Gesundheitspolitik

Zurück auf den Schwarzmarkt?

Medizinalcannabis: Cannabis-Verbände nehmen Stellung zu G-BA-Richtlinien-Entwurf

mp | Wer darf medizinisches Cannabis verordnen und welchen Patienten erstatten die Krankenkassen die Kosten für eine Therapie? Das wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) künftig in der Arzneimittel-Richtlinie festlegen. Seine Vorschläge haben jetzt ein Stellungnahmeverfahren durchlaufen. Unter anderem der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) ist alarmiert.

Seit März 2017 kann Cannabis als Arzneimittel zulasten der Krankenkassen verordnet werden. Die Regelung im Sozialgesetzbuch V sieht vor, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Begleiterhebung zum Einsatz des Medizinalcannabis durchführt. Diese ver­öffentlichte das BfArM Anfang Juli 2022. Auf ihrer Grundlage sollte nun der G-BA innerhalb von sechs Monaten regeln, in welchen Fällen die Kosten für Cannabis-Arzneimittel erstattet werden. Am 1. November legte der Unterausschuss Arzneimittel des G-BA einen Richtlinienentwurf vor.

Foto: Adam/AdobeStock

Nur noch vom Facharzt?

Dem Entwurf nach zu urteilen, soll insbesondere die Verordnung von Cannabisblüten umständlicher werden. Blüten könnten bald nur noch von bestimmten Fachärzten verschrieben werden, mit neuen zusätzlichen Dokumentationspflichten. Der Genehmigungs­vorbehalt soll laut G-BA bleiben. Heute dürfen Krankenkassen Anträge zur Kostenübernahme nur in begründeten Ausnahme­fällen ablehnen. Auch diese Regelung könnte wegfallen.

Jetzt haben acht auf Cannabis spezialisierte Verbände eine gemeinsame Stellungnahme an den G-BA übermittelt – auch wenn sie nicht ausdrücklich dazu aufgefordert waren. Zu ihnen zählen neben dem VCA unter anderem die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM), der Bund Deutscher Cannabis-Patienten (BDCan), der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) und der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen (BPC).

Dass Hausärzte womöglich keine Cannabisblüten mehr zulasten der Krankenkassen verordnen könnten, ist aus Sicht der Verbände „ein direkter Angriff auf die Therapiefreiheit der Ärzt:innen“. Sie merken an, dass die Grundlage der Richtlinie – die Begleiterhebung des BfArM – nicht als wissenschaftliche Studie verstanden werden dürfe. Auch sei sie nicht repräsentativ. 16.809 Datensätze flossen in den Bericht ein, die Deutsche Schmerzgesellschaft geht nach Kassendaten von mehr als 70.000 Cannabis-Patienten in Deutschland aus.

Dennoch schreiben die Verbände: Die Erhebung habe gezeigt, dass Cannabis-Arzneimittel in knapp 75 Prozent der Fälle die Symptome der Patienten lindern. Nebenwirkungen waren zwar häufig, aber selten schwerwiegend. Sie empfinden es als überraschend, dass trotz der Ergebnisse der G-BA den Zugang zu Cannabis-Arzneimitteln einschränken wolle. Das würde die Patientenversorgung bedrohen.

Schlag ins Gesicht der Patienten

Während die Politik eine Legalisierung von Cannabis als Genussmittel plant, sei der Richtlinienentwurf „ein Schlag ins Gesicht der Patient:innen“. Denn die Bundesregierung will mit einer Le­galisierung Verbraucher vor den Gefahren des Schwarzmarkts schützen.

Doch aus Sicht der Cannabis-Verbände können die Vorschläge des G-BA Patienten im schlimmsten Fall auf den Schwarzmarkt zwingen. „Deutschland ist in den vergangenen fünf Jahren für seine Vorreiterrolle beim Umgang mit Cannabis als Medizin als Vorbild bewundert worden“, schreiben die Verfasser. „Doch heute stehen wir vor einer Rolle rückwärts bei Medizinalcannabis.“

Sie fordern, dass Cannabis-Patienten ärztlich begleitet werden und Krankenkassen die Kosten für die Therapie erstatten. „Wenn wir jetzt die Rolle rückwärts vollziehen, lassen wir die Schwächsten unserer Gesellschaft – die schwer kranken Patient:innen – im Regen stehen.“

Einschränkung durch die Hintertür?

In einer Pressemitteilung fügte Jakob Sons, Geschäftsführer des Cannabis-Großhändlers Cansativa, einen weiteren Kritikpunkt hinzu: Einige der Vorschläge des G-BA gingen über das hinaus, was üblicherweise in Arzneimittel-Richt­linien geregelt wird. „Wenn es um fundamentale Entscheidungen zum Vertrauen in Kompetenz oder Absicht der behandelnden Ärzt:innen geht, sollte sich um ein Gesetz und einen inklusiven, gesamtgesellschaftlichen Prozess bemüht werden“, schreibt Sons.

Würde der G-BA den im SGB V verbrieften Zugang zur Cannabistherapie nun durch die Hintertür einschränken, überschreite er seine Kompetenzen und schwinge sich zum Gesetzgeber auf. Cansativa wirkte als Mitglied des BPC ebenfalls an der gemeinsamen Stellungnahme mit. |

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