Wirtschaft

Keinerlei Kompensationsmöglichkeiten

Der DAV-Vorsitzende Thomas Dittrich eröffnet die Expopharm mit seinem Lagebericht

ks | Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause startete am vergangenen Dienstag wieder die Expopharm. Traditionell eröffnete der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV) die pharmazeutische Messe mit seinem Lagebericht. Für Thomas Dittrich war es eine Premiere.

Dittrich blickte auf die vergangenen drei Jahre voller Arbeit zurück. Der Praxistest unter Extrembedingungen habe bewiesen: Das Gesundheitssystem funktioniert, es hat sich bewährt. Und was sich bewähre, müsse stabilisiert und erhalten werden. „Ohne in Selbstüberschätzung zu verfallen, kann ich feststellen: Die Apothekerinnen und Apotheker haben einen wesentlichen Anteil an der Funktions­fähigkeit dieses Systems“, so der DAV-Chef. „Für uns gab es kein Homeoffice und kein sicheres Zurückziehen in die eigenen vier Wände.“ Nur rund 30 Apotheken hätten bundesweit während der Pandemie kurzzeitig schließen müssen. „Wir waren jederzeit an vorderster Linie für alle da, die Hilfe und Medikamente brauchten.“

15.000 Euro für die Bewältigung der Lieferengpässe

Besonderes Augenmerk legte Dittrich auch auf die Liefereng­pässe. Sie hätten bei Arzneimitteln eine ganz andere Bedeutung als bei Fernsehern oder auch bei Chips für NFC-fähige Krankenversichertenkarten. Der DAV-Chef erklärte, dass die durchschnittliche Apo­theke inzwischen mehrere Stunden pro Woche damit verbringe, Lieferengpässe zu verwalten und schwer verfügbare Arzneimittel rechtzeitig zu organisieren. Der Kostenpunkt pro Jahr pro Apotheke liege konservativ gerechnet bei rund 15.000 Euro. „Umgerechnet auf alle Apotheken in Deutschland reden wir von Kosten in Höhe von fast 260 Millionen Euro jährlich. Kosten, die von Lieferengpässen verursacht werden, die nicht von uns zu verantworten sind. Kosten für einen Verwaltungsaufwand, welcher in der Berechnung des Fixums nicht eingepreist ist. Geld, das anderweitig den Apotheken nicht zur Verfügung steht, aber dringend benötigt würde.“ Um das Problem der Lieferengpässe in den Griff zu bekommen, sieht Dittrich die Politik gefordert. Dabei räumte er ein: Die Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln in Europa zu halten oder nach Europa zurückzuholen, werde Geld kosten.

Auch was die Digitalisierung betrifft, erwiesen sich die Apotheken als Vorreiter. Sie seien die einzigen Leistungserbringer, die flächendeckend „E-Rezept-ready“ seien. Dafür erwarteten sie von der Politik, dass diese ihr Vertrauen in die Zugangswege der Token nicht untergrabe. Die Gematik-App, der Papierausdruck und bald auch der Abruf des E-Rezeptes über die elektronische Gesundheitskarte seien sicher und mit allen Beteiligten abgestimmt. „Jetzt wegen vermeintlicher Vereinfachung in den Arztpraxen noch weitere Alternativen der Tokenüber­mittlung ins Gespräch zu bringen, mit denen sich aber dann das Zuweisungs- und Makelverbot um­gehen lässt, ist kontraproduktiv.“ Gemeint ist damit die Übertragung per E-Mail oder SMS, die beim Bundesgesundheitsminister bereits auf offene Ohren gestoßen ist, seitens der Apothekerschaft aber rundweg abgelehnt wird. Für Dittrich ist klar: Die freie und unbeeinflusste Wahl des Leistungserbringers muss geschützt bleiben.

Dittrich: Die Selbstverwaltung schafft sich selbst ab

Einen kritischen Blick warf Dittrich auf die Selbstverwaltung von Apothekern und Krankenkassen. In letzter Zeit scheiterten DAV und GKV-Spitzenverband immer wieder bei Verhandlungen und landeten vor der Schiedsstelle: bei den Dienst­leistungen, dem BfArM-Cannabis, den Zyto-Preisen. Und nun klagt auch noch die Kassen­seite gegen den Schiedsspruch zu den Dienstleistungen und der DAV gegen den zu Cannabis. „Wenn sich hier nichts ändert, dann können wir eigentlich auch das Verhandeln abschaffen und gleich alles in die Schiedsstelle geben. So schafft sich die Selbstverwaltung selbst ab.“

Was die Kommunikation mit dem Gesundheitsministerium betrifft, läuft es bislang auch nicht rund. Erst am Freitag vor dem DAT kam es zu einem Spitzengespräch mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Dort konnte man endlich auch über das GKV-Finanz­stabilisierungsgesetz sprechen. Dittrich: „120 Millionen Euro netto pro Jahr würde uns die Erhöhung des Apothekenabschlags bei gleichbleibender Packungszahl kosten.“

Er betonte, dass sich Wertschätzung auch in einer angemessenen Ver­gütung äußere. Was signalisiere es, wenn die seit Jahren gleichbleibende Apothekenvergütung trotz erweiterter Leistungen – Stichwort Verwaltung von Lieferengpässen – und erheblich gestiegener Kosten sowie einer Inflationsrate von fast 10 Prozent nun noch über den Kassenabschlag gekürzt werden soll? Hinzu kämen Belastungen durch Änderungen bei den Erstattungsbeträgen und die deutliche Verschärfung des Ausfallrisikos infolge der geplanten Erhöhung des Herstellerabschlages.

Ja, die Apotheken hätten in der Pandemie auch zusätzliches Geld verdient, räumte der DAV-Chef ein. Doch dies seien Sondereffekte, denen außergewöhnliche Leistungen in einer außergewöhnlichen Situation gegenüberstünden. Sie änderten nichts daran, dass die Vor-Ort-Apotheken dringend eine Dynamisierung des Fixums benötigten, um die steigenden Kosten für Personal, Energie, Zinsen und vieles andere mehr abzufangen. Dittrich: „Wir haben keinerlei Kompensationsmöglichkeit. Wir brauchen eine bessere Vergütung statt zusätzlicher Beschneidungen.“ |

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