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Zukunft Psychobiotika?

Wie sich das Mikrobiom auf die Psyche und Psychopharmaka auf das Mikrobiom auswirken

ksch | Obwohl in den letzten Jahren viele Erkenntnisse über das Zusammenspiel der Darm-Hirn-Achse gewonnen wurden, sieht Apothekerin Dr. Susanne Michels von der Phi­lipps-Universität in Marburg noch viel Forschungsbedarf bis zum gezielten Einsatz von Psychobiotika.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Susanne Michels erhofft sich aus der Forschung zu Arzneistoff-Mikrobiom-Wechselwirkungen wichtige Impulse zu neuartigen therapeutischen Strategien.

Dass wir von einer Darm-Hirn-Achse sprechen, zeigt, in welch enger Beziehung Darm und Gehirn zueinander stehen. So beeinflussen Ernährung, Arzneimittel, Erkrankungen, Stress ebenso wie genetische Faktoren unser Verhalten und unsere Emotionen. Gleichzeitig nimmt aber auch das Mikrobiom durch die Produktion von Vitaminen, kurzkettigen Fettsäuren, Hormonen, Zytokinen und Neurotransmittern Einfluss auf unsere Psyche. Als wichtigsten parasympathischen Neurotransmitter führte Michels Acetylcholin an, welches die Aufmerksamkeit und den Antrieb erhöht und sich im Darm motilitätsfördernd und sekretionssteigernd auswirkt. Als wichtigste Neurotransmitter des Sympathikus gilt Noradrenalin. Dieses fördert ebenfalls zentral die Aufmerksamkeit, hemmt jedoch im Darm die Motilität und die sekretomotorischen Reflexe. Stress aktiviert nicht nur die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, sondern erhöht auch die Darmdurchlässigkeit und vermindert die Diversität des Mikrobioms. Die Diversität wiederum hat Auswirkungen auf die Bakterienmetabolite, zu denen die wichtigen kurzkettigen Fettsäuren Essigsäure, Propionsäure und Butter­säure zählen. Die kurzkettigen Fettsäuren können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und spielen eine Schlüsselrolle im Zusammenspiel zwischen Darm und Gehirn. So wirkt Butter­säure (Butyrat), die vorwiegend von der Bakteriengruppe der Firmicutes (Eubacterium, Faecalibacterium, Roseburia) produziert wird, antiinflammatorisch, antikanzerogen und fördert die Barrierefunktion des Darms.

In Studien konnte gezeigt werden, dass psychisch Erkrankte signi­fikant weniger Butyrat-produzierende Bakterien aufweisen. Auch bei Autismus-Spektrum-Störungen findet man signifikant weniger Firmicutes im Mikrobiom. Eine offene Studie mit 18 Teilnehmern, die sowohl Autismus als auch gastrointestinale Beschwerden hatten, zeigte auch noch zwei Jahre nach einer Stuhltransplantation eine 80%ige Reduktion der gastrointestinalen Beschwerden und eine Verbesserung der autistischen Symptome.

Bei Schizophrenie konnte hingegen festgestellt werden, dass bei erstmaligem Auftreten die Schwere der Sym­ptome mit einer relativen Erhöhung von Lactobacillen im Darmmikrobiom korreliert. Bei Depressionen findet man wiederum eine Reduktion von Firmicutes und von Bifidobakterien.

Vor allem anhand der Stuhltransplantations-Studien zeigte Michels eindrucksvoll, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Veränderungen des Mikrobioms und psychischen Erkrankungen wahrscheinlich ist. Allerdings kann bislang keine gezielte Beeinflussung der Psyche durch Probiotika erfolgen, da hierfür die Datenlage noch nicht ausreichend ist. Umgekehrt ist bekannt, dass zahlreiche Anti­psychotika das Darmmikrobiom negativ beeinflussen. Dies kann zu Nebenwirkungen wie Obstipation, Diarrhö oder Gewichtsveränderungen führen. Besonders eindrücklich ist dies für Olanzapin bekannt, welches zu einer Gewichtszunahme von bis zu 20 kg führen kann. Gleichzeitig erschweren diese Erkenntnisse die Unterscheidung zwischen den Effekten, die die Erkrankung auf das Darmmikrobiom hat, und den Effekten, welche die Arzneimittel hierauf haben. Für die Zukunft erhofft sich Michels, dass mit Psychobiotika neue Behandlungsoptionen für psychische Erkrankungen entwickelt werden. Psychobiotika könnten Probiotika sein, die gezielt Einfluss auf die Psyche nehmen. Es könnten aber auch Bakteriophagen sein, die für die Psyche unerwünschte Bakterien eliminieren. |

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