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Was für ein Jahr ...

Kein Ende in Sicht

Der Rückblick in zwölf Momentaufnahmen

eda | Zu den Silvesterwünschen im vergangenen Jahr gesellte sich neben der obligatorischen Gesundheit natürlich auch das Glück, diesmal allerdings bezogen auf einen möglichst baldigen Impftermin. Man war sich offenbar sicher: Mit der allgemeinen Immunisierung würde man das Coronavirus nun endgültig bezwingen können. Die Impfstoff-Logistik lief auf Hochtouren – zum Teil rüttelte es an manchen Stellen. Doch Risikogruppen, Bedarfsberechtigte und schließlich jeder Impfwillige erhielten 2021 jeweils mindestens zwei Pikse. Pharmazeutisches Personal und öffentliche Apotheken engagierten sich hierfür sehr, aber Corona wird uns leider auch ins neue Jahr begleiten und für immer neue Herausforderungen im Gesundheitssystem sorgen. Darüber hinaus hatten die vergangenen Monate aus Sicht der Apothekerinnen und Apotheker so einiges zu bieten, denn die Große Koalition brachte mit den elektronischen Rezepten und den pharmazeutischen Dienstleistungen ganz neue Kapitel auf die Agenda.

Der Wunsch, dass die Pandemie in diesem Jahr ihr Ende nehmen soll, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Corona blieb das beherrschende Thema auf allen Kanälen. Für die Apotheken bedeutete dies viele Herausforderungen und neue Aufgaben. Maskenausgabe, Impfstofflogistik, Testungen, Zertifikate ausstellen – all das musste neben dem normalen Tagesgeschäft gelingen. Und dann waren da noch die weiteren großen Themen für die Branche, wie die Einführung der E-Rezepte und der pharmazeutischen Dienstleistungen. In beiden Fällen mussten die Verantwortlichen erkennen, dass Gesetzes- und Verordnungstexte nicht immer die ganze Realität abbilden und es vernünftiger zu sein scheint, auch Kompromisse zuzulassen. Aufgeschoben bedeutet bekanntlich nicht aufgehoben – und so könnte das Jahr 2022 vielleicht tatsächlich zum wichtigsten für die Apothekerschaft werden, und das nicht nur in der Theorie des Gesetzgebers. Doch bis dahin gilt es, weiterhin die Pandemie zu bekämpfen, und das mit einem alten Bekannten als neuem Minister. Wer weiß, was dieser Wandel bringt.

Januar

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Der Jahreswechsel 2020/21 lag inmitten einer hohen Infektions­welle und Deutschland stand still während des zweiten, monate­langen Corona-Lockdowns. Da die nationale Impfkampagne erst langsam so richtig Fahrt aufnehmen würde, beschloss Bundes­gesundheitsminister Jens Spahn Risikogruppen mit FFP2-Masken zu versorgen. Die Ausgabe der kostenlosen Schutzmasken sollte durch die Apotheken erfolgen. Seit dem 15. Dezember 2020 hatten daher gesetzlich und privat Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben oder einer bestimmten Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion angehören, Anspruch auf insgesamt 15 Atemschutzmasken. Die ersten drei Masken erhielten sie bis zum 6. Januar gegen Vorlage ihres Ausweises bzw. glaubhafter Darlegung ihres Anspruchs in den Apotheken. Die Apotheken wurden überrannt und mussten sich sogar in der Presse für die von Spahn festgelegte Vergütung rechtfertigen.

Februar

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Die Zeit zum langersehnten Impftermin überbrückten die Deutschen nicht nur mit Warten, sondern auch mit Testen. Anfang Februar waren die rechtlichen Weichen für die Abgabe von Corona-Selbsttests an Privatpersonen gestellt. In den Apotheken mehrten sich die Nachfragen – doch leider gab es noch kein für Laien zugelassenes Produkt auf dem Markt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erwartete erst ab März die ersten Sonderzulassungen. Doch auch professionell durchgeführte Testungen auf das Coronavirus sollten breiter und niederschwelliger angeboten werden. Bundesgesundheitsminister Spahn kündigte an, ab 1. März kostenlose Schnelltests für alle Bürger zu ermöglichen – diese sogenannten Bürgertests sollten dann auch in Apotheken durchgeführt werden. Doch dann wurde Spahn etwas gebremst: Zunächst sollte die Bund-Länder-Konferenz über eine erweiterte Teststrategie beraten. Am Ende kam man zu dem Ergebnis, dass es wöchentlich zwei kostenlose Tests für jeden gibt.

März

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Gerade erst losgefahren und schon eine Vollbremsung: Die COVID-19-Vakzine von AstraZeneca hatte von Anfang an schwer zu kämpfen. In der Bevölkerung herrschte Skepsis, weil der Impfstoff zunächst als vermeintlich weniger wirksam angesehen wurde. Doch dann setzte plötzlich ein Staat nach dem anderen die Impfung aus – Deutschland folgte Anfang März. Der Grund: Es waren schwerwiegende thrombotische Ereignisse bei Geimpften aufgetreten. Vor allem jüngere Frauen wurden als Hauptrisikogruppe identifiziert. Wenige Wochen später aktualisierte die Ständige Impfkommission (STIKO) ihre COVID-19-Impfempfehlung. Wegen der Thrombose­risiken sollten nur noch Personen über 60 Jahren mit AstraZeneca geimpft werden. Unter 60-Jährige sollten zwölf Wochen nach der Erstimpfung anstelle des Vektor-Impfstoffes eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs erhalten. Damit war das Vertrauen in der Bevölkerung gegenüber AstraZeneca endgültig zerstört. Bei der Impfkampagne dominierten nachfolgend die mRNA-Vakzinen.

April

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Wieder einmal gefühlt von heute auf morgen bekamen die Apotheken im April eine neue Aufgabe beim Kampf gegen die Corona-Pandemie: die Belieferung der Arztpraxen mit Comirnaty®, dem mRNA-Impfstoff von BionTech. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening forderte hierfür „verlässliche politisch-rechtliche Rahmenbedingungen“. Denn klar war sofort: Mit Comirnaty® wurde Impfstoff ausgewählt, dessen Handling keineswegs trivial ist. Doch selbst der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, machte Hoffnung auf einen reibungslosen Ablauf – ebenso wie Phoenix-Vorstandsmitglied Marcus Freitag. Der Zeitplan sei zwar sportlich und die Anforderungen hoch, so Freitag. Overwiening kündigte an, die Apotheken „werden für eine reibungslose Impfstofflogistik sorgen“. Doch in den ersten Wochen ruckelte es noch: Privatärzte und Betriebsärzte waren zunächst außen vor. Außerdem weigerten sich nicht wenige Mediziner, den AstraZeneca-Impfstoff zu bestellen, weil ihre Patienten auf eine Impfung mit einer mRNA-Vakzine bestanden.

Mai

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Lockdown, Impfungen, vor allem das Frühjahrswetter sorgten dafür, dass die Corona-Zahlen ihre langersehnte Talfahrt nahmen. Damit lichtete sich das Feld auf andere Themen. Die Einführung des E-Rezepts stand unmittelbar bevor und damit auch die Frage, inwiefern Plattformen die Vor-Ort-Apotheken besserstellen im Hinblick auf die Arzneimittelversender. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening äußerte sich im April wohlwollend zu dem von der Großen Koalition aufgegriffenen und umgesetzten Makel- und Zuweisungsverbot für E-Rezepte. Doch bei näherer Betrachtung der aktuellen Regelung zeigt sich, dass es dringend weiterer Konkretisierungen bedarf: Die Apothekenplattformen wären ansonsten, was die Rx-Bestellungen angeht, funktionell benachteiligt gegenüber den EU-Arzneimittelversendern. Denn DocMorris und Co. gelten als Leistungserbringer innerhalb der Telematikinfrastruktur und genießen damit einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Aus dem Bundesgesundheitsministerium wartet man seitdem auf eine klarstellende Verordnung.

Juni

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Das digitale Impfzertifikat kam – und damit wieder eine neue Aufgabe für die öffentlichen Apotheken. Nach dem Willen der Großen Koalition sollen Ergänzungen am Impfausweis vorgenommen werden dürfen, wenn ein entsprechender Nachweis vorliegt. Die Ausstellung der digitalen COVID-19-Impfzertifikate begann dann unter aufmerksamer Begleitung durch die Medien, allerdings verlief der Start in vielen Apotheken noch holprig. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) richtete im Verbändeportal „mein-apothekenportal.de“ ein neues Modul ein und schaltete dieses zunächst nur für Mit­glieder frei, sehr zum Ärger von Apotheken, die sich außerhalb der Verbände organisieren. Doch nach und nach wurden alle Unklarheiten und technischen Baustellen beseitigt und Millionen von Bürgerinnen und Bürger ließen sich in den Apotheken ein digitales Impfzertifikat ausstellen – vor allem auch, um für den anstehenden Sommerurlaub gewappnet zu sein.

Juli

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Dieser Startschuss sollte eigentlich deutschlandweit gehört werden, doch dann verhallte er irgendwo zwischen Berlin und Brandenburg. Die Einführung des E-Rezepts (auf freiwilliger Basis) war für Juli 2021 angekündigt, doch die Gesellschafter der Gematik lenkten ein. Im Interview mit der DAZ hatte ABDA-IT-Experte Sören Friedrich bereits angekündigt, dass man sich für eine Fokusregion in Berlin/Brandenburg einsetzen wollte, in der man bestimmte Prozesse von der Ausstellung der Rezepte bis zur Abrechnung noch mal intensiv testet. Aus dieser Absichtserklärung wurde dann tatsächlich ein konkretes Vorhaben. Der Test in Berlin/Brandenburg mit 120 Apotheken, 50 Praxen – und allen Versendern – sollte zunächst drei Monate dauern. Im vierten Quartal wurde noch der bundesweite Roll-out anvisiert, doch auch diesen verschob man. Und der gesetzliche Stichtag 1. Januar 2022, ab dem es nur noch digitale Verordnungen und keine Papierrezepte mehr geben durfte, wurde schließlich auch deutlich entschärft.

August

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Während der verheerenden Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz meldeten rund 70 Apotheken ihren zuständigen Apothekerkammern, dass sie nicht mehr bzw. höchstens eingeschränkt betriebsbereit sind. Damit die Arzneimittelversorgung und nachfolgende Abrechnung mit den Krankenkassen dennoch gelang, einigten sich der Bundesverband Deutscher Apothekenrechenzentren (VDARZ) und der Deutsche Apotheker­verband (DAV) zusammen mit dem GKV-Spitzenverband auf Regelungen. Für diese Apotheken wurden beispielsweise die in den regionalen Arzneimittellieferverträgen vorgesehenen Fristen für die Spitzabrechnungen verlängert. Wurden eingelöste Rezepte durch das Hochwasser vernichtet, sollen die betroffenen Apothekenbetriebe entsprechende Ansprüche gegenüber ihren Ver­sicherungen geltend machen. Beschädigte Rezepte können weiterhin mit den Krankenkassen abgerechnet werden, sofern hierfür sämtliche Daten- bzw. Unterlagenlieferungen nach den geltenden Regelungen erfolgen.

September

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Verhandlungen gescheitert. Das Ende 2020 in Kraft getretene Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG), sieht vor, dass ab 2022 jährlich etwa 150 Millionen Euro für pharmazeutische Dienstleistungen der Apotheken zur Verfügung gestellt werden. DAV und GKV-Spitzenverband war es aufgegeben bis zum 30. Juni eine Verein­barung zu den Details zu treffen: Welche pharmazeutischen Dienstleistungen soll es geben, was sind die Anspruchsvoraussetzungen, wie wird vergütet und abgerechnet? Anfang September wurde vonseiten des DAV mitgeteilt, dass man nach einem weiteren Einigungsversuch nun die Schiedsstelle anrufen will. Offenbar hatte man eingesehen, dass man alleine nicht weiterkommt. Der GKV-Spitzenverband erklärte, er bedauere, dass der Gang vor die Schiedsstelle notwendig wird, und erklärt weiter: „Wir brauchen gezielte und hochwertige Dienstleistungen, die vor allem auch Apotheken in ländlichen Regionen zugutekommen und den Versicherten weiterhelfen.“

Oktober

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Fünf Jahre ist es her, als der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil zur Arzneimittelpreisbindung fällte. Ein Beben war es, das am 19. Oktober 2016 die Apothekerschaft in Deutschland erfasste und „Wildwest-Szenarien“ befürchten ließ: Nachdem der EuGH in den Jahren zuvor wesentliche deutsche apotheken- und arzneimittelrechtliche Regularien für europarechtskonform befunden hatte, kippte er im Herbst 2016 die Rx-Preisbindung für Arzneimittelversender aus dem EU-Ausland. Die DAZ nahm den Stichtag zum Anlass und blickte gemeinsam mit Zeitzeugen zurück. Doch auch die Zukunftsperspektive kam nicht zu kurz, denn fest steht: „Nichts ist in trockenen Tüchern.“ Weil ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel politisch nicht durchgesetzt wurde, herrscht keine Rechtssicherheit, und das Prozessieren gegen das Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht haben die Versender bereits angekündigt.

November

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Am 24. November stellten SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vor, der den Titel „Mehr Fortschritt wagen“ trägt. Im Mittelpunkt der Ampel-Koalition stehen die „Modernisierung“ des Landes und Themen wie Digitalisierung und Klimaschutz. Die Pläne für die Apotheken entsprechen zu großen Teilen einem Entwurf, der bereits eine Woche zuvor bekannt geworden war. Dazu gehören eine flexiblere Arzneimittelversorgung in Notfallzentren, Notfallbotendienste, mehr Geld für pharmazeutische Dienstleistungen, ein Sicherstellungsfonds und eine Honorierung, die Effizienzgewinne umverteilt. Zur Sicherung der Arzneimittelversorgung soll die Herstellung von Arzneimitteln einschließlich der Wirk- und Hilfsstoffe nach Deutschland oder in die EU zurückverlagert werden. Die zuvor geplante Mehrwertsteuersenkung kommt dagegen im Vertrag nicht vor. Außerdem vom Tisch – zumindest aktuell – sind Pläne, wonach im Rahmen einer Cannabis-Legalisierung die Apotheken als Abgabestellen fungieren sollen.

Dezember

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Und er wurde es doch! Karl Lauterbach ist neuer Bundesgesundheitsminister und damit Nachfolger von Jens Spahn. Der Epidemiologe Lauterbach sitzt seit 2005 für die SPD im Bundestag und äußerte sich auch schon vor der Pandemie regelmäßig zu gesundheitspolitischen Themen. Er veröffentlichte auch zahlreiche Bücher über seine Positionen. In den Jahren seiner Abgeordnetentätigkeit wurde immer wieder spekuliert, inwiefern er mit dem Amt des Ministers liebäugelt. „Die wichtigste Aufgabe für das Haus ist es, die Pandemie für Deutschland zu beenden“, sagte er am 8. Dezember anlässlich der Amtsübergabe. Um für die kommenden Herausforderungen gewappnet zu sein und die harten Nüsse knacken zu können, übergab ihm Thomas Steffen, Staatssekretär im Ministerium, das richtige Werkzeug: passend zur Adventszeit einen Nussknacker. Lauterbach wird in der kommenden Legislaturperiode außerdem von den parlamentarischen Staatssekretären Sabine Dittmar und Edgar Franke unterstützt werden. Neben Steffen wird Antje Draheim als weitere verbeamtete Staatssekretärin fungieren. |

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