Praxis

Interaktionen gemeinsam vermeiden

Online-Seminar förderte interprofessionelles Arbeiten anhand von Fallbeispielen

dab | Es ist Dienstagabend, 20 Uhr. Zwölf Apothekerinnen und Apotheker sowie fünf Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg und Österreich sitzen gespannt vor ihren Bildschirmen. Alle haben sich für das Live-Online-Seminar der CaP Campus® Pharmazie GmbH zu „Interaktionen bei Polymedikation“ angemeldet. Die Teilnehmer erwartet ein inter­professioneller Austausch, bei dem sie gemeinsam über Fallbeispiele diskutieren und die Perspektive der jeweils anderen Berufsgruppe besser kennenlernen.
Foto: CaP GmbH

Die Apothekerin Dr. Dorothee Dartsch (links) und die Medien-Didaktikerin Jasmin Hamadeh (rechts) führten gemeinsam durch das Abendseminar.

Zu Beginn des Seminars wurde ein Fallbeispiel einer 79-jährigen Patientin mit Polymedikation präsentiert. Verschiedene mögliche Wechsel­wirkungen waren erkennbar. Genauer betrachtet wurde die Verlängerung der QT-Zeit. Sollte der Apotheker in so einem Fall intervenieren, indem er Kontakt mit dem Arzt aufnimmt oder kann eine entsprechende Verordnung trotzdem beliefert werden? Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten in einem gemeinsamen Brainstorming ihre Meinung einbringen und über diese Fragen diskutieren.

Verschiedene Perspektiven

Nicht jede Interaktion ist in der Praxis relevant und bedarf der Anpassung der Medikation. Dass Arzt und Apotheker durchaus zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen können, wurde an dem Beispiel der Risikobewertung der QT-Zeit gezeigt: Die Quellen, auf die sich Ärzte stützen, sind meist Leit­linien, Reviews, Studien und klinische Erfahrungen. Im Mittelpunkt steht die Nutzen-Risiko-Bewertung einer Therapie, denn einem Patienten sollte ein wirksames Arzneimittel nicht aufgrund irrelevanter Risiken vorenthalten werden. Apotheker hingegen arbeiten eher mit Fachinformationen und Datenbanken. Deren Informationen stützen sich u. a. auf regulatorische Vorgaben, die an Hersteller gestellt werden. So muss eine QT-Zeit-Verlängerung in die Fachinformation aufgenommen werden, wenn sie in einem Kollektiv im Mittel bei mindestens 5 ms liegt.

Diese unterschiedlichen Perspektiven von Arzt und Apotheker auf die Therapie führen dazu, dass Interaktionen verschieden bewertet werden können.

Zu dem Seminar wurden bewusst beide Professionen eingeladen, um zu zeigen, dass es diese „verschiedenen Sichtweisen auf die Nutzen-Risiko-Bewertung einer Arzneimitteltherapie gibt, die nebeneinander ihre Berech­tigung haben. Selten ist eine einzige Option richtig, während alle anderen falsch sind“, erklärte die Apothekerin Dr. Dorothee Dartsch, Geschäfts­führerin der CaP Campus® Pharmazie GmbH, der DAZ im Vorfeld. In vor­herigen Seminaren, an denen auch Ärzte teilnahmen, konnte sie fest­stellen, „wie fruchtbar und wertvoll“ der interprofessionelle Austausch ist.

„Selten ist eine einzige Option richtig, während alle anderen falsch sind.“

Apothekerin Dr. Dorothee Dartsch zur Nutzen-Risiko-Bewertung einer Pharmakotherapie

Einflussfaktoren

Sucht man zu Interaktionen Rat in einer Datenbank, z. B. ABDA-Inter­aktionen, Scholz Datenbank oder mediQ, erhält man mitunter ganz unterschiedliche Einstufungen der klinischen Relevanz. Manche Interaktionen tauchen in einer Datenbank auch gar nicht auf. Es lohnt sich also mehrere Quellen zurate zu ziehen. Neben der Literatur sind zur Einschätzung von Wechselwirkungen aber noch weitere Faktoren des konkreten Patientenfalls relevant. Im Seminar wurden folgende Punkte zusammengetragen:

  • Angaben zum Arzneimittel, z. B. Dosierung
  • Informationen zur Wechselwirkung, z. B. Interaktionsmechanismus, Pharmakokinetik
  • patientenindividuelle Risiko­faktoren, z. B. Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen
  • Informationen zum Verordner, z. B. Fachrichtung, unterschied­liche Verordner
  • weitere Informationen, z. B. nächster Arztbesuch/Kontrolle, Fähigkeiten des Patienten (bspw. auf Symptome einer Wechselwirkung zu achten und bei Bedarf einen Arzt aufzusuchen)

In der Apotheke kann man beim Patien­ten zwar genauer nachfragen, dennoch fehlen häufig Informationen wie Labordaten, die zur Beurteilung essenziell wären. Je nach Fall kann eine Rücksprache mit dem Verordner nötig werden.

Fallbeispiel ASS + Knoblauch

In Kleingruppen wurden im Online-Seminar Fallbeispiele mit unterschiedlichen Schwerpunkten behandelt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten einschätzen, ob eine Maßnahme zur Arzneimitteltherapiesicherheit ergriffen werden sollte.

Eine Aufgabe drehte sich um ein potenziell erhöhtes Blutungsrisiko durch die Kombination von 100 mg Acetyl­salicylsäure (ASS) und hochdosiertem Knoblauch-Extrakt bei einer Seniorin mit kardiovaskulärem Risiko. Als plausibler Mechanismus wurde angegeben, dass Knoblauch-Präparate das Blutungs­risiko erhöhen können, indem sie eventuell auf die Thrombo­zyten­aggregation wirken. Eine Kombination von Knoblauch-Präparaten mit Vitamin-K-Antagonisten solle vermieden werden. Die Teilnehmer stuften die Interaktion mit ASS weniger kritisch ein, da es sich nicht um einen Vitamin-K-Antagonisten handelt. Sie würden die Patientin aber dazu anhalten ihren Arzt über die Einnahme zu informieren, vor allem vor einer OP.

Interprofessionelle Kommunikation

Wenn nun bei einer Verordnung eine Rücksprache erforderlich wird: Wie kann eine gute Kommunikation zwischen Apotheker und Arzt, eine sogenannte Good Collaboration Practice, gelingen? Die Seminarteilnehmer sahen es als vorteilhaft an, wenn Arzt und Apotheker sich kennen. Dann können auch Absprachen getroffen werden, etwa bei welchen Wechselwirkungen sich die Apotheke meldet und in welcher Form, z. B. telefonisch oder schriftlich per Fax, Mail oder App. Am besten ist es, wenn aus der Apotheke zum Problem gleich Lösungsvorschläge mitgeliefert werden. Ziel sei schließlich eine gegenseitige Unterstützung und kein Kompetenz­gerangel. Eingeworfen wurde ebenfalls, dass der Austausch direkt zwischen Apotheker und Arzt stattfinden sollte und nicht über MFA, PTA bzw. PKA. Insgesamt sollte die schnelle Versorgung des Patienten im Fokus stehen. Eine Teilnehmerin formulierte elegant, wie die Apotheke dem Patienten vermitteln kann, dass sie sich um das arzneimittelbezogene Problem kümmert: „Sie können nach Hause gehen, wir regeln das und melden uns.“

Fazit

Nach eineinhalb Stunden haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur etwas über die fachliche Bewertung von Interaktionen gelernt, sondern auch einen Blick auf die Sicht­weise der jeweils anderen Profession erhalten. Dies solle in der Praxis helfen, „klinisch-pharmazeutische Leistungen wie das Medikationsmanagement stationär wie ambulant besser umsetzen zu können“, so Dr. Dartsch. „Wenn die Professionen miteinander ins Gespräch kommen und ihre Perspektiven kombinieren, ist das wahrscheinlich meistens ein Gewinn für alle, inklusive dem Patienten.“

Und Ideen, wie dieser Austausch zwischen Apotheker und Arzt gestaltet werden kann, konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ebenfalls aus dem Abendseminar mitnehmen. Um Interaktionen erfolgreich zu managen, bedarf es neben einer fachlichen eben auch einer kommunika­tiven Kompetenz. Das wurde im Seminar deutlich. |

Über die CaP Campus® Pharmazie GmbH

Die CaP Campus® Pharmazie GmbH bietet seit 2012 berufsbegleitende Fortbildungen zu Themen der patientenorientierten Pharmazie an. Die Geschäftsführung besteht aus der Apothekerin Dr. Dorothee Dartsch sowie der Medien-Didaktikerin Jasmin Hamadeh und vereint die Klinische Pharmazie mit Online-Lehre. Die Strategie: flexibles Lernen von zuhause aus, kombiniert mit persönlichem Austausch. Gelebte Interprofessionalität gehört zur Philosophie und so findet man je nach Thema auch Ärzte und Ärztinnen im Team oder unter den Teilnehmenden.

Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.campus-pharmazie.de

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