Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Verhandeln will gelernt sein – Teil 1

Prof. Dr. Andreas Kaapke 

Verhandlungen zählen in der Wirtschaft zu den Standards, die man beherrschen sollte. Natürlich gibt es Bereiche, bei denen mehr, und andere, bei denen weniger verhandelt wird und werden muss, aber Ansatzpunkte gibt es in jedem beruflichen Umfeld genug. In Apotheken verhandelt man mit dem pharmazeutischen Großhandel über Konditionen, über Taktungen, über Schulungen, mit pharmazeutischen Herstellern über Bonifizierungen und Verkaufsförderungsaktionen, mit Dienstleistern wie dem Warenwirtschafts-IT-Unternehmen und dem Abrechnungsdienst sowie mit Krankenkassen über Rabatte, Spezifikationen oder Retaxationen. Und nicht zu vergessen die Verhandlungen zwischen den Mit­arbeitern und dem Eigentümer der Apotheke, wenn es um Arbeitszeit, Arbeitsauffassung, Gehalt usw. geht.

Um sich auf derlei Verhandlungen einzustellen und einzulassen und immer unter der Prämisse, dass die Grundsatzentscheidung, dass man überhaupt zur Verhandlung bereit ist, gefällt wurde, kommt man in den Bereich der sogenannten Verhandlungstaktiken. Hier wird dann unterteilt in Ergebnistaktiken, die zum Ziel haben, ein möglichst gutes Ergebnis aus der Verhandlung zu ziehen, und Prozesstaktiken, die Möglich­keiten aufzeigen, wie man durch bestimmte Mechanismen der Verhandlung einen Stempel aufdrücken kann und damit das Ergebnis positiv beeinflusst.

Der vorliegende Beitrag widmet sich den Ergebnistaktiken, von denen fünf etwas genauer herausgestellt werden sollen. Eine der zentralen Fragen lautet, wer in einer bilateralen Verhandlung das erste Angebot unterbreiten soll. Dabei gibt es die Regel, demjenigen zu empfehlen, als erstes ein Angebot, „eine Hausnummer“ zu nennen, der die besseren Karten besitzt. Dass man sich dabei täuschen kann, ist unbenommen, gleichwohl eröffnet man damit die „Bargaining Zone“ (Verhandlungsspielraum), denn ein erfahrener Verhandler wird hier nicht schon die untere Grenze dessen, was erwartet wird, artikulieren, sondern sicher einen Vorschlag unterbreiten, mit dem er gut leben könnte. Schwierig wird es in Konstellationen, in denen beide Partner der Ansicht sind, gute Karten zu haben, oder beide schlecht dastehen. Dann wird dennoch irgendeiner den Hut in den Ring werfen. Bisweilen verkürzt ein solcher Vorschlag die Verhandlung, denn wenn dieses erste Angebot jenseits von Gut und Böse aus Sicht des Verhandlungspartners liegt, kann vermutlich hier schon das Gespräch abgebrochen werden. Sollte das Angebot aber im Bereich des Möglichen liegen, kommt man sehr schnell in eine nächste Phase des Verhandelns, ohne sich bei den Konditionen i.e.S. aufhalten zu müssen.

Das zweite wichtige Prinzip ist das der sogenannten Reziprozität. Bildlich kann man dies mit einem Ping-Pong-Spiel vergleichen. Wer das erste Angebot gemacht hat (Ping), wartet auf das Gegenangebot des Verhandlungspartners (Pong). Es ist ein häufig gemachter Fehler, bei Schweigen, Zögern oder anderen Nicht-Reaktionen, nachdem man ein Angebot offeriert hat, selbst das eigene Angebot zu korrigieren, bevor sich der Verhandlungspartner geäußert hat.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn der Verhandlungspartner mit Verlockungen oder Versprechungen argumentiert. Umgangssprachlich wird hier auch von Karottentheorie gesprochen. Wenn also um Zugeständnisse gerungen wird, mit dem Verweis darauf, beim nächsten Mal mit Priorität oder mit deutlich besseren Konditionen behandelt zu werden, ist ein gewisses Maß an Vorsicht geboten. Will sich derjenige dann daran nicht mehr erinnern oder ändert sich der Ansprechpartner, hat man schon die Erstverträge auf einer schlechten Basis geschlossen und darauf wird vom Verhandlungspartner bei einem neuen Anlauf referenziert. Von daher sind bei diesen Gelegen­heiten die Absprachen für die nächsten Male schon vertraglich zu fixieren, damit kein böses Erwachen stattfindet. Noch besser ist allerdings, sich auf derlei Ver­lockungen nicht einzulassen.

Unschönerer Art sind die vornehm umschriebenen selektiven Lösungen, die darin münden, dass bestimmte Infos nicht oder nur nach Aufforderung rausgegeben werden, Informationen auch mal verfremdet werden oder als höchste Eskalationsstufe faktisch gelogen wird. Klassiker dabei ist das „uns liegen bereits deutlich bessere Angebote vor“, was durchaus stimmen kann, aber auch nicht selten nur behauptet wird. Was man davon glaubt und glauben muss, steht auf einem anderen Blatt.

Bisweilen will man in Verhandlungen ja den Zuschlag erlangen und überlegt im Vorwege, mit welchen Argumenten man beim Gesprächspartner punkten kann und will. Dabei kommt der Argumentationsanordnung großes Gewicht zu. Der Primacy-Effekt liegt vor, wenn das beste Argument gleich am Anfang benannt wird. Man möchte sinnbildlich das Gespräch mit einem Paukenschlag beginnen. Sollte dann aber sämtliches Pulver verschossen sein, könnte man sich verspekuliert haben. Nicht minder häufig kommt der Recency-Effekt zum Tragen, bei dem das beste Argument für den Schluss aufgehoben wird. Hier liegt der Vorteil im furiosen Finale, dies kann aber dann zu spät sein, wenn der Verhandlungspartner schon vorher ausgeschlossen hat, weiter zu verhandeln, weil die Gespräche bislang zu schleppend oder lang­atmig verliefen. Vielfach trifft man in Verhandlungen auf eine bewusst gewählte oder intuitiv eingeschlagene Kombination diverser Techniken. Gut, wenn man diese Mechanismen selbst kennt. |

Dr. Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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