet ist. Auf die Plätze an PTA-Schulen oder Universitäten hat der Berufsstand nämlich nur bedingt Einfluss. Positiv am Arbeitsplatz Apotheke ist die (mögliche) Nähe zum Wohnort und das kommunikative Arbeitsumfeld. Langweilig wird es definitiv nie. Negativ zu sehen sind die hohe Arbeitsdichte und der häufig anzutreffende Investitionsstau: Wo deutlich steigende (wenn auch eigentlich immer noch zu niedrige) Gehälter und Kosten auf ein seit 17 Jahren eingefrorenes Packungshonorar treffen, bleibt wenig Geld für anderes. Und wo Personal fehlt, da wird die Arbeitsbelastung für das restliche Team umso größer. Umso frustrierender sind dann die sinnlosen Tätigkeiten, mit denen man sich aufgrund der wahnwitzigen Überregulierung rumschlägt. Die Absurdität der Präqualifizierung in der Hilfsmittelversorgung ist ja nur die Spitze des Eisbergs. Darunter verbergen sich z. B. detailverliebte QM-Prozesse für die Apothekenaufsicht, die zu lesen, geschweige denn zu leben eh längst niemand mehr imstande ist. Kleinstbetriebe wie Apotheken haben gar keine Zeit und Notwendigkeit, sich um Beauftragte für Datenschutz, Brandschutz, Medizinprodukte, um Prozesse für Gefährdungsbeurteilung in der Rezeptur, beim Impfen, Wannen öffnen und um andere Luftnummern zu kümmern und das alles fein säuberlich in einen Ordner zu heften sowie zu pflegen. Wir können das auch so. Profane Tätigkeiten (Blistern, Impfen, Defektur, Infusionslösungen) werden ohne Augenmaß völlig überzogenen Richtlinien unterworfen. Letzte Entscheidungsspielräume, basierend auf der eigenen pharmazeutischen Kompetenz, wurden spätestens seit dem Zyto-Skandal von Bottrop ganz abgeschafft. Der Versuch, sich im Hilfsmittel- und Genehmigungsdschungel noch halbwegs zurechtzufinden, und das Gehampel mit Rabattverträgen und Verfügbarkeiten setzen dem Ganzen noch die Krone auf. Und je mehr Zeit man mit diesen Sperenzien verbringt, desto weniger ist man effektiv für Kunden, Patienten, echte Qualität oder auch für das Miteinander da. Der Regulierungswahn hat in den Apotheken endgültig gewonnen. Wo jeder vernünftige Arzt sich auf die Heilkunst beruft, erfüllen wir demütig die jährlich zunehmenden Auflagen und lassen uns gängeln. Das verschreckt sicher viele Mitarbeiter aus den Apotheken. Diejenigen, denen das Spaß macht, sind eh in der Apo­theke falsch aufgehoben.

Eng wird es allemal: Unter Personalnotständen leiden auch alle anderen Branchen, da muss um jeden Kopf gerungen werden. Der Teufelskreis aus immer mehr Regulierung, um daraus resultierende immer schlechtere Qualität abzuwenden, muss endlich durchbrochen werden. Da muss mit der Brechstange entrümpelt werden und dringend Verstand einziehen.

Wichtig ist es nun, im Flaschenhals durchzuhalten. Wer jetzt aus Zeitmangel den Weg hin zu einem (vermeintlich) attraktiveren Berufsbild verlässt, dem wird der Befreiungsschlag hin zu mehr Personal nie gelingen. Wandel und Personalnotstand sind also eng miteinander verwoben. Was kann versucht werden?

  • Der aktuell von ABDA und BAK eingeschlagene Weg zu einer selbstbewussteren Positionierung der Apotheke ist unbedingt zu unterstützen und zu forcieren. Prognose: hoffnungsvoll.
  • Der Wandel der Tätigkeiten hin zu einer Packungs-losgelösten, patientenorientierten und klinischen Pharmazie muss endlich auch durch Forschung und Lehre unterstützt werden. Pharmakotherapie ist als Kerndisziplin einzuführen. Prognose: Morbidität weit fortgeschritten.
  • Intensivkurse zur Wiedereingliederung von PTA und Apothekerinnen und Apothekern, die nach langer (Familien-)Pause in den Beruf zurückkehren möchten, müssen angeboten werden. Prognose: hoffnungsvoll, die Behandlung wird von hoch­spezialisierten Kammern bereits angeboten.
  • Die Ausbildungskapazitäten müssten sehr schnell sehr stark ausgebaut werden. Prognose: infaust.

Zuwanderung als einzige Möglichkeit

Das alles kann lindern, wird aber mit Sicherheit nicht ausreichen, um den Personalnotstand in den Apotheken ansatzweise und rechtzeitig zu bewäl­tigen und um die Versorgung aufrecht zu halten. Selbst wenn man sich heute zu neuen PTA-Schulen oder Fakultäten durchringen würde: Es würde Jahrzehnte dauern, bis die ersten dort ausgebildeten Kollegen in nennenswerter Anzahl für Entlastung sorgen könnten. Zudem ist das deutsche föderale Bildungswesen viel zu unflexibel, um Angebot und Nachfrage jemals in Einklang zu bringen. So gesehen führt an einem „Import“ von Apothekern und PTA aus dem Ausland offensichtlich kein Weg vorbei. Das gilt dann für die Pharmazie genauso wie für die Pflege, die Medizin oder die IT. In Spanien, Bosnien-Herzegowina und anderen Ländern sitzen frisch studierte Pharmazeuten praktisch auf der Straße. Nun muss es dringend konzertierte Ansätze und Programme und Ansprechpartner geben, die dabei helfen, von der Anerkennung über die Sprache bis hin zur Erlangung von Visa den Weg für Kandidaten zu ebnen. Eine neue, riesige Kraftanstrengung steht uns als Berufsstand bevor. Von Kooperationen mit Unis in Sarajevo bis hin zu Online-Crashkursen für Sao Paulo. Packen wir es jetzt an, geben wir den Kammern den Auftrag, die Mittel und das Mandat! |

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