Gesundheitspolitik

Amazon erhält „Warning Letter“ von der FDA

Mittel zur Muttermalentfernung sollen nicht in den Handel kommen / Für ähnliche Angebote in Deutschland ist keine deutsche Behörde zuständig

cha | Wer die Produkte von anderen Herstellern vertreibt, trägt dafür auch die Verantwortung. Der Ansicht ist zumindest die US-Arzneimittelbehörde FDA und fordert Amazon auf, zwei Mittel zur Entfernung von Mutter­malen nicht mehr anzubieten.

Amazon bietet mit seinem FBA-Service („Fulfillment by Amazon“) zahllosen Unternehmen die Möglichkeit, ihre Geschäfte über die Plattform des US-Versenders ab­zuwickeln. Dieser lagert die Produkte ein und kommissioniert, verpackt und versendet die Bestellungen an die Kunden. Aber offenbar trägt Amazon zumindest teilweise auch die Verantwortung dafür, was die Geschäftspartner anbieten. So erreichte Amazon-CEO Andy Jassy Anfang August ein Mahnschreiben der FDA, das sich mit zwei auf der US-ameri­kanischen Website von Amazon im Rahmen des FBA-Service vertriebenen Produkten zur Entfernung von Muttermalen und Hautanhängseln befasst.

Die FDA habe, heißt es in dem Schreiben, die beiden Präparate „Deisana Skin Tag Remover, Mole Remover and Repair Gel Set“ und „Skincell Mole Skin Tag Corrector Serum“ auf der Website amazon.com erworben. Die beiden Produkte seien für die angegebenen Anwendungsgebiete nicht allgemein als sicher und effektiv anerkannt und deshalb als „new drugs“ im Sinne des Federal Food, Drug, and Cosmetic Act (FD&C Act) einzustufen. Solche „new drugs“ dürften ohne Genehmigung der FDA nicht in den Handel gebracht werden. Da es für die genannten Produkte keine entsprechende Genehmigung gebe, liege ein Verstoß gegen den FD&C Act vor.

Grundsätzlich weist die FDA in ihrem Schreiben darauf hin, dass es keine OTC-Produkte für die Entfernung von Muttermalen und Hautanhängseln gebe, die legal vertrieben werden dürften. Denn die Selbstdiagnose und -behandlung von Muttermalen könnte verspätete Krebsdiagnosen und sogar das Fortschreiten einer Krebserkrankung zur Folge haben.

Abschließend wird Amazon aufgefordert, innerhalb von 15 Arbeitstagen Stellung zu beziehen. Darin soll der Versandhändler erklären, mit welchen Maßnahmen er wei­tere Gesetzesübertretungen vermeiden werde, oder darlegen, warum keine Verletzung des FD&C Act vorliege.

Auch auf der deutschen Amazon-Website kommen unter dem Schlagwort „Muttermal entfernen“ etliche Angebote. Selbst wenn diese von den Inhaltsstoffen her harmlos wären – angegeben werden u. a. pflanzliche Drogen, wobei die Frage offenbleibt, wie vollständig die Deklaration ist –, so gilt natürlich auch hier, dass durch den Kauf und die Anwendung dieser Präparate mögliche Entartungen unter Umständen verspätet entdeckt werden. Wenig Vertrauen weckt darüber hinaus, dass „Mole“, der englische Ausdruck für Muttermal, in den Angeboten mehrfach mit „Maulwurf“ – einer anderen Bedeutung des Wortes – übersetzt wird. So heißt es in der Gebrauchsanweisung eines der angebotenen Produkte: „Nehmen Sie einen weiteren Zahnstocher, tauchen Sie eine kleine Menge der Maulwurfsentfernungscreme Nr. 2 ein und geben Sie sie auf den mit Wasser Nr. 1 beschichteten Maulwurf.“ Auch wenn dies auf den ersten Blick belustigend wirkt – dass Menschen mit solchen Präparaten ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, sollte auch in Deutschland die Aufmerksamkeit der Überwachungsbehörden auf sich ziehen.

Die AZ hat bei der Regierung von Oberbayern, die für die Amazon-Niederlassung München zuständig ist, nachgefragt und dabei auf eines der angebotenen Produkte verwiesen. Doch hier fühlt man sich nicht verantwortlich. „Bei Produkten auf Amazon.de sind hinsichtlich der Zuständigkeit zwei Arten zu unterscheiden. Zum einen gibt es Produkte, die durch Amazon EU S.à r.l. vertrieben werden – diese sind durch den Hinweis ‚Verkauf und Versand durch Amazon EU S.à r.l.‘ gekennzeichnet. Amazon EU S.à r.l. hat eine Niederlassung in München. Für Produkte dieser Art liegt die Zuständigkeit bei der Regierung von Oberbayern“, erklärt ein Sprecher. „Ein Großteil der Produkte wird jedoch auf Amazon.de über den sogenannten Marketplace angeboten. Hier werden durch Drittanbieter Produkte auf Amazon.de angeboten. Diese Produkte enthalten dann z. B. den Hinweis ‚Verkauf durch XY-Shop‘. Der sonstige Auftritt auf Amazon.de unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von tatsächlichen Amazon-Produkten.“ Der Betreiber des Marketplace sei jedoch nicht Amazon EU S.à r.l. (mit Niederlassung in München), sondern Amazon Services Europe S.à r.l. in Luxemburg. „Die Adressen der Anbieter sind auf der Seite von Amazon.de auf der Angebotsseite des Produktes einsehbar“, heißt es weiter. Das konkret benannte Produkt werde durch „Auspicious-EU“ verkauft, und damit nicht durch die Amazon EU S.à r.l. in München. „Ansprechpartner für dieses Produkt ist daher die zuständige Behörde von ‚Amazon Services Europe S.à r.l.‘ in Luxemburg.“

Im Klartext heißt dies, dass keine deutsche Behörde für möglicherweise gesundheitsgefährdende Angebote auf der deutschen Website von Amazon zuständig ist. Dass man sich in Luxemburg mehr für die Gesundheitsgefährdung deutscher Verbraucher durch solche Produkte interessiert als in München, darf getrost bezweifelt werden. |

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