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Karl Lauterbach ist neuer Bundesgesundheitsminister

Was können die Apothekerinnen und Apotheker von dem ­polarisierenden Sozialdemokraten erwarten?

ks/cm | Karl Lauterbach hat es geschafft: Er ist der neue Bundes­gesundheitsminister. Der Sozial­demokrat, der vor seinem Einzug in den Bundestag bereits Ulla Schmidt beraten hat, hat schon lange auf das Amt geschielt – doch selbst in den eigenen Reihen trifft seine spezielle Art nicht nur auf Gegenliebe. Und so war bis zur Bekanntgabe der SPD-Ministerposten am vergangenen Montag unklar, wer Jens Spahn folgen wird.

Die Ampel-Koalition hat in Berlin das Ruder übernommen: Diese Woche Dienstag haben die Parteispitzen von SPD, Grünen und FDP sowie Olaf Scholz den Koalitionsvertrag unterschrieben, am Mittwoch wurde Scholz im Bundestag zum neuen Bundeskanzler ernannt.

Foto: imago images/photothek

Professor Karl Lauterbach Der Pandemie-Erklärer der Republik wird Gesundheitsminister der ersten Ampel-Koalition im Bund.

Seit vergangenem Montag ist auch klar, wer die SPD-Kabinettsposten bekleiden wird. Die Sozialdemokraten hatten die Personalien lange offen­gelassen – gerade im Hinblick auf das Amt des Gesundheitsministers schien dies kritisch. Schließlich hat dieses Ministerium in der Pandemie eine zentrale Bedeutung und sollte schnell handlungsfähig sein. Dass Lauterbach den Job übernehmen wollte, war unübersehbar – ebenso, dass er fachliche Expertise mitbringt. Doch offenbar zögerte Scholz. Der Rheinländer, der sich in der Pandemie in mahnender Omnipräsenz präsentiert hat, gilt in der SPD nicht gerade als einfacher Kollege, eine besondere Nähe zu Scholz gibt es ebenfalls nicht. Auch in der Großen Koalition wurde er schon als möglicher Gesundheits­minister gehandelt, ging aber stets leer aus. Lauterbach polarisiert. Dennoch: Gerade in der Pandemie wuchs seine Beliebtheit in der Bevölkerung. Und auch sein Direktmandat in Leverkusen-Köln hat er bei der vergangenen Bundestagswahl bereits zum fünften Mal gewonnen – mit deutlichen 45,6 Prozent der Erststimmen. Und: Welche Wahl hatte Scholz wirklich? Wie beliebt ist das Amt des Gesundheitsministers in der Pandemie?

Lauterbach bedankte sich bei der Ankündigung für das Vertrauen der Partei und das positive Feedback auch vonseiten der Bevölkerung. „Wir werden den Kampf gegen die Pandemie gewinnen, und für weitere Pandemien werden wir besser gerüstet sein“, gab er sich zuversichtlich. Impfen werde die zentrale Rolle spielen – „aber nicht nur“. Er sagte auch: „Mit mir wird es keine Kürzungen im Gesundheitssystem geben“. Es gelte nun, das Gesundheitswesen zu stabilisieren und für kommende Herausforderungen zu wappnen.

Tatsächlich tritt Lauterbach kein leichtes Erbe an. Abseits der Pandemie gilt es, die Digitalisierung weiter voranzubringen. Wie wird er sich zum E-Rezept positionieren? Vergangene Woche hatten einige der Gesellschafter der Gematik, darunter der Deutsche Apothekerverband, gefordert, das E-Rezept erst dann in die Fläche zu bringen, wenn es sich in Praxistests bewährt hat. Das dürfte jedenfalls zum Jahreswechsel nicht gelingen – bisher haben den Angaben zufolge lediglich 42 elektronische Verordnungen den Prozess vollständig durchlaufen. Im Koalitionsvertrag ist zum E-Rezept nur zu lesen, dass dessen Einführung beschleunigt werden soll.

Alte Wunden der Apotheker

Viele Apotheker werden mit Skepsis auf den Rheinländer im Ministeramt blicken. Schließlich mischt Lauterbach seit mehr als 20 Jahren im Gesundheitswesen mit – und er hatte in dieser Zeit immer wieder Spitzen für die Apothekerschaft übrig. Der Kölner Professor war Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) der medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, als er 1999 zum Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen berufen wurde. Diesem Gremium, das die damalige SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt beriet, gehörte er bis 2005 an. Das war die Zeit, in der unter anderem der Versandhandel mit Arzneimitteln erlaubt und das Mehrbesitzverbot für Apotheken aufgeweicht wurde, OTC aus der GKV-Erstattung fielen und das Apothekenhonorar auf Fixzuschläge umgestellt wurde – alle diese Maßnahmen hatte der Sachverständigenrat in seinem Gutachten 2000/2001 vorgeschlagen.

Ende 2002 – mittlerweile selbst seit einem Jahr SPD-Mitglied – nahm Lauterbach einen weiteren Beraterposten für Schmidt ein: Er wurde Mitglied der sogenannten Rürup-Kommission, die ausloten sollte, wie die ständig klamme GKV nachhaltig finanziert werden kann. Ihr Ergebnis im Jahr 2003 war ein „Y-Modell“: Nach einer gewissen Sanierung durch Kostendämpfung und Strukturmaßnahmen sollte die Politik entscheiden: Kopf­pauschale – für sie stand der Kommissionsvorsitzende Bert Rürup – oder Bürgerversicherung – mit ihrem Verfechter Karl Lauterbach. Bekanntlich ist bislang keine der Umstellungen erfolgt, aber die Bürgerversicherung ist unter anderem für die SPD weiterhin ein wichtiges Thema, während niemand mehr von Kopfpauschalen spricht.

Aber auch Arzneimittelthemen nahm sich Lauterbach in der Folge öfter ­öffentlich an. Noch vor seinem Eintritt in den Bundestag plädierte er beispielsweise für Rabattverträge der Krankenkassen mit Generikaher­stellern – zwei Jahre später kamen sie.

Seit 2005 im Bundestag

Angesichts seiner politischen Um­triebigkeit wunderte es kaum, dass Lauterbach im Jahr 2005 erstmals für den Deutschen Bundestag kandidierte – und auch in diesen einzog. Schon in seiner ersten Legislaturperiode zeigte sich der Sozialdemokrat streitbar. So war er etwa überzeugt, dass das 2007 von der Großen Koalition verabschiedete GKV-Wettbewerbs­stärkungsgesetz keines der wünschenswerten Ziele erreicht habe.

In seiner zweiten Legislaturperiode bekleidete Lauterbach das Amt des gesundheitspolitischen Sprechers seiner Fraktion – und das aus der Position der Opposition. Als sich 2013 die nächste Große Koalition anbahnte, war er zusammen mit Jens Spahn für den gesundheitspolitischen Part des Koalitionsvertrags verantwortlich – den sodann Hermann Gröhe (CDU) als Minister Stück für Stück umsetzte. Lauterbach wechselte zu dieser Zeit auch seine Position in der Fraktion und wurde stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Sowohl mit Gröhe als auch mit Spahn als Gesundheitsminister hat Lauterbach zahlreiche Gesetze durchgebracht.

Apotheker-Kompetenzen besser nutzen

Angst vor Reformen hat Lauterbach also sicher nicht. Eine solche könnte den Apotheken in den kommenden Jahren durchaus ins Haus stehen, wie der Blick in den Koalitionsvertrag verrät. Auch wenn der Gesundheitsteil und ganz besonders der Absatz zu den Apotheken die Handschrift der Grünen trägt, dürfte sich Lauterbach mit den dort angelegten Neuerungen im Apothekenwesen gut anfreunden können: Er fordert schon lange, die fachliche Kompetenz der Pharmazeuten stärker zu nutzen als bisher und die Vergütung so anzupassen, dass sich Beratung lohnt. So sagte er schon 2013 in einem DAZ-Interview: „Es kann nicht sein, dass Apotheker zunehmend zu Geschäftsleuten verkommen. Das liegt auch daran, dass das Honorarsystem dumm ist – oft ist es anders nicht möglich zu überleben. Apotheker sind extrem wertvolle Spezialisten im Gesundheitssystem. Die Ansprüche an die Beratung steigen – dafür müsste es aber auch einen Anreiz geben.“

Dass Spahn mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz bereits die Weichen gestellt hat für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen, dürfte Lauterbach also ins Konzept passen.

Zu den ersten Gesetzen der Ampel, die in seine Amtszeit fallen, wird eine Regelung gehören, die Apothekern die Durchführung von COVID-19-Impfungen erlaubt. Was dem folgen wird, werden wir sehen. |

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