Management

Wer ist hier der Boss?

Teil 3: Erfolgskonzept Kaminaufstieg

Man arbeitet viele Jahre zusammen, ist gar befreundet, und dann fällt die Entscheidung, dass Sie die Filialleitung oder die Apotheke übernehmen. Der Freude über die neue Herausforderung folgen direkt die Gedanken, was nun passiert. Alles bleibt beim Alten? Ganz sicher nicht. Was genau passieren wird, kann keiner voraussagen, denn der Kaminaufstieg ist staubig, steil und nicht störungsfrei. Die gute Nachricht – es sind schon viele durch diese Stolperfallen gegangen. Also warum nicht daraus lernen?

Aber fangen wir vorne an: Sie sitzen mit Ihrem Chef zusammen und Sie sind sich beide einig. Ob Sie nun die Filialleitung oder die Apotheke übernehmen: Es gilt, die richtigen Schritte in der richtigen Reihenfolge anzugehen. Wer kommuniziert jetzt eigentlich wann und wie? Den richtigen Zeitpunkt, um es zu kommunizieren, gibt es nicht. Allerdings empfiehlt es sich, dies zeitnah nach der Entscheidung und gemeinsam zu tun. Der Flurfunk funktioniert meist besser, als Sie denken. Die Neuig­keiten persönlich in einem Teammeeting zu verkünden, ist ein geschätzter Weg. Davor sollte Ihr Chef mit eventuellen Mitbewerbern sprechen und Sie mit den Ihnen besonders nahen, vertrauten Personen aus dem Team. Im Teammeeting kann Ihr Chef den Kollegen direkt vermitteln, warum die Filialleitung durch Sie besetzt wird. Falls es sich um eine Übernahme handelt, ist es besonders wichtig, den Übergabezeitpunkt und den groben Rahmen zu kommunizieren. Sie sollten als neuer zukünftiger Chef auch die Gelegenheit nutzen, kurz etwas dazu zu sagen. Floskeln wie „Es bleibt alles beim Alten“ oder „An sich wird sich nichts ändern“ nehmen Ihnen die Kollegen nicht ab.

Die richtige Kommunikation

Aber was ist richtig? Wenn Sie genau hinschauen, entdecken Sie das Wort UNIKAT in Kommunikation. Einzigartig sind wir per Definition als Mensch ohnehin und trotzdem verbiegen wir uns zu oft oder imitieren andere. Seien Sie daher von Anfang an authentisch und sagen Sie, wie es ist: eine Veränderung, die alle betrifft und die sie nun gemeinsam angehen. Vielleicht auch, dass Sie froh sind, nicht als Externer einzusteigen, sondern die einzelnen Teammitglieder kennen und deren Stärken zu schätzen wissen. Die Reaktionen sind eventuell anders, als Sie erwarten – sowohl positiv als auch negativ. Es gilt, die Sensoren zu aktivieren: Ein Kommentar mit Augenzwinkern, ein Blick oder gar kein Blick – das kann von Bedeutung sein. Natürlich müssen Sie nicht alles auf die Goldwaage legen, dennoch können es Indizien sein. Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick sagte schon, wir können nicht nicht kommunizieren – achten Sie daher verstärkt auf die nonverbale Kommunikation.

Foto: Kzenon/AdobeStock

Wird man vom Teammitglied zum Vorgesetzten, dann klappt das nicht ohne Weiteres. Welche Fallstricke es gibt und welche Chancen eine gute Kommunikation der eigenen Vision mit sich bringt, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Führungsfragen klären

Der erste Tag als Chef naht. Endlich, Sie haben so lange und hart dafür gearbeitet. Aber alles, was Sie benötigt haben, um dahin zu kommen, macht Sie noch nicht zu einer guten Führungskraft. Der Motivationsexperte Reinhard K. Sprenger würde sagen, Sie müssen jetzt Fremdoptimierer werden. Es geht nicht mehr darum, selbst Höchstleistungen zu erzielen, sondern das Beste aus Ihrem Team und jedem Einzelnen herauszuholen. Hilfreich ist es daher, wenn Sie sich klar darüber werden, was Ihnen wichtig ist, was Sie von sich und Ihrem Team erwarten. Wie gehen Sie mit Freundschaften um? Wie wollen Sie führen? Denken Sie dabei auch bewusst an Ihre bisherigen Chefs oder andere Führungskräfte, die Sie erlebt haben, und reflektieren Sie sie. Aus eigener Mitarbeitererfahrung haben wir bereits viel über Führung gelernt – meist, wie wir nicht behandelt werden möchten. Nutzen Sie dieses Wissen. Ein externes Coaching kann helfen, aber denken Sie auch daran: Führung ist zu 80 Prozent Haltung und zu 20 Prozent Methodik. DAS Patentrezept für den perfekten Chef gibt es nicht und vor allem kann man nicht alles lernen, bevor man Chef wird.

Einzelgespräche über Erwartungen

Es sollten zeitnah, wenn möglich auch vor Ihrem offiziellen Beginn als Führungskraft, Einzelgespräche geführt werden. Hier können Sie Erwartungshaltungen von beiden Seiten klären oder anmerken, dass Sie zum Beispiel einen Blick wahrgenommen haben, den Sie nicht einschätzen können. Dieses Vier-Augen-Gespräch eignet sich auch, um bei einem Freund offen anzusprechen, wie Sie die Trennung zwischen Beruflichem und Privatem handhaben möchten. Freundschaften muss man aufgrund der neuen Funktion nicht kündigen, dennoch ist man in einer neuen Rolle, hat beispielsweise Wissen über Gehälter und Betriebsgeheimnisse, weswegen sich die Beziehung automatisch ändern wird. Es kann auch passieren, dass Sie zukünftig nicht mehr zum regelmäßigen Stammtisch eingeladen werden. Mithilfe der Gespräche können Sie die einzelnen Kollegen noch besser einordnen – wer ist für welche Arbeit geeignet, wer benötigt Förderung, wo muss gehandelt/etwas ver­ändert werden?

Es ist so weit: der erste Tag

Nach einer guten Vorbereitung, mit vielen Plänen und Ideen im gedanklichen Gepäck, kommen Sie im neuen Chef-Outfit ums Eck, machen die Tür erst einmal hinter sich zu und atmen tief durch. Moment. Im neuen Outfit? Was würden Sie denken, wenn ein Kollege zum Vorgesetzten wird und dann anders aussieht und anders aufritt? „Kaum ist er Chef, verhält er sich auch so! War ja klar!“? Ihren Kollegen wird es nicht anders gehen. Ein von Ihnen spendiertes Teamfrühstück mit einleitenden Worten ist da die angenehmere Alternative. Hier können Sie den Gedanken noch einmal aufgreifen, dass Sie immer noch Kollegen mit gemeinsamen Aufgaben sind, auch wenn Sie jetzt neue Aufgaben und Verantwortungen erhalten haben. Sie sind nun Schnitt- und Kommunikationsstelle – in beide Richtungen, wenn es um die Filialleitung geht. Davon kann jeder profitieren. Auch als neuer Inhaber kann jetzt einiges anders laufen. Es gilt, die Mehrwerte für den Einzelnen – auch gerne als „What’s in for me“ bezeichnet – zu kommunizieren, denn sie verhelfen zu mehr Akzeptanz. Laut Reinhard K. Sprenger ist es nicht möglich, die Mitarbeiter zu motivieren (lediglich zu demotivieren). Aber Sie können sie inspirieren.

Das Big Picture

Teilen Sie Ihr Verständnis von dem großen Ganzen, wo Sie den Sinn sehen und warum Sie morgens aufstehen und gerne zur Arbeit kommen. Das macht Sie nahbar und bringt vermutlich einen neuen Blick auf Sie. Alternativ können Sie sich am Gedanken aus dem Buch Big Five For Life (John Strelecky) bedienen: Die Menschen arbeiten nicht für den Chef, alle arbeiten zusammen auf ein Ziel hin – sie sind Reisegefährten, die sich gegenseitig helfen, einen ähnlichen Punkt am Horizont zu erreichen. Finden Sie Ihre Geschichte, mit der Sie die Menschen glaubwürdig mitnehmen und dabei inspirieren können. Und wenn Sie ganz genau hinschauen, erkennen Sie den PIRAT in Inspiration. Ja, Sie können Ihre Mitarbeiter „erobern“ und mitreißen und gemeinsam mit dem Team dann Ihre Kunden, denn diese werden den Spirit spüren. Damit haben Sie Ihre Erwartungshaltung im Sinne eines Big Picture vermittelt und eine gute Basis geschaffen.

Die ersten Wochen

Es gibt viel zu tun. Nehmen Sie sich nicht zu viel vor und bauen Sie genug Puffer ein, denn erstens kommt es anders und zweitens als Sie denken. Regelmäßige Teammeetings, die eine klare Agenda haben und deren Zeit- und Inhaltsrahmen eingehalten werden, sind genauso wichtig wie regel­mäßige Einzelgespräche. Neben der authentischen Art schätzen Mitarbeiter die Verbindlichkeit, wozu insbesondere gehört, das Timing und Gesagtes einzuhalten, sowie Pünktlichkeit. Ein sehr hilfreiches Werkzeug ist die persönliche Arbeitsmethodik, die laut dem Management-Experten Fredmund Malik zwar nicht sonderlich spannend scheint, aber äußerst wichtig für effizientes Arbeiten sein kann. Gerade bei einem Wechsel der Position ist es von elementarer Bedeutung, die eigene Arbeitsweise anzupassen. So treffen nun mög­licherweise mehr E-Mails für Sie ein und die Zahl der Anrufer, die nur mit Ihnen sprechen wollen, dürfte deutlich zunehmen – hier müssen Sie die Art und Weise der Bearbeitung für sich neu definieren. Blocken Sie sich z. B. feste Zeiten zur Bearbeitung von E-Mails und Rückrufen im Kalender.

Literaturtipps

John P. Strelecky
The Big Five for Life – Was wirklich zählt im Leben
dtv, 37. Aufl. 2009
ISBN 978-3-423-34528-6

 

Fredmund Malik
Führen Leisten Leben – Wirksames Management für eine neue Welt
Campus Verlag, 2019
ISBN 978-3-593-51069-9

 

Reinhard K. Sprenger
Mythos Motivation – Wege aus einer Sackgasse
Campus Verlag, 2014
ISBN 978-3-593-50156-7

 

Zu beziehen über: Deutscher Apotheker Verlag, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart, Tel. 0711 2582-341, service@deutscher-apotheker-verlag.de

Neue Netzwerke

Unabhängig davon, ob Sie Filialleiter oder Inhaber geworden sind, der Ausbau des Netzwerkes ist elementar. Für jede Führungskraft ist der Austausch in Erfa-Gruppen, Kooperationen oder anderen Netzwerk-Gruppen wertvoll und in dem stattfindenden Wandel unabdingbar. Die Zeiten der Einzelkämpfer sind vorbei und jetzt heißt es, gemeinsam in großen Schritten voranzugehen. Als Inhaber ist die Vernetzung vor Ort auf gesellschaftlicher und politischer Ebene ein weiterer wichtiger Grundbaustein.

Echte Wertschätzung

Neben dem Ausbau des Netzwerkes ist die persönliche Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern enorm wichtig. Dazu gehört das tägliche „Guten Morgen“, aber auch kleine Gesten wie die Geburtstagsgratu­lation. Sie kennen das Team und wissen – sicher auch aus eigener Erfahrung –, welche Wertschätzung gefragt ist. Nutzen Sie diesen Vorteil. Aber auch wenn Sie das Team gut kennen, empfiehlt sich ein Workshop mit allen Mitarbeitern mindestens einmal im Jahr – am besten mit einem externen Moderator. Reinhard K. Sprenger rät in Zeiten des Umbruchs zu einer höheren Frequenz. Hier können Sie Ihre Vision vermitteln, die Erwartungen des Teams an Sie abfragen und andersherum Ihre Erwartungen platzieren sowie gemeinsam neue Ideen entwickeln. Abends könnte ein Teambuilding-Event – wie ein gemeinsamer Bowling- oder Koch-Abend – folgen. Dies ist abhängig von bisherigen gemeinsamen Aktivitäten und der Teamkonstellation.

Klare Regeln

Je nachdem, wie die Regelung in der Apotheke ist, kann die Du/Sie-Ansprache kniffelig werden. Plötzlich mit dem Team zurück zum Sie? Das ist nicht empfehlenswert. Wenn Sie persönlich eine Duz-Kultur schätzen, sprechen Sie das in Einzelgesprächen an. Zum Beispiel auch, dass Sie das Du bevorzugen, aber es auch respektieren, wenn der Mitarbeiter das Sie bevorzugt – gerade bei älteren Kollegen wird das überraschend positiv aufgenommen. Ebenfalls positiv wahrgenommen wird Ihre Sichtbarkeit und räumliche Nähe. Falls Sie nun zum Beispiel häufig in Ihrem Büro sind, sollte die Tür, wenn möglich, offen bleiben. Die Balance zwischen zu viel über die Schulter schauen oder eingreifen müssen (Kontrolle) und Vertrauen haben ist nicht leicht zu finden, aber es wird sich einpendeln. Viele versuchen, es jedem recht zu machen.

Auch mal „Nein“ sagen

Ein offenes Ohr ist sehr wichtig, aber es ist auch vollkommen in Ordnung, mal „Nein“ zu sagen, wenn ein Mitarbeiter in der Tür steht und etwas besprechen möchte. Sie können sagen, dass Sie beschäftigt sind, aber um XX Uhr Zeit haben und ob es bis dahin warten kann. Wenn Sie das Anliegen dann vorgetragen bekommen, denken Sie daran, dass Sie nun den Mitarbeiter anleiten, wie er zu einer Lösung kommt. Übernehmen Sie nicht aus Gewohnheit die Aufgabe – Sie sollten nicht selbst der beste Mitarbeiter sein.

Delegieren und dabei nicht den Chef raushängen lassen? Ja, das ist nicht leicht, aber mit klaren Ansprachen sowie Erläuterungen, warum etwas entschieden wurde, können Sie authentisch und transparent handeln. Wenn Sie den Nutzen und Sinn vermitteln und nicht nur anweisen, können Sie Veränderungen angehen. Es empfiehlt sich, in der ersten Zeit nicht alles umzuwerfen und sich auf die Quick Wins zu fokussieren.

Feedback geben und nehmen

Von Anfang an gemeinsame Erfolge zu feiern, gehört genauso dazu wie Ihre eigene Reflektion und persönliche Dokumentationen. Notieren Sie Situationen und Reaktionen – das hilft Ihnen in den ersten Feedbackgesprächen. Lob und Anerkennung ist natürlich immer gefragt und dürfen Sie jederzeit äußern, aber auch kritische Situationen sollte man zeitnah, möglichst direkt (unter vier Augen) besprechen. Nach drei Monaten kann man das erste Fazit ziehen – am besten mit 360°-Feedbackgesprächen, also mit Ihren Mitarbeitern, ggf. mit dem Apothekeninhaber, wenn es sich um eine Filialleitung handelt, dem Mentor/anderen Kollegen. Nehmen Sie die Kritik ernst – manchmal hilft auch ein gedanklicher Perspektivenwechsel zu einem besseren Verständnis.

Viel Erfolg und Freude

Schlussendlich ist es eine spannende Zeit, auf die Sie sich freuen können. Es wird Probleme geben, die es zu lösen gilt – aber PRObleme heißen so, weil sie FÜR etwas sind, sonst wären es ja KONTRAbleme. Und auch Fehler passieren – dazu zu stehen und daraus zu lernen, ist die wahre Stärke. Sie können als Coach für Ihre Mitarbeiter und den notwendigen Freiraum das Beste aus ihnen herausholen. Denken Sie immer daran, was Sie antreibt, und seien Sie der „unikate Pirat“ – mit einem ehrlichen Lächeln. |

Dani Hildebrand, Impuls- und Strukturgeberin für Apothekeninhaber, www.danihildebrand.de

Teil 1 der Serie „Wer ist hier der Boss?“ erschien in AZ 2022, Nr. 10, S. 6 und Teil 2 in AZ 2022, Nr. 14, S. 6.

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