Arzneimittel und Therapie

Weniger maligne B-Zellen dank Tafasitamab

Verbesserte Prognose beim diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom

Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom ist in vielen Fällen heilbar, verläuft unbehandelt jedoch rasch tödlich. Rund ein Drittel der Betroffenen spricht nicht auf eine kurative Erstlinientherapie an. Für diese Gruppe besteht Bedarf an neuen Therapien. Ein neuer Ansatz ist die Gabe des CD19-spezifischen monoklonalen Antikörpers Tafasitamab, der unter bestimmten Voraussetzungen in der Zweitlinientherapie eingesetzt werden kann.

Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist das häufigste aggressive Non-Hodgkin-Lymphom (s. Kasten). In Europa erkranken jährlich schätzungsweise 16.000 Menschen daran; die Inzidenz liegt bei rund sieben Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Das Erkrankungsrisiko steigt mit dem Alter, daher sind meist ältere Menschen betroffen. Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom entsteht aus entarteten reifen B-Zellen, die sich unkontrolliert vermehren. Klinische Charakteristika sind Vergrößerungen von Lymphknoten und Milz, Anämie, verstärkte Blutungen sowie Leukozytopenie mit erhöhter Infektanfälligkeit. Ferner kann eine B-Symptomatik mit Fieber, Gewichtsverlust und Nachtschweiß auftreten. Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom und die ihm verwandten Entitäten sind prinzipiell heilbare, unbehandelt jedoch rasch tödlich verlaufende Erkrankungen. So liegt die Heilungsrate unter einer Immunchemotherapie (Kombination aus dem monoklonalen Antikörper Rituximab mit einem oder mehreren chemotherapeutischen Arzneistoffen [Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison]) bei etwa 60 bis 70%. Die übrigen 30 bis 40% sprechen nicht auf die Ersttherapie an oder erleiden ein Rezidiv. Die Standardbehandlung für diese Personen umfasst eine konventionelle Salvage-Therapie – am häufigsten eine Kombination aus Gemcitabin und Oxaliplatin – gefolgt von einer Hochdosistherapie mit autologer Blutstammzelltransplantation. Trotz dieser Optionen besteht Bedarf an neuen Therapien, vor allem bei Versagen der Erstlinientherapie. Ein neuer Ansatz ist die Gabe des CD-19-Antikörpers Tafasitamab.

Bösartige Lymphknotenschwellungen

Foto: Orawan/AdobeStock

Maligne Lymphome umfassen zahlreiche Erkrankungen, die von B- oder T-Lymphozyten ausgehen. Sie können nach ihren Gewebemerkmalen in Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphome unterteilt werden.

Zu den Non-Hodgkin-Lymphomen gehören rund 30 unterschiedliche Lymphomerkrankungen. Die meisten gehen von B-Lymphozyten (B-Zell-Lymphome) aus. Je nach Krankheitsverlauf werden Non-Hodgkin-Lymphome in zwei Gruppen eingeteilt:

  • niedrig-malige (indolente) Formen; sie entwickeln sich langsam, sind in der Regel nicht heilbar, können aber mithilfe entsprechender Therapien gut kontrolliert werden. Dazu gehören etwa follikuläre Lymphome in frühen Stadien, das multiple Myelom und das Marginalzellen-Lymphom.
  • hoch-malige (aggressive) Formen; diese verlaufen ohne Therapie progressiv; dazu gehören das diffus großzellige B-Zell-Lymphom, das follikuläre Lymphom und das Mantelzell-Lymphom.

B-Zell-Lyse nach Bindung an CD19-Antigen

Tafasitamab (Minjuvi®; Incyte Biosciences Distribution B.V.) ist ein humanisierter Fc-verstärkter monoklonaler Antikörper, der gegen das CD19-Antigen auf der Oberfläche von Prä-B- und reifen B-Lymphozyten gerichtet ist. Da CD19 in größerem Ausmaß auf der Oberfläche von B-Zellen exprimiert wird, ist es ein potenzieller Angriffspunkt bei entsprechenden B-Zell-Erkrankungen. Nach Bindung an CD19 vermittelt Tafasitamab eine B-Zell-Lyse durch Bindung von Immun-Effektorzellen (wie etwa natürlichen Killerzellen, γδ-T-Zellen und Phagozyten) sowie durch eine direkte Apoptose­induktion. Diese Vorgänge führen zu einer Reduktion der B-Zell-Zahl im peripheren Blut.

Tafasitamab ist zugelassen in Kombination mit dem Immunmodulator Lenalidomid für die Behandlung Erwachsener mit rezidiviertem oder refraktärem diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom, wenn eine autologe Stammzelltransplantation nicht infrage kommt. Die bedingte Zulassung als Orphan-Drug-Arzneimittel wurde im August 2021 von der EMA erteilt. Das Nutzenbewertungsverfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses wurde im September 2021 eingeleitet. Tafasitamab wird derzeit in klinischen Studien bei weiteren malignen B-Zell-Erkrankungen untersucht.

Zulassungsstudie zeigt Ansprechraten von knapp 60%

Die bedingte Zulassung von Tafasitamab beruht auf den Ergebnissen der einarmigen unverblindeten Phase-II-Studie L-MIND. In dieser waren die Sicherheit und Wirksamkeit des Antikörpers in Kombination mit Lenalidomid zur Behandlung von 81 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffusem großzelligem B-Zell-Lymphom, die zuvor mindestens eine Therapie erhalten hatten und für eine Stammzelltransplantation nicht geeignet waren, untersucht worden. Primärer Studienendpunkt war die Gesamtansprechrate, sekundäre Endpunkte die Ansprechdauer, das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben. Nach einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 35 Monaten lag die Gesamtansprechrate bei 56,8%, einschließlich einer Komplettremissionsrate von 39,5% und einer Teilremissionsrate von 17,3%. Die mediane Ansprechdauer betrug 43,9 Monate. Das Gesamtüberleben lag nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von knapp 43 Monaten bei 31,6 Monaten. Die häufigsten, in der Zulassungsstudie erfassten Nebenwirkungen waren Infektionen (73%), Neutropenie (51%), Asthenie (38%), Anämie (36%), Diarrhö (36%), Thrombozytopenie (31%), Husten (26%), periphere Ödeme (24%), Fieber (24%) und verminderter Appetit (22%). Die häufigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen waren Infektionen (26%), darunter auch Pneumonien (7%) und febrile Neutropenien (6%). Bei 15% der Patienten wurde Tafasitamab aufgrund einer Nebenwirkung dauerhaft abgesetzt.

Anwendung in Zyklen

Die empfohlene Dosis beträgt 12 mg Tafasitamab pro Kilogramm Körper­gewicht, wobei folgendes Schema vorgesehen ist:

  • Zyklus I:Infusion an Tag 1, 4, 8, 15 und 22
  • Zyklen II und III: Infusion an Tag 1, 8, 15 und 22
  • Ab Zyklus IV: Infusion an Tag 1 und 15

Ein Zyklus umfasst 28 Tage. Zusätzlich wird maximal während zwölf Zyklen einmal täglich 25 mg Lenalidomid oral eingenommen. Eine Mono­therapie mit Tafasitamab wird fort­gesetzt, bis die Krankheit fortschreitet oder bis die Nebenwirkungen unannehmbar werden.

Um die Rückver­folgbarkeit biologischer Arzneimittel zu verbessern, müssen die Bezeichnung des Arzneimittels und die Chargenbezeichnung des angewendeten Arzneimittels eindeutig dokumentiert werden. |

Literatur

Salles G et al. Tafasitamab plus lenalidomide in relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma (L-MIND): a multicentre, prospective, single-arm, phase 2 study. Lancet Oncol. 2020 Jul;21(7):978-988. doi: 10.1016/S1470-2045(20)30225-4

Diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL), Informationen des Kompetenznetzwerkes Maligne Lymphome, https://lymphome.de/diffus-grosszelliges-b-zell-lymphom/therapie/, Abruf am 14. Dezember 2021

Duell J et al. Long-term outcomes from the Phase II L-MIND study of tafasitamab (MOR208) plus lenalidomide in patients with relapsed or refractory diffuse large B-cell lymphoma. Haematologica. 2021 Sep 1;106(9):2417-2426. doi: 10.3324/haematol.2020.275958

Berger DP und Mertelsmann R. Das Rote Buch. Hämatologie und Internistische Onkologie. Eccomed 2017

Minjuvi. Zusammenfassung des Arzneimittels. Informationen der Europäischen Arzneimittel Agentur EMA, www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/minjuvi-epar-product-information_de.pdf, Abruf am 25. November 2021

Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Tafasitamab (Diffus großzelliges B-Zell-Lymphom, Kombination mit Lenalidomid. Informationen des Gemeinsamen Bundesausschuss G-BA, www.g-ba.de/bewertungsverfahren/nutzenbewertung/740/, Abruf am 25. November 2021

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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