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Management

Konfrontieren mit Respekt

Kritikgespräche richtig führen: klar in der Sache und warmherzig im Kontakt

In einem Team treffen unterschiedliche Charaktere auf­einander. Jeder hat so seine Marotten, die im Großen und Ganzen als liebenswerte Eigenart toleriert werden. Allerdings gibt es immer wieder Verhaltensweisen, die schlichtweg unangemessen sind. Die Klärung und damit Regulierung fällt meist in den Verantwortungsbereich der Führungskraft. Dabei muss eine Konfrontation oder Kritik nicht in einen Konflikt oder sogar hitzigen Streit münden, sondern kann sich zu einer echten Chance entwickeln.

In der Ausbildung erlernt der systemische Coach vier elemen­tare Arten von Interventionen, um die Entwicklung des Klienten zu unterstützen: Schützen, Stützen, Fordern und Konfrontieren. Heinrich Fallner prägte als Diakon, Supervisor (DGSv) und MasterCoach (ISP/DGfC) diese Begriffe, die sich mittlerweile in den Ethikrichtlinien der Deutschen Gesellschaft für Coaching widerspiegeln.

Genauso wie Coaches sind auch Führungskräfte in die Entwicklung von Mitarbeitern involviert, sodass diese Begriffe gleichermaßen als Orientierung dienen können.

Bei dem Begriff Schützen kommt einem schnell die Fürsorgepflicht in den Sinn. Stützen umfasst den ganzen Bereich Fort- und Weiterbildung, sowohl inner- als auch außerbetrieblich. Die Herausforderungen ergeben sich im Arbeitsalltag meist ganz von allein, aber einen Mitarbeiter mit seinem Fehlverhalten zu konfrontieren, kann eine heikle Sache sein.

Während meiner Coachingaus­bildung gehörten konfrontative Methoden aus diesem Grund nicht zu meinen Lieblingen. Für mich waren Konfrontationen gedanklich immer mit aggressiven Auseinandersetzungen verknüpft. Es dauerte lange, bis ich diesen Knoten entwirrt hatte und ein neues Verständnis aufbaute.

Mittlerweile bin ich der Auffassung, dass Konfrontationen die wirksamsten Interventionen sind. Sie sind die Katalysatoren des Entwicklungsprozesses, sofern wir es schaffen, ihnen die bissige oder aggressive Färbung zu nehmen.

Anlässe für ein konfrontatives Gespräch

Konfrontative Gespräche werden um einiges leichter und entspannter mit der richtigen Vorbereitung. Allem vorweg ist es wichtig, Klarheit darüber zu haben, um welchen Sachverhalt es genau geht.

Ein gerne genanntes Beispiel ist das unpünktliche Erscheinen eines Mitarbeiters am Arbeitsplatz. In diesem Fall kann die Führungskraft niederschwellig mit dem Hinweis auf die geplante Dienstzeit beginnen. Bei wiederholter Unpünktlichkeit können die Daten und Zeiten notiert werden, um in einem Vieraugengespräch als Beleg zu dienen. Alles sehr sachlich und gut nachvollziehbar.

Das ist nicht immer so. Die An­lässe für ein konfrontatives Gespräch können viel persönlicher und weniger gut belegbar sein, was das Ganze komplizierter macht. Stellen Sie sich vor, eine Mitarbeiterin beschwert sich über die anzüglichen Bemerkungen eines Approbierten, aber es gibt dafür keine Zeugen. Oder eine Mitarbeiterin ist auf der einen Seite sehr fleißig und kompetent, auf der anderen Seite mag niemand gerne mit ihr zusammenarbeiten, weil sie herablassend ist und zum Teil irrational auf Fragen oder Bitten reagiert. Oder ein Mitarbeiter untergräbt wieder­kehrend Ihre Autorität, auf jeden Fall empfinden Sie seine direktive und vorpreschende Art als wenig besonnen und nachhaltig.

Bei diesen Beispielen fällt es einem vielleicht schwerer, Kritikpunkte klar zu benennen oder Belege anzuführen. Trotzdem muss in solchen Fällen gehandelt werden. Fehlverhalten zu „übersehen“ oder zu tolerieren, bringt nicht nur Unmut, sondern ist ein regelrechter Schlag ins Gesicht für alle, die es erdulden müssen.

In der Vorbereitung solcher Gespräche sollten Sie sich über die Details klar werden – und zwar so konkret wie möglich:

  • 1. Welche Mitarbeiter sind beteiligt? Auf welche Mitarbeiter hat dieses Fehlverhalten einen Einfluss?
  • 2. Betrifft mich das Fehlverhalten als Führungskraft persönlich?
  • 3. Welche Vorfälle (mit Datum und Uhrzeit) wurden gemeldet oder sind mir selbst aufgefallen?
  • 4. Unter welchen Umständen ist das Fehlverhalten aufgetreten?

Sie sollten sich vorher Gedanken darüber machen, welche Einzelheiten Sie im Gespräch anführen wollen. Schließlich ist das Ziel, die Zusammenarbeit zu verbessern – und nicht mit unbedachten Äußerungen oder Mutmaßungen die Arbeitsbeziehungen zu anderen Mitarbeitern zu gefährden.

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Einen Schuldigen auszumachen reicht nicht! Bereiten Sie sich als Führungskraft für anstehende Kritikgespräche auch durch eine zugewandte Haltung vor, um möglichen Lösungen den Boden zu bereiten.

Gründe für unangemessenes Verhalten

Als Ablauf für ein Feedback, eine Konfrontation oder Kritik wird häufig empfohlen:

  • 1. Ein Einstieg mit den Beobachtungen – so sachlich und konkret wie möglich.
  • 2. Die Beschreibung der Auswirkungen, wie das Verhalten ankommt oder welche Empfindungen es auslöst.
  • 3. Die Äußerung des Wunsches, was geändert werden soll.

Eine Konfrontation würde sich mit diesem Vorgehen mühelos in drei Sätze verpacken lassen. Was allerdings fehlt, ist der gute Kontakt zwischen den Gesprächspartnern, sozu­sagen die Warmherzigkeit in der Konfrontation.

Natürlich kann eine Führungskraft ihre Wüsche äußern und davon ausgehen, dass diese umgesetzt werden. Sie sollte aber auch nicht zu verliebt in ihre eigene Lösung sein. Nach dem zweiten Punkt eine kurze Pause zu machen und zu fragen, wie es zu dem Verhalten gekommen ist, wirkt oft Wunder. Erst im Gespräch treten die Gründe für unangemessenes Verhalten ans Tageslicht und eine nachhaltige Lösung kann gefunden werden. Es geht nicht darum, sich eine Ausrede nach der anderen anzuhören, sondern dem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, Stellung zu nehmen, gehört zu werden und für sich selbst reflek­tieren zu können.

Dann wird z. B. deutlich:

  • Von der unpünktlichen Mitarbeiterin hat sich der Mann getrennt, und durch die veränderte Betreuungssituation ist es ihr nicht möglich, morgens zur ersten Schicht pünktlich zu sein, aber sie könnte abends den Schließdienst übernehmen.
  • Der approbierte Kollege ist ernsthaft bestürzt, dass seine Worte so unglücklich angekommen sind. Seine Äußerung war als Kompliment gedacht und er möchte sich umgehend bei seiner Kollegin entschuldigen.
  • Die ungehaltene Mitarbeiterin erkennt ihren ständigen Zeitdruck. Ihr wurden nach und nach immer mehr Aufgaben­bereiche mit Abgabefristen zugeteilt, die sich kaum vereinbaren lassen.
  • Und der junge Kollege hatte nur die Absicht, mit seinem Voranschreiten die Leitung zu unterstützen.

Konfrontation als Chance

Eine Konfrontation ist allem voran eine Chance, Missverständnisse zu klären, Beziehungen zu stärken, sich weiterzuentwickeln, als Team zusammenzufinden und vieles mehr. Sie braucht allerdings die Bereitschaft beider Seiten zuzuhören, den Blick auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen und die Beharrlichkeit – zumindest einer Seite –, bei einem guten Gespräch zu bleiben. Wer sich im Gespräch mehr von der Frage „Was brauche ich und was brauchst du?“ leiten lässt als von dem Vorwurf „So geht das aber nicht!“, findet schneller einen Konsens.

Tipps für konfliktfreies Konfrontieren

  • 1. Schieben Sie es nicht auf die lange Bank, sondern suchen Sie zeitnah, aber nicht übereilt das Gespräch. Was noch nicht festgefahren ist, lässt sich leichter klären.
  • 2. Keine konfrontativen Gespräche vor dem Wochenende oder dem Urlaub. Der Mitarbeiter soll sich erholen und nicht noch am Wochenende Arbeitsstress haben. Und nach einem Urlaub sieht die Welt meist schon wieder anders aus.
  • 3. Beginnen Sie kein Gespräch, wenn Sie selbst vor Wut über­kochen. Sie müssen gelassen durch das Gespräch führen können, also erst einmal die Normaltemperatur herstellen.
  • 4. Das Gespräch sollte unter vier Augen geführt werden und in Ruhe.
  • 5. Mit dem Gedanken daran, dass der Mitarbeiter vielleicht einen guten Grund für sein Handeln hat, mit unaufgeregten Worten um ein Gespräch bitten.
  • 6. Eine Konfrontation kann den Gesprächspartner hart treffen, deswegen braucht es u. U. Bedenkzeit, um eine Lösung zu finden. Bevor sich das Gespräch im Kreis dreht, ist es besser, es erst ein oder zwei Tage später wieder aufzunehmen.

Fazit

Eine gute Konfrontation ist klar in der Sache und warmherzig im Kontakt. Sie bietet Chancen und hält Lösungen bereit, die vorher gar nicht denkbar ge­wesen wären. Ein bisschen Mut gehört immer dazu, aber der lohnt sich. |

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, 
MasterCoach (DGfC) und Systemische Beraterin, mehr unter www.anjakeck.de

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