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Hausverbot für Bürokratie-Monster

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

In den öffentlichen Apotheken herrscht Bürokratie. Unangefochten an der Spitze steht sie seit Jahren als größtes Ärgernis bei den Umfrage­ergebnissen der ABDA zum Apotheken-Klimaindex. Bei der diesjährigen Wirtschaftskonferenz des Deutschen Apothekerverbands (DAV) thematisierte sie der stellvertretende DAV-Vorsitzende Dr. Hans-Peter Hubmann ausführlich in seinem politischen Lagebericht. Die Bürokratie wird längst nicht mehr nur für emotionale Verstimmungen im Apothekenteam verantwortlich gemacht, sondern als Ursache einer wirtschaftlichen Schieflage angesehen. Ausufernde Bürokratie kann sich kein Unternehmen leisten. Sie bindet Ressourcen und wirkt abschreckend auf vorhandenes Personal und auf Menschen, die sich in einer Branche oder in einem bestimmten Bereich betätigen wollen. Rabatt­verträge, Entlassrezepte und die Hilfsmittel­versorgung zählte Hubmann in seiner Rede als Bürokratie-Ärgernisse auf. Das Problem ist also offenbar erkannt. Doch ist es auch gebannt?

Bei der Erfüllung der Rabattverträge will das Bundesgesundheitsministerium den Apotheken die erleichterten Abgaberegeln weiterhin gewähren. Ein entsprechender Referentenentwurf aus dem Ministerium zur Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung wurde Anfang dieser Woche bekannt (S. 9). Seit Beginn der Corona-Pandemie galten und gelten für die Apotheken verschiedene Sonderregelungen. Ihr Ziel: Die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen, nicht zuletzt dadurch, dass Kontakte reduziert und hierdurch Infektionen vermieden werden. Das gelingt durch Abbau bürokratischer Hürden. Dank der oben genannten Verordnung verfügen die Apothekerinnen und Apotheker über mehr Beinfreiheit, wenn ein verordnetes (Rabatt-)Arzneimittel nicht vorrätig oder nicht lieferbar ist. Dass sie die ihnen eingeräumten Möglichkeiten verantwortungsbewusst eingesetzt haben, zeigt sich deutlich. Die Krankenkassen blicken nach wie vor auf hohe Einsparungen durch Rabattverträge, die in den vergangenen zwei Jahren sogar weiter gewachsen sind.

Die Verstetigung ist also absolut sinnvoll und angebracht – leider trägt sie im Referentenentwurf mit dem 25. November 2022 ein konkretes Ablaufdatum. Optimistisch ausgedrückt, erhält der Gesetzgeber nun also Zeit, darüber nach­zudenken, ob diese Ausnahme nicht besser zur Regel werden sollte. Doch das ist alles andere als sicher.

Im Hinblick auf die Hilfsmittelversorgung fordert DAV-Vize Hubmann einen Bürokratie­abbau und nimmt die Präqualifizierung ins Visier. Überall dort, wo Hilfsmittel abgegeben werden, bei denen die Apotheke nicht handwerklich tätig ist, müsse es möglich sein, ohne Präqualifizierung zu versorgen. Sollten Politik und Krankenkassen dieser Ansicht folgen, könnte sich die Lage deutlich entspannen. Denn „handwerklich tätig“ sind die Apotheken selbst eigentlich nie, wenn es um Hilfsmittel geht. Allenfalls messen sie Hilfsmittel an, die von Dritten individuell gefertigt werden. Ungenutzte Bohrmaschinen, Spiegel und Krankenliegen sollten die Verantwortlichen mahnen. Zu hoffen bleibt daher, dass es zu einem Umdenken kommt im Hilfsmittelmarkt und vermehrt die Patienten und Leistungserbringer im Fokus stehen als hoffnungsloser Bürokratismus (S. 44).

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