Rechtsprechung 2021

Recht im Schatten von Corona

Von Christian Rotta | Die pandemische Lage prägte auch 2021 die Rechtsprechung rund um die Apotheke. Von der Corona-Schutzmaskenverordnung bis zur Bundesnotbremse reichte die weite Palette von Themen, mit denen sich Verfassungs-, Zivil- und Verwaltungsgerichte zu beschäftigen hatten ‒ vor dem Hintergrund, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit zum Teil atem­beraubendem Tempo auf die Corona-bedingten Herausforderungen reagierte. Aber im Schatten der Pandemie ergingen auch wieder wichtige Grundsatzentscheidungen. Im Fokus standen dabei abermals die üblichen Zur Rose/DocMorris-Verdächtigen. Ihnen wurde vom Europäischen Gerichtshof ins Stammbuch geschrieben, dass sie sich (zumindest heilmittelwerberechtlich) auch grenzüberschreitend nicht im rechtsfreien Raum bewegen. Ob die Politik willens und in der Lage ist, den regelmäßigen Rechtsbrüchen der Versandkonzerne Einhalt zu gebieten? Weitere Dauerthemen der vergangenen zwölf Monate: Opiumtinkturen, die Zulässigkeit und Grenzen von Skonti und die Geltung der Arzneimittelpreisbindung. Erinnern Sie sich noch?

Freispruch für Zur Rose-Chef. Walter Oberhänsli, Chef der Zur Rose-Gruppe, ist vom Vorwurf freigesprochen worden, mit seinem Arzneimittelversandhandel gegen Schweizer Gesetze verstoßen zu haben. Während Oberhänsli sich mit dem Urteil des Bezirksgerichts Frauenfeld im Schweizer Kanton Thurgau zufrieden zeigte, konnte der Pharmaverband pharmaSuisse, der das Verfahren in die Wege geleitet hatte, das Urteil nicht nachvollziehen (AZ 3, S. 2).

Eigenbeteiligungsverzicht vor Gericht. In einem Eilverfahren hat das Landgericht Düsseldorf der Easy-Apothekenholding untersagt, bei der Ausgabe von Schutzmasken an Risikogruppen auf die nach der Coronavirus-Schutzmaskenverordnung geforderte Eigenbeteiligung von zwei Euro pro Sechser-Set zu verzichten und hierfür zu werben. Im Hauptsacheverfahren bestätigte das Landgericht seine Entscheidung (AZ 7, S. 3). Allerdings hob das Oberlandesgericht Düsseldorf am letzten Tag (!) der Schutzmaskenaus­gabe gegen Vorlage eines Berechtigungsscheins die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts auf, da es sich bei der einschlägigen Bestimmung in der Schutzmaskenverordnung nicht um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des Wettbewerbsrechts gehandelt habe. Auch ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz lag nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Zuvor hatte schon das Oberlandesgericht Brandenburg ein entsprechendes Urteil erlassen (AZ 16, S. 3).

Apotheke darf Heimbewohner nicht unter Druck setzen. Eine Apotheke, die sich in ihrer Werbung als „Notdienst-Apotheke“ bezeichnet und gegen Prämien einzulösende Taler für Facebook-Likes vergibt, handelt nach einem Urteil des Landgerichts Bonn wettbewerbswidrig. Als irre­führend wertete das Gericht auch ein Schreiben der Apotheke an Heimbewohner, das suggeriert hatte, dass Bewohner, die sich nicht für die Kooperationsapotheke des Heims entschieden, bei der Arzneimittelversorgung allein gelassen würden (AZ 5, S. 3).

Treue-Aktion war kartellrechts­widrig. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts München hat der Wort & Bild Verlag seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, um sich ungeliebte Konkurrenz fern­zuhalten. Das Gericht verurteilte den Verlag wegen Verstoßes gegen das Kartellrecht. Wort & Bild hat danach mit seiner sogenannten Treue-Aktion auf wettbewerbswidrige Art und Weise versucht, der Apotheken-Kundenzeitschrift „my life“ den Markteintritt zu erschweren (DAZ 5, S. 14).

Cannabisblüten scheitern an Kennzeichnung. Cannabisblüten in der Herstellerverpackung sind ein Ausgangsstoff und kein Arzneimittel. Dies entschied das Hanseatische Oberlandesgericht in zweiter Instanz. In ihrer einstweiligen Verfügung gegen einen namhaften Händler bemängelte das Gericht die Kennzeichnung der Blüten: Die Hersteller­abgaben entsprachen nicht den recht­lichen Anforderungen für Ausgangsstoffe (DAZ 5, S. 18).

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Die vom BMG auf den Weg gebrachte Abgabe von FFP2-Masken über Apotheken nutzten einige Apothekeninhaber für Marketing-Zwecke. Dies sorgte für Streit unter den Kollegen und führte zu mehreren Gerichtsentscheidungen.

Ärger beim Masken-Marketing.Die staatlichen Gutscheine für FFP2-Masken haben manchen Apotheken­leiter zu Marketingaktionen beflügelt: mit Eigenbeteiligungsverzicht, Gratismasken oder Gutscheinen warben sie um Kunden. Das Landgericht Duisburg untersagte einer Apotheke die Werbung mit einem „geschenkten“ Fünf-Euro-Gutschein, weil darauf der Hinweis fehlte, dass er nicht beim Einkauf von verschreibungspflich­tigen Arzneimitteln eingelöst werden könne (DAZ 6, S. 16).

Schlappe für BMG und Google. In zwei Entscheidungen hat die auf Kartellrecht spezialisierte 37. Zivilkammer des Landgerichts München I dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und Google vorläufig eine Zusammenarbeit untersagt, die darauf gerichtet ist, bei der Google-Suche nach Krankheiten prominent hervorgehobene Infoboxen (sogenannte Knowledge Pannels) mit Gesundheitsinformationen anzuzeigen. Diese werden aus den Inhalten des nationalen Gesundheitsportals des BMG (www.gesund.bund.de) gespeist und mit einem Link zu diesem Portal versehen. Kläger war die Hubert Burda Media mit ihrem Gesundheitsportal netdoktor.de. Burda warf Google vor, ihre Monopolstellung marktmissbräuchlich auszunutzen. Indirekt subventioniere das BMG mit Steuergeldern die Vermarktung des Suchgiganten (AZ 7, S. 1; DAZ 8, S. 12).

Weitere Niederlage für Lunapharm. Das Brandenburger Unternehmen Lunapharm, das 2018 für Schlagzeilen gesorgt hatte, darf weiterhin keine Arzneimittel „herstellen“ oder einen Arzneimittelgroßhandel betreiben. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte damit einen erstinstanzlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam (AZ 9, S. 3).

Nächste Runde für Gratismuster. Pharmaunternehmen dürfen Apotheken keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel ab­geben. Dies hat der Europäische Gerichtshof bereits im Juni 2020 entschieden. Aber wie ist die Rechtslage, wenn es sich dabei um apothekenpflichtige Arzneimittelmuster handelt, die „zu Demonstrationszwecken“ an Apotheker verteilt werden? Zu der ­Frage hatte der Bundesgerichtshof den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen. Die Luxemburger Richter entschieden, dass die Abgabe von Rx-Mustern aufgrund des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel tabu sei; dagegen lasse das Unionsrecht zu, dass Apotheker nicht-rezeptpflichtige Arzneimittelmuster bekommen, um sich mit einem neuen Produkt vertraut zu machen. Vor diesem Hintergrund hob der Bundesgerichtshof das zweitinstanzliche Urteil des Oberlandes­gerichts Frankfurt/Main auf und verwies das Verfahren zurück. Das Oberlandesgericht muss nun noch weitere Feststellungen treffen, um die Rechtssache spruchreif zu machen. Zu prüfen ist insbesondere, ob ein Verstoß gegen das Zugabeverbot in § 7 Heilmittelwerbegesetz vorliegt (AZ 11, S. 3).

Tankgutschein als Gehalt. Vereinbart ein Arbeitgeber mit seinen Angestellten einen teilweisen Lohnverzicht und gewährt er im Gegenzug dazu für einen bestimmten Betrag Tank­gutscheine, so handelt es sich dabei sozialversicherungsrechtlich um Arbeitsentgelt. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber Miete für Werbeflächen auf den Pkws seiner Angestellten zahlt. Dies hat das Bundessozial­gericht entschieden (AZ 11, S. 3).

Zusammenhang muss klar sein. Wer wegen eines Impfschadens einen Entschädigungsanspruch gegen ein pharmazeutisches Unternehmen geltend machen will, muss nach einem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen den Kausalzusammenhang von Impfung und Gesundheitsschädigung nachweisen. Die Ursache des Impfschadens ist nach gesicherten medizinischen Forschungsergebnissen zu beurteilen Es reicht nicht aus, auf die Möglichkeit einer Schädigung durch den Impfstoff zu verweisen (DAZ 11, S. 16).

Keine Umsatzsteuerminderung für DocMorris durch Kundenrabatte.Eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke, die innergemeinschaftliche Lieferungen an eine deutsche gesetzliche Krankenkasse erbringt und zugleich einer bei dieser Kasse versicherten Person einen Rabatt gewährt, kann ihre Steuerbemessungsgrundlage nicht um diesen Nachlass mindern. Dies hat der Europäische Gerichtshof im Rahmen eines Vorlagebeschlusses des Bundesfinanzhofs entschieden und damit DocMorris einen rechtlichen Dämpfer versetzt (DAZ 11, S. 18).

Freibrief für Rezeptsammelkästen. Eine Apotheke mit Versandhandels­erlaubnis darf in ihrem Einzugsgebiet auf einer öffentlichen Straße einen Rezeptsammelkasten unterhalten. Dies hat das Oberlandesgericht Rostock in einem Eilverfahren entschieden und sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezogen, das 2020 entschieden hatte, dass der Begriff des Versandhandels, wie er im Arzneimittel- und Apothekenrecht verwendet werde, auch einen Vertrieb umfasse, der auf einen Versandhandel im örtlichen Einzugsbereich der Vor-Ort-Apotheke ausgerichtet sei und bei dem für die Zustellung der Arzneimittel eigene Boten der Apotheke eingesetzt würden (AZ 12, S. 3).

Keine OTC in österreichischen dm-Märkten. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen auch in unserem Nachbarland Österreich weiterhin nur von Apotheken bezogen und ab­gegeben werden – der Apothekenvorbehalt bleibt bestehen. Auch das absolute Verbot der Abgabe von Arznei­mitteln via Selbstbedienung gilt nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Wien weiterhin (AZ 13/14, S. 3).

Gericht bestätigt Testpflicht. Ohne Erfolg wehrte sich ein Apothekenleiter vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht gegen die im Bundesland damals geltende Fassung der Corona-Schutzverordnung, die unter anderem festlegte, dass alle Beschäftigten und Selbstständigen mit direktem Kundenkontakt verpflichtet sind, einmal wöchentlich eine Testung auf das Nichtvorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Gegen die Regelung war der Apothekeninhaber im Rahmen eines sogenannten Normenkontrollverfahrens vorgegangen (AZ 15, S. 3).

Strafverfahren gegen Bellartz gegen Zahlung von 52.800 Euro eingestellt. Thomas Bellartz, früherer Pressesprecher der ABDA und heu­tiger Herausgeber von „apotheke adhoc“, ist um eine Neuauflage seines „Datenklau-Prozesses“ vor dem Landgericht Berlin herumgekommen. Das Verfahren wegen des illegalen Ausspähens von Daten aus dem Bundesministerium für Gesundheit wurde gegen Zahlung eines Betrags in Höhe von 52.800 Euro eingestellt. Zuvor hatte der Bundesgerichtshof das erstinstanzliche Urteil gegen Bellartz aufgehoben, da es im Angeklagten keinen Mittäter, sondern einen Anstifter sah und die Rechtssache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen (AZ 17, S. 3).

Spahns Villenkauf – ein politisches Thema. Nach einem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts war die Berichterstattung über den millionenschweren Villenkauf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rechtmäßig und hätte nicht verboten werden dürfen. Vorausgegangen war ein Rechtsstreit zwischen Spahn, seinem Ehemann Daniel Funke und dem „Tagesspiegel“ (AZ 18, S. 2).

Haarwuchsmittel: Kasse muss nicht zahlen. Auch wenn der Anspruch auf Krankenbehandlung grundsätzlich auch die Versorgung mit Arzneimitteln umfasst, müssen die Krankenkassen nicht jedes Medikament bezahlen, zum Beispiel keines, das den Haarwuchs fördern soll. Dies gilt nach einem Urteil des Hessischen Landes­sozialgerichts erst recht dann, wenn das Arzneimittel hierfür nicht zugelassen ist (AZ 18, S. 3).

Approbation trotz Strafe. Soll einem Apotheker, der wegen einer Straftat rechtskräftig verurteilt wurde, die Approbation entzogen werden, darf dies nicht ohne Weiteres unter Anordnung der sofortigen Vollziehung geschehen. Es genügt nicht, dass der Approbationswiderruf offensichtlich rechtmäßig sein wird – nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlands müssen weitere Umstände hinzutreten, die konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lassen (AZ 20, S. 3).

Kein Logo mit Löwe und Hanfblatt. Bavaria Weed, ein bayerischer Importeur von medizinischem Marihuana, darf sein Logo nicht als Marke ein­tragen lassen. Das Zeichen, das aus dem Namen des Unternehmens sowie einem aufrecht stehenden Löwen mit einem Hanfblatt in der Tatze besteht, verstößt nach einem Urteil des Europäischen Gerichts (EuG) gegen die öffentliche Ordnung. Die Richter störten sich insbesondere am Wort „Weed“, das übersetzt unter anderem Marihuana bzw. umgangssprachlich „Gras“ bedeutet. Da das Zeichen „an den Freizeitkonsum von Marihuana erinnert“, würde es „als Förderung und Bewerbung oder zumindest Verharmlosung des Konsums von Marihuana als verbotene und illegale Substanz“ wahrgenommen (AZ 20, S. 3).

Kein Rabatt auf Lifestyle-Arznei­mittel. Pharmaunternehmen müssen privaten Krankenversicherern und anderen Kostenträgern keine Herstellerrabatte auf Lifestyle-Arzneimittel gewähren. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs gibt es den Rabatt nur für Arzneimittel, die vom Leistungsanspruch der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sind (AZ 20, S. 3).

Nur mit deutlichem Hinweis. Nach einem Endurteil des Landgerichts Leipzig musste der Online-Arzneimittelversender Apodiscounter die Internetinformationen zu seinem Bonusprogramm nachbessern, da der Hinweis, dass es für rezeptpflichtige Arzneimittel keine Bonuspunkte gebe, zu versteckt war. Im Hauptverfahren bestätigte das Gericht seine einstweilige Verfügung (AZ 23, S. 3).

Keine Unternehmenstests auf Staatskosten. Unternehmen, die ihren Angestellten Coronatests anbieten müssen, dürfen hierfür nicht auf Bürgertests ausweichen und Testzentren, die diese Bürgertests anbieten, ist es verwehrt, Arbeitgeber mit dem Versprechen zu umwerben, sie testeten ihre Mitarbeiter auf Staatskosten. Mit Erfolg ist die Wettbewerbs­zentrale vor dem Landgericht Mannheim gegen ein entsprechendes Angebot vorgegangen (AZ 25, S. 3).

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Streit um die rechtliche Einordnung von Opiumtinktur.

Opiumtinktur als Fertigarzneimittel? Das Landgericht Düsseldorf stuft Opiumtinkturen, die an Apotheken geliefert werden und zur Abfüllung an Patienten bestimmt sind, auf Herstellerebene als zulassungspflichtige Fertigarzneimittel ein. Im Gegensatz dazu hatten das Landgericht Hamburg und das Hanseatische Oberlandesgericht in weiteren Verfahren die Opiumtinktur im Standgefäß auf dieser Vertriebsebene nicht als Fertigarzneimittel betrachtet. Gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf hat die beklagte Firma Berufung eingelegt (DAZ 25, S. 14). Dagegen hat das Land­gericht Hamburg auf der Apothekenebene die in einer Apotheke unverändert abgefüllte und abgegebene Opiumtinktur in einer nicht rechtskräftigen Entscheidung als zulassungspflichtiges Arzneimittel ein­gestuft. Damit blieben die einstweiligen Verfügungen bestehen, in denen zwei Apotheken die Abgabe von Opiumtinktur in dieser Form untersagt wurde (DAZ 11, S. 20; DAZ 32, S. 18).

Bayer muss keinen Schadensersatz leisten. Jahrelang hatte die Klägerin vergeblich gegen den Bayer-Konzern gekämpft. Die 25-Jährige war im Sommer 2009 an Lungenembolie erkrankt und hatte einen Herzstillstand erlitten, woran sie beinahe verstarb. Die Klägerin machte die damals von ihr eingenommene Bayer-Ver­hütungspille Yasminelle® mit dem Wirkstoff Drospirenon dafür verantwortlich und forderte von Bayer Schadensersatz und Schmerzensgeld. Ihre Klage blieb jedoch auch in zweiter Instanz ohne Erfolg: Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte die in erster Instanz erfolgte Klageabweisung (AZ 19, S. 3; AZ 26, S. 1).

Kein Freibrief für Rezeptfreies. Wenn ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat der EU rezeptfrei verkauft werden darf, bedeutet dies nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht automatisch, dass es auch in anderen EU-Staaten vertrieben werden darf (AZ 28, S. 3).

Kritische Keim-Grafik. Wer für Nahrungsergänzungsmittel zur Erhaltung des Immunsystems wirbt, sollte mit Grafiken vorsichtig sein – gerade in Corona-Zeiten. Die Wettbewerbs­zentrale hatte die Werbung auf der Internet-Startseite eines Nahrungs­ergänzungsmittel-Vertreibers beanstandet. Neben dem Hinweis „Volle Power für Ihr Immunsystem“ fand sich dort das Bild einer Person, die ihre Hand in Abwehrhaltung gegen verschiedene stilisiert abgebildete Keime ausstreckt. Nach Auffassung des Land­gerichts führte die Art der dargestellten Keimabwehr zur Assoziation eines Schutzes vor den dargestellten Bakterien und Viren bis hin zum Corona­virus. Sie war deshalb wettbewerbswidrig (AZ 28, S. 3).

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Der Zur Rose-Konzern und seine Tochter DocMorris beschäftigten auch 2021 wieder die Gerichte, doch nicht immer zum Wohlwollen des Arzneimittelversenders.

Auch für DocMorris gilt das Heilmittelwerberecht. Auch EU-Arzneimittelversender, die Kunden in Deutschland umwerben, müssen sich an die Regeln des Heilmittelwerbe­gesetzes halten. Dies hat der Euro­päische Gerichtshof DocMorris ins Stammbuch geschrieben, nachdem der Bundesgerichtshof die Luxemburger Richter im Streit um die Zulässigkeit eines von DocMorris ausgelobten Gewinnspiels angerufen hatte (AZ 26, S. 3). Damit ist die an eine Rezepteinlösung beim niederländischen Versender gekoppelte Verlosung eines E-Bikes im Wert von 2500 Euro und hochwertiger elektrischer Zahnbürsten ein Verstoß gegen das Zuwendungsverbot gemäß § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Das Heilmittelwerbegesetz gilt unterschiedslos für alle Apotheken, die in Deutschland Arzneimittel verkaufen – unabhängig davon, ob sie in der Bundesrepublik Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Weder der EU-Arzneimittel­kodex noch Art. 34 AEUV, der das Verbot mengenmäßiger Einfuhr­beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung regelt, stehen der Anwendung des deutschen Heilmittel­werberechts entgegen. Die Apothekerkammer Nordrhein, die das Verfahren initiiert hatte, sprach von einem „Sieg für den Verbraucherschutz“ (AZ 29, S. 1). Infolge der Feststellungen des Euro­päischen Gerichtshofs hat der Bundesgerichtshof die Revision von Doc­Morris gegen ein Urteil des Ober­landesgerichts Frankfurt/Main zurückgewiesen (AZ 47, S. 3).

Kopftuchverbot kann rechtens sein. Nach einem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs kann das Tragen sichtbarer religiöser Zeichen in einem Unternehmen verboten werden – allerdings nur dann, wenn der Arbeitgeber gegenüber Kunden unbedingt ein Bild der Neutralität vermitteln möchte oder nachteilige Konsequenzen in seinem konkreten Tätigkeitsfeld befürchtet, die zu umgehen unbedingt erforderlich sind. Diese wirklichen Bedürfnisse oder Nachteile muss der Arbeitgeber konkret nachweisen (AZ 29, S. 1).

Keine Filiale für OHG ohne Hauptapotheke. Zwei Apotheker, die jeweils eine eigene Betriebserlaubnis für eine Apotheke bzw. eine Haupt- und eine Filialapotheke besitzen, können nicht gemeinsam in einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) eine weitere Apotheke als Filiale betreiben. Dies hat das Verwaltungsgericht Leipzig entschieden. Danach ist ein solches Kon­strukt mit dem Apothekengesetz unvereinbar und würde zudem das Fremd- und (eingeschränkte) Mehrbesitzverbot gefährden (AZ 31/32, S. 3).

Verstoßen Payback-Punkte gegen das Heilmittelwerberecht? Payback-Punkte sind ein beliebtes Kunden­bindungsinstrument im Einzelhandel: 50 Payback-Punkte sollten Patienten als „Zuckerl“ erhalten, die über die Phoenix-App „Deine Apotheke“ Produkte aus der Apotheke vorbestellt haben. Dies sollte auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten. Die Wettbewerbszentrale sah in der Kooperation von Phoenix mit Payback einen Verstoß gegen § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG), der es grundsätzlich verbietet, im Rahmen des Absatzes von Heilmitteln Zuwendungen oder sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Das Landgericht Mannheim folgte der Auffassung der Wettbewerbszentrale. Zuvor war das Landgericht Hamburg in einem vergleichbaren Verfahren, in dem es um die Werbung eines Hörakustikunternehmen ging, zum gegenteiligen Ergebnis gekommen. Danach soll es sich bei Payback-Aktionen um reine Imagewerbung handeln. Gegen das Urteil aus Hamburg hat die Wettbewerbszentrale Berufung eingelegt – und auch Phoenix ist in Berufung gegangen (DAZ 33, S. 13).

Valsartan: AbZ muss Auskunft geben. Im Sommer 2018 zeigte sich, dass zahlreiche Valsartan-haltige Arzneimittel mit dem möglicherweise krebserregenden N-Nitrosobimethylamin (NDMA) verunreinigt waren. Viele Patienten, die einen entsprechenden Blutdrucksenker eingenommen hatten und an Krebs erkrankten, fragten sich, ob es hierbei einen Zusammenhang gibt. Einige Betroffene zogen vor Gericht. In einer ausführlichen Entscheidung hat das Oberlandesgericht Frankfurt/Main einer Klägerin gegenüber AbZ einen arzneimittelrechtlichen Auskunfts­anspruch zugesprochen (AZ 36, S. 3).

Zweifelhafte AU. Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies nach einem Urteil des Bundes­arbeitsgerichts den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst (AZ 37, S. 3).

Empfehlung mit „hinreichendem Grund“ ist erlaubt. Ohne hinreichenden Grund ist es Ärzten untersagt, ihren Patienten andere Leistungs­erbringer im Gesundheitswesen zu empfehlen. Bittet der Patient seinen Arzt jedoch um eine Empfehlung, so ist dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein „hinreichender Grund“. Diese höchstrichterliche Rechtsprechung hat das Landgericht Köln bestätigt und in seiner Entscheidung zur Beweislast beim ärztlichen Zuweisungsverbot Stellung genommen (AZ 37, S. 3).

Arzneimittelpreisbindung: EU-Kommission lenkt ein. Die EU-Kommis­sion hat das Vertragsverletzungs­verfahren, das sie gegen die Bundes­republik Deutschland wegen der grenzüberschreitenden Preisbindung im deutschen Arzneimittelgesetz betrieb, im September offiziell eingestellt. Das Vertragsverletzungsverfahren hatte die Kommission im Jahr 2013 eingeleitet, weil sie der Auffassung war, dass feste Rx-Preise und das damit verbundene Rx-Boni-Verbot den freien Warenverkehr innerhalb der EU einschränkten und den Marktzugang für importierte Rx-Arzneimittel erschweren würde. Mit seiner Einstellung akzeptiert die Kommission jetzt die im Sozialgesetzbuch (Fünftes Buch) verankerte preisbindungsrechtliche Regelung, die auch für ausländische Versandapotheken gilt (DAZ 39, S. 14).

Skonti im Direktvertrieb – was ist erlaubt? Sind handelsübliche Skonti auf Arzneimittellieferungen von Großhändlern oder im Direktvertrieb un­zulässig, wenn sie den 70 Cent-Fest­zuschlag unterschreiten? Diese für viele Apotheken bedeutsame Frage ist trotz langjähriger Rechtsstreitigkeiten noch immer nicht endgültig beantwortet. Die Wettbewerbszentrale strebte 2021 erneut eine Klärung vor Gericht an. Das Landgericht Cottbus hat jetzt festgestellt, dass bei der Abgabe von ­Fertigarzneimitteln durch den Großhandel an Apotheken ein Mindestpreis aus Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, Festzuschlag von 70 Cent und Umsatzsteuer zu er­heben ist. Auf diese Preisbestandteile dürfen danach weder Rabatte noch Skonti – auch keine „handelsüblichen“ – gewährt werden. Das Urteil ist nicht rechts­kräftig (AZ 43, S. 3).

„Shop-Apotheke + ZAVA“ – eine unzulässige Kooperation. Dass die enge Kooperation von (ausländischen) Versandapotheken und telemedizinischen Angeboten wie der in Groß­britannien ansässigen Online-„Arztpraxis“ ZAVA auf rechtlich tönernen Füßen steht, zeigte ein Urteil des Landgerichts Köln. Kunden der Shop-Apotheke konnten ihr Passwort auch nutzen, um sich direkt bei ZAVA anzumelden. Mit einem Klick wurden sie zum Kooperationspartner weitergeleitet, bei dem sie sich per Fragebogen „behandeln“ lassen konnten (und immer noch können). Das gewünschte Rezept ging an die Shop-Apotheke, die das bestellte Arzneimittel sodann verschickte. Die Kölner Richter sahen in diesem Kon­strukt einen Verstoß gegen das rechtliche Verbot der Zuführung von Patienten (§ 11 ApoG) sowie das Fernbehandlungsverbot (§ 9 Satz 1 HWG). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (DAZ 43, S. 9).

Melatoninkapseln: nicht immer ein Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel? Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass Kapseln, die 0,5 mg Melatonin enthalten und von denen laut Verzehrempfehlung täglich vor dem Schlafengehen zwei Stück eingenommen werden sollen, keine Arzneimittel sind. Eine Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungs­gericht nicht zugelassen (AZ 45, S. 3).

ApoRisk-Fall wirft Fragen zu Cyber-Versicherungen auf. ApoRisk, ein auf Apothekenversicherungen spezialisiertes Vermittlungsunternehmen soll nach einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Lübeck gegenüber Apotheken mit irreführenden Aussagen eine Cyber-Versicherung beworben haben. Einzelne beworbene Risiken sollen nicht im versprochenen Umfang abgedeckt gewesen sein. Konkret ging es um sogenannte Markt- und Bestandsgarantien. Zudem wurde ApoRisk belästigende Telefax-Werbung verboten. Bereits vor dem Urteil des Landgerichts Lübeck waren in den Jahren 2016 und 2017 Rechtsverfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Karlsruhe anhängig, in denen ApoRisk die Verbreitung von belästigenden Werbemails untersagt wurde. Das Landgericht Mönchen­gladbach hat im September 2021 nach dem erneuten Versand von Werbemails ein entsprechendes Verbot ausgesprochen (AZ 46, S. 3).

Datenschutz und Frage nach Geburtsdatum. Nach einem nicht rechtskräftigen Urteil des Verwaltungs­gerichts Hannover müssen sich auch Versandapotheken am Prinzip der Datenminimierung orientieren. Die Verarbeitung des Geburtsdatums eines Kunden im Rahmen des Bestellvorgangs hat danach zumindest für solche Produkte zu unterbleiben, die keine altersspezifische Beratung erfordern und bei denen eine Einwilligung zur Datenerhebung nicht vorliegt. Soweit die Geschäftsfähigkeit der Kunden überprüft werden solle, so erfordere das datenschutzrechtliche Prinzip der Datenminimierung, dass lediglich die Volljährigkeit und nicht das genaue Geburtsdatum abgefragt werde (DAZ 46, S. 20).

„Hüffenhardt-Verbot“ war recht­mäßig. 2017 hatte DocMorris im baden-württembergischen Hüffenhardt für wenige Tage einen Arzneimittel-Abgabeautomat mit Video-Beratung betrieben. Die zuständige Behörde reagierte schnell mit einem Verbot. Es folgten diverse Gerichtsverfahren und Urteile, die alle zum Ergebnis kamen, dass das DocMorris-Konstrukt apotheken- und arzneimittelrechtlich unzulässig war. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigte die Behördenentscheidung (DAZ 46, S. 20).

US-Apothekenketten verurteilt.Die US-Opioid-Krise hat laut der Gesundheitsbehörde CDC in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu fast einer halben Million Toten geführt. Außerdem sind für die Behandlung der Süchtigen etc. enorme Kosten entstanden. Neben den Herstellern – an erster Stelle der Oxycontin-Produzent Purdue Pharma – wurden auch die großen Apothekenketten auf Schadensersatz verklagt. Im November gab es ein erstes Urteil: die Jury des Bundesgerichts in Cleveland kam zu dem Schluss, dass die US-Einzelhändler Walmart, CVS und Walgreens den Verkauf von Schmerzmitteln im Bundesstaat Ohio nicht ausreichend kontrolliert hätten (AZ 48, S. 4).

First A muss nachbessern. Das Ber­liner Start-up-Unternehmen „First A“, das bestellte Arzneimittel per Fahrradkurier zu Kunden bringt, muss seine Werbeaussagen überarbeiten. In einer einstweiligen Verfügung wurde ihm unter anderem untersagt zu suggerieren, dass es sich bei First A um eine lokale „Apotheke – online“ handle (DAZ 47, S. 18).

Einschränkungen durch „Bundesnotbremse“ waren verfassungs­gemäß. In mehreren Beschlüssen hat das Bundesverfassungsgericht die Maßnahmen der „Corona-Bundesnotbremse“ für verfassungsgemäß erklärt. Ende November wies es mehrere Verfassungsbeschwerden gegen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sowie Schulschließungen zurück. Wie es in den Entscheidungen heißt, waren die ergriffenen Maßnahmen Bestandteile eines staatlichen Schutzkonzeptes und dienten den „überragend wichtigen Gemeinwohlbelangen“ des Lebens- und Gesundheitsschutzes sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems. Bei den Maßnahmen habe es sich zwar um erhebliche Grundrechtseingriffe gehandelt, die jedoch in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot des Grundgesetzes vereinbart waren (DAZ 48, S. 9). |

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