Pandemie Spezial

Schwarzer Pilz im Schlepptau

COVID-19-assoziierte Mucormykosen gehen mit hoher Mortalität einher

Mit einer SARS-CoV-2-Erkrankung können auch opportunistische Infektionen einhergehen, vor allem bei Patienten mit geschwächtem Immunstatus. Eine dieser Infektionen ist die COVID-19-assoziierte rhino-orbito-zerebrale Mucormykose, deren Häufigkeit in jüngster Zeit stark zugenommen hat und die mit hohen Mortalitätsraten assoziiert ist.

Die Pilzinfektion Mucormykose (in ihrer häufigsten Form die rhino-orbito-zerebrale Mucormykose) ist mit einer Inzidenz von 0,005 bis 1,7 pro einer Million Einwohner extrem selten. Seit Beginn der Pandemie tritt sie aber in einigen Gegenden, vor allem in Indien, im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion gehäuft auf. Diese Häufung kann anhand einiger Zahlen verdeutlicht werden: Wurden an der Mayo Clinic Rochester (USA) früher jährlich weniger als zehn Fälle diagnostiziert, waren es in den vergangenen drei Monaten bereits 73 CAM-Erkrankungen (CAM = COVID-19-assoziierte Mucormykose). Schätzungen zufolge wurden in Indien bis Mai 2021 rund 15.000 Fälle bekannt. Am häufigsten tritt die Erkrankung bei immungeschwächten Menschen auf.

Was ist eine rhino-orbito-zerebrale Mucormykose?

Foto: Kateryna_Kon/AdobeStock

Eine Mucormykose wird durch Fadenpilze der Gattung Mucor (Mucorales) ausgelöst, die durch Einatmen oder über Hautverletzungen in den Körper gelangen und dort die Nebenhöhlen befallen. An der nasalen Mukosa oder gelegentlich auch am Gaumen kommt es zu nekrotischen Läsionen und massiver Borkenbildung (schwarze Verschorfung an Nase und Gaumen; „schwarzer Pilz“). Eine rasche Gewebeinvasion führt zu einer progressiven Gewebenekrose, die das nasale Septum, den Gaumen und die periorbitalen und sinusnahen Knochen involvieren kann. Allgemeinsymptome sind unter anderem Fieber, Lethargie, Schmerzen, Augenmuskellähmung, Sehverlust, eitriger Nasenausfluss und Schleimhautnekrose. Eine fortschreitende Ausdehnung der Nekrose in das Gehirn kann zu Symptomen einer Thrombose des Sinus cavernosus, Krampfanfällen, Lähmungen und Sprachstörungen führen. Wird eine Rhino-orbito-zerebrale Mucormykose nicht frühzeitig diagnostiziert und therapiert, geht sie mit einer hohen Mortalitätsrate einher. Die wichtigsten Wirkstoffe sind Amphotericin B und Isavuconazol.

Mortalitätsraten bis zu 53%

Um die mit einer CAM-assoziierte Mortalität und mögliche Risikofaktoren besser einschätzen zu können, wurde in einem westindischen

Krankenhaus eine retrospektive Fall-Kontroll-Studie durchgeführt. Sie schloss 73 Patienten mit einer diagnostizierten COVID-19-assoziierten Mucormykose ein, deren Krankheitsverlauf mindestens 30 Tage verfolgt wurde. Von 47 Patienten war der Impfstatus bekannt; 89% von ihnen waren nicht geimpft. Die Studie umfasste den Zeitraum vom 1. März bis zum 30. Mai 2021. Der primäre Studienendpunkt war die kumulative Mortalität. Die 73 Patienten der Studie hatten im Median 28 Tage nach der Genesung eine COVID-19-assoziierte Mucormykose entwickelt; 36% von ihnen verstarben. Die kumulative Todesrate betrug an Tag sieben 26% und verdoppelte sich auf 53% an Tag 21. Eine vorausgegangene Beatmung erhöhte das Sterberisiko um das annähernd Neunfache. Ein höheres Mortalitätsrisiko wiesen auch blinde Patienten auf; lag eine Sehschärfe von mehr als 46% vor, war das Sterberisiko verringert. Eine Therapie mit Amphotericin B verringerte die Rate erforderlicher operativer Entfernungen von Eingeweiden (Exenterationen) und reduzierte das Mortalitätsrisiko. Allerdings hatten aufgrund der knappen Ressourcen nur rund zwei Drittel der Patienten Amphotericin B erhalten. Die wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung einer COVID-19-­assoziierten Mucormykose waren der Gebrauch von hochdosierten Steroiden und ein Diabetes mellitus. |

Literatur

Twinkle Choksi et al. Cumulative Mortality and Factors Associated With Outcomes of Mucormycosis After COVID-19 at a Multispecialty Tertiary Care Center in India. JAMA Ophtal 2021. doi:10.1001/jamaophthalmol.2021.5201

Tooley AA, Bradley EA, Woog JJ. Rhino-Orbital-Cerebral Mucormycosis—Another Deadly Complication of COVID-19 Infection. JAMA doi:10.1001/jamaophthalmol.2021.5202

Raut A, Huy NT. Rising incidence of mucormycosis in patients with COVID-19: another challenge for India amidst the second wave? Lancet Respir Med. 2021 Aug;9(8):e77. doi: 10.1016/S2213-2600(21)00265-4

Revankar S. Mukormykose. MSD Manual, Informationen der Merck Sharp & Dohme Corp, www.msdmanuals.com/de-de/profi/infektionskrankheiten/pilze/mukormykose, Abruf am 19. Dezember 2021

Die Organismen. Informationen des Leibniz-Insituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut, www.nrz-myk.de/mucormykosen.html , Abruf am 19. Dezember 2021

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

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