Wirtschaft

42 Mrd. Euro Einsparpotenzial durch Digitalisierung?

McKinsey legt aktuelle Studie vor / Allein die ePA soll 7 Mrd. Euro einsparen

cha | Dank der Digitalisierung können im deutschen Gesundheitswesen jährlich 42 Mrd. Euro, entsprechend 12 Prozent der gesamten jährlichen Gesundheits- und Versorgungs­kosten, eingespart werden – so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung McKinsey. Doch Vorsicht: Mitgearbeitet hat daran der Bundesverband Managed Care, zu dessen Mitgliedern auch Profiteure einer weitreichenden Digitalisierung zählen.

„Richtig eingesetzt kann die Digitalisierung im Gesundheits­bereich massiven Nutzen stiften. Wir reden von einer 42-Milliarden-Euro-Chance, von der alle im Gesundheitswesen profitieren könnten“, äußerte McKinsey-Partner und Co-Autor Stefan Biesdorf bei der Vorstellung der Studie „Digitalisierung im Gesundheitswesen: die 42-Milliarden-Euro-Chance für Deutschland“ am vergangenen Dienstag. Für die Studie hat McKinsey das Nutzen­potenzial von 26 digitalen Gesundheitstechnologien analysiert und in folgenden sechs Kategorien milliardenschwere Einsparmöglichkeiten ermittelt:

  • Online-Interaktionen, z. B. durch Telekonsultation oder Fernüberwachung und Management chronisch Erkrankter: 12,0 Mrd. Euro
  • Umstellung auf papierlose Datenverarbeitung, z. B. durch die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept: 9,9 Mrd. Euro
  • Arbeitsabläufe/Automatisierung, z. B. durch die mobile Vernetzung von Pflegepersonal oder die auf Barcodes basierte Ver­abreichung von Medikamenten: 6,7 Mrd. Euro
  • Entscheidungsunterstützung durch Datentransparenz,z. B. durch den Einsatz von Software, um Doppeluntersuchungen von Patienten zu vermeiden: 6,4 Mrd. Euro
  • Patientenselbstbehandlung, z. B. durch Gesundheits-Apps oder digitale Diagnosetools: 4,6 Mrd. Euro
  • Patienten-Self-Service, etwa Onlineportale zur Terminvereinbarung: 2,5 Mrd. Euro
Fotos: monticellllo/AdobeStock, Screenshot: AZ

Dabei werden in der Studie drei Bereiche des Gesundheitswesens unterschieden, in denen digitale Lösungen zum Einsatz kommen und ihren Nutzen entfalten können:

  • Zur digitalen Gesundheitzählen alle Lösungen, die Patienten direkt in das Gesundheitsmanagement einbeziehen (z. B. Telekonsultation, Fernüberwachung chronisch Erkrankter).
  • Unter E-Health werden alle Lösungen verstanden, die sich hauptsächlich an Fachkräfte im Gesundheitswesen richten und auf schlankere Prozesse bei Leistungserbringern ab­zielen (z. B. E-Überweisungen, klinische Entscheidungsunterstützung).
  • Bei den Enabler-Technologien handelt es sich um Lösungen und Systeme, die alle Beteiligten und Prozesse im gesamten Ökosystem des Gesundheitswesens unterstützen (z. B. ePA, virtuelle Assistenten).

4,6 Mrd. Euro Einsparung durch Patientenselbst­behandlung

Der Löwenanteil der Einsparungen wird dabei laut den Berechnungen von McKinsey im Bereich digitale Gesundheit erzielt. Allein 5,7 Mrd. Euro sollen durch Telekonsultation und weitere 4,3 Mrd. Euro durch die Fernbetreuung chronisch kranker Patienten eingespart werden können. 2,5 Mrd. Euro soll die elektronische Terminvereinbarung und weitere 2,0 Mrd. Euro die E-Triage bringen, bei der online oder telefonisch vorab geklärt wird, ob ein Besuch in der Notaufnahme, eine Beratung zur Erstversorgung oder eine Nachsorge erforderlich ist. 4,6 Mrd. Euro Einsparpoten­zial sieht McKinsey bei der Patientenselbstbehandlung. Dazu gehören u. a. Onlinekurse im Bereich psychische Gesundheit, Erinnerung an die Therapie-Compliance bei Diabetes oder Onlineprogramme bei Atemwegserkrankungen. Allein mit medizinischen Chatbots sollen 1,1 Mrd. Euro eingespart werden.

Bei den E-Health-Lösungen sehen die McKinsey-Forscher 13,1 Mrd. Euro Einsparpotenzial, u. a. durch Workflow-Unterstützung, Automatisierung, Ergebnistransparenz und Entscheidungsunterstützung. „Die Kosten der Leistungserbringer sinken, da sie mithilfe solcher Lösungen effizienter arbeiten können; die Anbieter müssen weniger Zeit für Verwaltungsaufgaben aufwenden“, heißt es in der Studie.

9,9 Mrd. Euro können laut McKinsey durch die Enabler-Technologien eingespart werden. 7,0 Mrd. Euro entfallen dabei auf die ePA und 1,0 Mrd. Euro auf das E-Rezept. „Ähnlich wie E-Health-Lösungen senken solche Technologien die Kosten von Leistungserbringern und Anbietern, da diese effizienter arbeiten können“, so die Studie.

DocMorris und Doctolib als Vorbilder

Wie diese Daten errechnet wurden, darüber steht in der Studie nichts Konkretes. Es wird vage verwiesen auf Forschungsdokumente, Interviews mit Verantwortlichen und Erfahrungen aus früheren Projekten. Dagegen gibt es genaue Vorschläge dazu, was angepackt werden sollte – und diese haben es in sich. So steht unter 2. Beschleunigung der Nutzung: „In Patient Journeys denken. Patienten wünschen eine durch­gehende Betreuung im gesamten Gesundheitssystem. Sie suchen daher vermehrt nach integrierten Angeboten statt Einzellösungen.“ Bemerkenswert ist, welche Vor­bilder hierbei genannt werden: „Erfolgreiche Akteure wie DocMorris und Doctolib integrieren verschiedene Serviceangebote entlang der Patientenreise – von der Telekonsultation über die Terminbuchung bis hin zum Medikamentenmanagement.“ Zum Hintergrund: Sowohl Zur Rose Pharma GmbH, eine Tochter der DocMorris-Muttergesellschaft Zur Rose, als auch Docto­lib sind Mitglieder im Bundesverband Managed Care e. V. – und der hat bei der Studie mitgearbeitet. Da wundert es wenig, dass es bei den Vorschlägen für die Zukunft weiter heißt: „Um eine durchgehende Patient Journey abbilden zu können, müssen zusätzlich Ökosysteme aus Online- und Offlineanbietern geschaffen werden. Hier kommt der ePA und auch dem zentralen Identitäts- und Konsentmanagement eine besondere Rolle zu: Die durch die ePA zur Verfügung gestellte Infrastruktur gewährleistet, dass Onlineanbieter und traditionelle Gesundheitsdienstleister Daten austauschen können.“ Um sich auszumalen, wer von einem solchen Austausch von Daten vor dem Hintergrund der Einführung des E-Rezepts profitieren und was das für die Vor-Ort-Apotheken bedeuten würde, dazu gehört wenig Fantasie. Genauso wie zur Beantwortung der Frage, wem die McKinsey-Studie am Ende nutzen soll: wirklich allen im Gesundheitswesen oder am Ende nur einzelnen Gesundheitskonzernen? |

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