Feuilleton

Eine Apotheke aus Holz

Nachhaltig bauen heißt: Holz verwenden und Strom selbst erzeugen. Ein Apotheker geht voran

mp | Im Kampf gegen die Klima­krise lohnt es sich, die Strom­versorgung und den Hausbau ins Visier zu nehmen. Johannes Lehmann baute seine Rhein-Apotheke so um, dass er seinen Strom selbstständig erwirtschaften und zusätzlich CO2 aus der Atmosphäre speichern kann. Damit folgt er einem Modell, für das auch Klimaforscher werben. Geht die Rechnung auf?

Die neue Rhein-Apotheke, nur fünf Kilometer vom Europapark Rust entfernt, muss bereit für die Zukunft sein. Dessen war sich Johannes Lehmann sicher. „Die drei Jahre des Umbaus haben zwar Nerven gekostet“, sagt der Apotheker am Telefon. „Doch es hat sich ausgezahlt.“ Während dem Gespräch ist in der Apotheke im Herzen Grafenhausens viel los. Die vierte Welle der Corona-Pandemie hält jede vollversorgende Apotheke in Atem. Aber ein paar Minuten nimmt sich der Apotheker gern.

Nach Jahren des Umbaus ging die rundum erneuerte Apotheke 2019 in Betrieb, erzählt Lehmann. Das alte Gebäude, das noch vor fünf Jahren die Rhein-Apotheke beherbergte, stand einen Meter über dem Boden. Der Grund: Am Rhein baute man lange Zeit Gebäude mit hochgezogenem Kellergeschoss, um vor dem Hochwasser geschützt zu sein. Dadurch war die Apotheke nicht barrierefrei. Früher oder später musste eine Lösung her. Als Lehmann durch einen Zufall das Nebenhaus kaufen konnte, wuchs die Idee einer „neuen“ Apotheke.

Foto: Johannes Lehmann

Die Rhein-Apotheke im Wandel: Links die historische, rechts die neue Apotheke in Kappel-Grafenhausen. Auch der linke Gebäudeteil wurde saniert und aus Vollholz gebaut.

Das Nachbarhaus wich einem eben­erdigen Holzhaus, das heute der Offizin Raum gibt. Später vereinnahmten die Sanierungsarbeiten auch die ehemaligen Apothekenbetriebsräume, in denen heute ein Kommissionier-Automat steht. Der Neubau aus Vollholz vereint die Grundstücke beider Häuser.

Beton, der verputzte Klimakiller

Aber warum Holz? Einer der am meisten unterschätzten Klimakiller könnte die Wand sein, die sich gerade rechts, links und unter Ihnen befindet, während Sie diese Zeilen lesen. Denn Ihre Mauern sind höchstwahrscheinlich aus Beton. Bei der Betonherstellung muss Zement gebrannt werden, ein Prozess, bei dem große Mengen Treibhausgas abgegeben werden. Die Baubranche ist für circa acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr, als der Flugverkehr und Rechenzentren zusammen ausstoßen.

Mit Holz zu bauen, gilt daher als eine der effektivsten Möglichkeiten, CO2 einzusparen. Das sagt auch Bundesverdienstkreuz-Träger Hans Joachim Schellnhuber. Er gilt als einer der weltweit renommiertesten Klimaforscher. Um Holz zu gewinnen, müssen Bäume wachsen. Und diese Bäume speichern CO2 aus der Luft. Wer das Holz nicht sofort wieder verbrennt, sondern als langlebige Möbelstücke oder als Haus nutzt, hat das Treibhausgas dauerhaft fixiert. Schellnhubers Appell: Zurück zum Holzhaus, zum Haus der Zukunft, das nachhaltig und zugleich ästhetisch ansprechend ist.

Foto: Johannes Lehmann

Auch die neue Offizin der Rhein-Apotheke ist geprägt vom Rohstoff Holz.

Die ökologische Rendite steigt

Wer sein Gebäude klimaverträglich saniert, kann auf staatliche Fördermittel zurückgreifen, erklärt Lehmann. Für seine neue Apotheke sei das Vollholz als Material gar nicht teurer gewesen als Beton. Geschenkt war das Projekt trotzdem nicht. Teurer als gedacht wurden die Vorkehrungen zum Brandschutz und ein ästhetisches „Update“, also die hölzerne Fassade, mit der er seine Apotheke verkleidete.

Am Telefon sagt er: „Einer der ersten Fragen, die ich regelmäßig gestellt bekomme, ist: Rechnet es sich denn?“

Dabei sei bei solchen Vorhaben zunächst wichtig, die ökologische von der ökonomischen Rendite zu trennen. „Dadurch kann ich in Ruhe bewerten, was meine Maßnahme für den Klimaschutz leistet.“ Nach dem Umbau entstanden über der Rhein-Apotheke vier Mietwohnungen. „Ohne diese wäre das Haus als Landapotheke nicht finanzierbar gewesen“, sagt Lehmann.

Weil der Apotheker einmal dabei war, seinen Betrieb nachhaltig umzurüsten, krempelte er auch die Energieversorgung um. Die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und eine Grundwasserwärmepumpe versorgen das Haus und die zwei Elektro-Autos für den Botendienst mit Energie.

Das Grundwasser kümmert sich an warmen Tagen um die Kühlung des Warenlagers, nur bei extremer Hitze muss die Klimaanlage nachhelfen. Das deckt über die meiste Zeit des Jahres den Strombedarf der Offizin. Nur an dunklen Wintertagen reicht die Sonnenenergie nicht ganz aus und etwas Ökostrom muss nachgekauft werden.

Lehmann rechnet vor: „Eine Kilowattstunde (kWh) Kohlestrom entspricht einem Kilogramm CO2. Wenn ich jährlich über das Grundwasser und die Sonne 17.000 kWh Strom erwirtschafte, erspare ich der Umwelt circa 17 Tonnen CO2.“ Somit sei klar: Schon nach wenigen Jahren ist die Ökobilanz der Photovoltaik- Module ausgeglichen, bei deren Herstellung ebenfalls CO2 frei wird.

Wenn tanken Spaß macht

Erst wenn die Ökobilanz einer Umbaumaßnahme klar sei, müsse man sich die Frage stellen, ob man sich so einen Umbau leisten kann – oder will. Hinsichtlich des Stromes ist eine wirtschaftliche Einschätzung schwer. „Niemand weiß, wie sich die Energie- und Benzinpreise in den nächsten Jahren entwickeln werden“, erklärt Lehmann. Jedenfalls steigen nach der Anschaffung der Photovoltaik-Anlage die Kosten für die Energieversorgung kaum noch. Und gelassen blickt der Apotheker auf die Benzinpreise, die immer weiter steigen. „Zurzeit macht das Tanken unserer Botendienst-Autos über das Dach richtig Freude.“

Lehmann ist wichtig, nicht nur für die Gesundheit der Patienten einzustehen, sondern auch zum Klimaschutz bei­zutragen. Denn vor Ort heiße, für die Bewohner vor Ort da zu sein. Die Rhein-Apotheke soll ein Statement gegen die Mentalität des Online-Bestellens setzen. Bereit für die Zukunft scheint sie jedenfalls zu sein. |

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