Management

Die Kraft des Querdenkers nutzen

Richtung und Perspektive wechseln erhöht die Kreativität in der Apotheke

Ein Mitarbeiter, der auch einmal quer denkt, den Blickwinkel wechselt, den unbekannten Seitenweg einschlägt und sich woanders als die breite Masse orientiert, bringt der Apotheke den innovativen Schub. Wie lässt sich das kreative Potenzial des Querdenkers optimal nutzen?

Der Begriff „Querdenker“ ist in Corona-Zeiten in Verruf geraten. Es ist an der Zeit, wieder die ursprüngliche Bedeutung und Funktion in den Fokus zu rücken: Der Querdenker unter den Mitarbeitern ist ein Anhänger des Satzes des französischen Schriftstellers Francis Picabia, der einst gesagt haben soll: „Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.“ Wo jeder andere Mensch sich eindeutig festlegt und positioniert oder sich eine eindeutige Meinung bildet, fragt sich der Querdenker einfallsreich und kreativ, ob es sich nicht auch ganz anders verhalten könnte. Er stellt die „Angenommen“-Frage oder die „Was wäre, wenn“-Frage und reflektiert, was passieren würde, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern ließen. Der Querdenker verändert gern die Fragestellung, nimmt eine andere Perspektive als die gewohnte und gewöhnliche ein und stellt bekannte und etablierte Standpunkte konsequent auf den Kopf.

Foto: bnenin/AdobeStock

Der Querdenker ist kein Störfaktor! Nutzen Sie seine auf den ersten Blick ungewöhnlichen Ideen konstruktiv und binden Sie ihn professionell in den Apothekenbetrieb ein.

„Kein Einwand ohne Gegenvorschlag!“

Der Apothekenleiter sollte zunächst einmal prüfen, wie er mit dem Querdenker und seinen Vorschlägen grundsätzlich umgehen will. Denn dieses Verhalten kann für Chef und Team durchaus anstrengend sein. Oft wird ein querdenkerischer Mitarbeiter als Quertreiber eingestuft, weil er mit seiner Art und Weise, die Dinge grundsätzlich anders zu betrachten und zu beurteilen, aneckt. Querdenker erscheinen in der Wahrnehmung ihres Umfeldes oft als unangepasste, zuweilen gar als unzuverlässige Zeitgenossen. Und tatsächlich: Häufig handelt es sich bei ihnen um anstrengende Persönlichkeiten. Wenn der Apothekenleiter in der Teamsitzung eine Vorgabe macht oder man sich im Team auf eine Vorgehensweise geeinigt hat, kommt der Querdenker mit seinen Einwänden um die Ecke. „Sie immer mit Ihren Bedenken und Ideen, Frau Müller! Damit halten Sie nur den Betrieb auf!“

Der Querdenker kann mit seinen Ideen durchaus den Betriebsfrieden verdüstern und die anderen Mitarbeiter verärgern, falls diese sich durch die ständigen Kreativeinfälle gestört fühlen. Dies gilt vor allem dann, wenn er Einwände erhebt, ohne einen konstruktiven Vorschlag zu formulieren. Man kann ihn dann auffordern, es nicht bei Einwänden und Fragen zu belassen, sondern einen konstruktiven Vorschlag zu unterbreiten, nach dem Motto: „Kein Einwand mehr ohne Gegenvorschlag!“

Einbinden als Kreativexperte

In der Regel ist es zielführend, die kreativen Ideen des Querdenkers zumindest zu bedenken. Denn oft tragen ja gerade die Ideen, die fernab der klassischen Vorschläge liegen, zu einer Weiterentwicklung bei. Der Querdenker hinterfragt das Selbstverständliche, er denkt provokativ. Wenn das Team seit langer Zeit eine bestimmte Kundenansprache favorisiert, um im Gespräch mit den Kunden den Zusatzverkauf im Frei- und Sichtwahlbereich zu thematisieren, schlägt der Querdenker vor: „Lassen Sie uns einmal etwas Neues ausprobieren und den Kunden so ansprechen: …“

Darum ist es richtig, wenn der Apothekenleiter die kreative Ader des Querdenkers wo immer möglich nutzt und einbindet. Mit anderen Worten: Wer Interesse hat, die Apotheke weiterzuentwickeln, gibt dem Querdenker unter den Mit­arbeitern die Möglichkeit, seine Ideen auch tatsächlich einbringen zu können. Nehmen wir an, die Apotheke steht vor einer neuen Herausforderung: Der Chef möchte den Gesprächsleitfaden neu strukturieren und er sucht nach Möglichkeiten, die Kunden zu bitten, die Apotheke weiterzuempfehlen. Zugleich fahndet er nach einer Strategie, die Preise der doch recht teuren neuen Kosmetiklinie kundenorientiert zu begründen, und er will neue Einwandbehandlungsmethoden umsetzen. „Frau Müller, Sie haben doch immer so tolle Einfälle. Was halten Sie davon, bis nächste Woche Vorschläge zu entwickeln, wie wir die Heraus­forderung meistern?“

Oder er überträgt der Mitarbeiterin die Leitung einer Kreativsitzung: „Wir wollen gemeinsam in einer Sitzung überlegen, wie wir die Kunden durch Leistungen, die sie nicht erwarten, noch mehr begeistern. Diese Sitzung wird von unserer Kreativexpertin Frau Müller geleitet …“

Allerdings: Erforderlich ist, dass solch eine Kreativsitzung klug vorbereitet und organisiert wird. Vor allem sollte geregelt sein, welche Befugnisse die Mitarbeiterin gegenüber den Kollegen hat und wie mit den erarbeiteten Vorschlägen im Nachgang der Sitzung umgegangen wird. Eventuell benötigt Frau Müller eine Fortbildung, damit sie in der Lage ist, solch ein Meeting angemessen zu leiten. Klar jedoch ist: Der Apotheken­leiter nutzt die sowieso vorhandenen Stärken der Mitarbeiterin – so sollte er übrigens möglichst auch bei seinen anderen Mitarbeitern vorgehen.

Mit Fingerspitzengefühl agieren

Querdenker neigen zuweilen zum Widerspruch – wer eine andere Perspektive als die Mehrheit einnimmt und eine gegensätzliche Meinung vertritt, kann leicht in einen Gegensatz zum Team geraten. Darum sollte der Chef ein Klima schaffen, in dem es erlaubt und erwünscht ist, auch einmal wider den Stachel zu löcken und eine andere Perspektive einzunehmen. Es muss nicht gleich eine Kultur des Widerstands angestrebt werden, aber doch eine Atmosphäre, in der sich jeder traut, eine andere Meinung zu vertreten und auf den ersten Blick abstruse Gedanken zu äußern. Dann werden außer­gewöhnliche Ideen vielleicht nicht immer nur von – in unserem Beispiel – Frau Müller vorgetragen, sondern auch von anderen Teammitgliedern.

Bei der Führungsarbeit ist zu bedenken, dass kreative Querdenker oft empfindlich reagieren, wenn man ihre Vorschläge kritisiert oder ablehnt. Meistens sind sie stolz auf ihre Ideen, die zu kre­ieren nicht jeder in der Lage ist. Sofern der Apothekenleiter ein wahres Interesse an den „Gedankengängen um die Ecke“ hat, ist es klug, bei Ablehnung einer kreativen Idee eine explizite Begründung mitzuliefern, auch um den Querdenker nicht auszubremsen und zu demotivieren: „Diesmal kann ich Ihren Vorschlag nicht aufgreifen, Frau Müller, weil er schlicht und einfach zu aufwendig in der Umsetzung ist. Ich bin aber gespannt auf Ihre nächste Idee! Ich bin immer froh, wenn von meinem Team ungewöhnliche Vorschläge kommen.“

Sinnvoll kann sein, der Kreativität und dem Innovationsreichtum der Mitarbeiter einen konkreten Rahmen zu geben. Wer als Chef gute Erfahrungen mit den Ideen von Querdenkern gemacht hat, sollte das gesamte Team dazu ermuntern, sich zum Beispiel bei einem strukturierten Verbesserungsvorschlagswesen kreativ auszutoben. |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.