Arzneimittel und Therapie

Kein Aducanumab für Europa!

CHMP sieht von Zulassungsempfehlung für Alzheimer-Antikörper ab

mab | Das ist wohl das Aus für das lange ersehnte neue Therapeutikum bei Alzheimer: Aducanumab hat keine Zulassungsempfehlung vom Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) in Europa erhalten. Zwar hat der Hersteller Biogen noch 15 Tage Zeit, um gegen diesen Beschluss Einspruch zu erheben. Doch bereits Mitte des Jahres stand der monoklonale Antikörper in der medialen Kritik, als er trotz kontroverser Studienergebnisse die Zulassung in den USA erhalten hat.

Den 16. Dezember 2021 dürften Ärzte, Fachgesellschaften und Angehörige von Alzheimer-Patienten mit großer Spannung erwartet haben. Stand doch an diesem Tag die Entscheidung des Ausschusses für Humanarzneimittel CHMP für oder gegen eine Zulassung des Alzheimer-Antikörpers Aducanumab in Europa an. Aducanumab galt nach einer langen Durststrecke von mehr als 20 Jahren, in denen keine neuen Arzneimittel gegen Demenz entwickelt worden waren, als vielsprechendes Therapeutikum gegen das Fortschreiten der Alzheimer-Erkrankung. Der monoklonale Antikörper richtet sich gegen Amyloid-Beta, ein Protein, aus dem die in bildgebenden Verfahren nachweisbaren Plaques in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten bestehen. Intravenös als Infusionslösung verabreicht soll Aducanumab den Krankheitsverlauf von Patienten mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen oder einer leichten Demenz verlangsamen.

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Klinische Wirksamkeit nicht belegt

Bereits im Juli diesen Jahres war Aducanumab in den medialen Strudel geraten, als es trotz widersprüchlicher Studienergebnisse in den USA zugelassen wurde (s. DAZ 2021, Nr. 24, S.30). So hatten die zwei zulassungsrelevanten Phase-III-Studien mit mehr als 3000 Probanden, die placebokontrolliert entweder eine niedrige oder hohe Dosis Aducanumab erhalten hatten, zwar zeigen können, dass die Amyloid-Beta-Plaques im Gehirn der Betroffenen nach 78 Wochen Therapie kleiner wurden. Eine klinische Verbesserung der Symptomatik war aber nicht ersichtlich. Die Kritik in der Fachwelt war groß, auch weil zwischenzeitlich spekuliert wurde, dass einige Mitarbeiter der FDA in engem Verhältnis mit Biogen-Mitarbeitern gestanden hätten. Nach langem Warten hat nun auch der CHMP eine Entscheidung gefällt: gegen die Zulassung von Aducanumab in Europa. Begründet wird diese Entscheidung mit den widersprüchlichen Studienergebnissen, die keinen eindeutigen Hinweis auf eine klinische Wirksamkeit gezeigt hatten. Erschwerend kommt hinzu, dass unter Aducanumab vermehrt Hirnschwellungen und Blutungen aufgetreten sind. Nach einer aktuellen Publikation im „BMJ“ sollen mehr als 40% der mit der Hochdosis-Therapie (10 mg/kg Körpergewicht) behandelten Patienten von solchen Ereignissen betroffenen gewesen sein. Zwar waren diese bei 82,8% nach 16 Wochen nicht mehr nachweisbar. Nichtsdestotrotz ist der CHMP der Meinung, dass der Nutzen von Aducanumab die Risiken nicht überwiegt und sieht daher von der Zulassungsempfehlung ab. Der Hersteller Biogen Netherlands hat nun die Möglichkeit, innerhalb von 15 Tagen gegen diesen Beschluss Einspruch zu erheben. |

Literatur

Aduhelm. Opinion der European Medicine Agency, www.ema.europa.eu/en/medicines/human/summaries-opinion/aduhelm, Abruf am 17. Dezember 2021

Mahase E. Aducanumab: 4 in 10 high dose trial participants experienced brain swelling or bleeding. BMJ 2021. doi: 10.1136/bmj.n2975

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