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Auf die Nähe kommt es an

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

Welche Apotheke braucht die Gesellschaft der Zukunft? Dies war der Titel einer Diskussion bei der Futurepharm, dem ersten Teil der diesjährigen Interpharm online. Die Anregungen aus der Veranstaltung führen zu weiteren Ideen. Ein Ausgangspunkt kann die Erkenntnis des Experten für interprofessionelle Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, Dr. Peter Berchtold, sein, dass die Mediziner von den Patienten wegrücken. Durch den medizinischen Fortschritt und die zunehmende Spezialisierung fokussieren sich Fachärzte auf die einzelne Diagnose. Dabei kann der ganze Mensch aus dem Blick geraten. Das lässt sich weiterdenken: Vom Facharzt kommt der Patient mit dem Rezept zur Apotheke und wohl erst viel später zum Hausarzt. Umgekehrt ist die Apotheke die ideale niederschwellige Anlaufstelle für die erste Orientierung. Auch eine Beratung zu einem Selbstmedikationswunsch kann zum Einstieg in eine professionelle Behandlung werden. Darum müssen die Apotheken nahe bei den Patienten bleiben. Sie können die Lücke zu den Ärzten füllen, aber nicht als Ersatz, sondern mit konstruktiven eigenen Leistungen. Es geht weniger um bisher rein ärztliche Leistungen wie das Impfen und mehr um neue Herausforderungen durch die wachsende Lücke zwischen Ärzten und Patienten. Als Beispiel für eine wichtige Aufgabe nannte Dr. Martin Braun, der Präsident der Apothekerkammer Baden-Württemberg, die Förderung der Adhärenz. Hier liegt enormes Potenzial für die Apotheken und wahrscheinlich mehr Arbeit, als sie mit ­ihrem knappen Personal leisten können. Darum ist ein Hinweis von Prof. Dr. Reinhard Herzog – ebenfalls aus der Futurepharm – so wichtig: Das teuerste Prozent der Versicherten verursacht 40 Prozent der Arzneimittelkosten. Dort verspricht die pharmazeutische Betreuung die größten Vorteile – für die Therapie, die Lebensqualität und zur Kostenbegrenzung. Dort sollte die Apotheke am ehesten zusätzliches Geld verdienen können, das sie für ihre künftigen Aufgaben dringend braucht. Darum sollte dort ein Schwerpunkt der künftigen honorierten Dienstleistungen liegen. Zugleich fordern Berufspolitiker der ABDA, die neuen Dienstleistungen müssten für die Masse der Patienten er­lebbar sein. Auch das ist für die Beziehung zu den Patienten wichtig. Darum ist hier ein kluger Kompromiss mit speziellen und breiten Anwendungen gefragt. Das bisherige Budget reicht ohnehin nur für einen Einstieg.

Auch im Zuge der Digitalisierung muss die Apotheke nahe bei den Patienten bleiben. Doch was heißt das? – Das hängt von den einzelnen Patienten ab. Bei der Futurepharm hat die Diskussion zu Plattformen gezeigt, wie intensiv manche Apotheken an ihrer digitalen Erreichbarkeit arbeiten. Viele Patienten werden künftig nur durch diese digitale Nähe zu gewinnen sein. Doch andere – besonders die „heavy user“ – brauchen angesichts der zunehmenden Distanz zum Arzt mehr denn je die persönliche Nähe. Ihre Probleme sind zu individuell für ein programmiertes Medium. Darum ist die Digitalisierung zwar wichtig, aber der persönliche Kontakt wird dadurch kein bisschen weniger wichtig. Den Bericht von der ­Futurepharm finden Sie auf S. 54 – und Freitag geht die Interpharm online mit dem ApothekenRechtTag weiter.

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