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Arzneimittelapplikation

Rohr frei

Wie die Arzneimittelgabe über Ernährungssonden gelingt

Zu den kuriosesten Funden, die je ein Krankenhausapotheker bei einer Stationsbegehung gemacht hat, gehört das Schild mit der Aufschrift „Arzneimittel müssen zerstört werden, bevor sie über die Sonde gegeben werden dürfen“. Gemeint ist natürlich „gemörsert“, aber in manchen Fällen kommt „zerstört“ der Realität recht nahe. Die Applikation von Arzneimitteln über Ernährungssonden ist ein Thema, das galenische Grundkenntnisse erfordert, um die zahlreichen Fallen zu umgehen. Pflegepersonal ist davon meist überfordert und sucht pharmazeutischen Rat. Dabei sind solche Fragestellungen auch für Pharmazeuten nicht einfach zu beantworten – Grund genug, eine Systematik in dieses Thema zu bringen. | Von Markus Zieglmeier

In den beiden Beiträgen „Gut versorgt: Was Apotheker über enterale Ernährung wissen sollten“ und „Welche Sonde – und wohin damit? Sondenarten in der enteralen Ernährung“ in der DAZ Nr. 46 haben Sie die Grundlagen der Sonden­ernährung kennengelernt. Doch werden Patienten über Sonden versorgt, kann neben der Ernährung auch die Versorgung mit Arzneimitteln problematisch sein: Etwa 90% aller Sondenverschlüsse werden durch unsachgemäße Arzneimittelapplikation verursacht. Weitere Fehlerquellen bestehen in der Inaktivierung säureempfindlicher Arzneistoffe oder Intoxikationen durch Dose Dumping, dem zu schnellen Anfluten eines ursprünglich retardierten Wirkstoffs. Beides kann durch das Mörsern einer Darreichungsform mit magensaftresistenter oder retardierender Galenik zustande kommen. Wann immer es möglich ist, sollte daher das Mörsern vermieden und bereits gelöste Arzneistoffe bevorzugt werden. Pharmazeuten, die sich auch als Medikationsmanager verstehen, sollten eine Reihe von Fragen stellen, bevor ein Arzneimittel mit der einen oder anderen Galenik ausgewählt wird, um es durch eine Sonde zu applizieren. Der erste Fragenkomplex betrifft den Patienten und seine Medikation:

  • Sind alle verordneten Arzneimittel sinnvoll und notwendig? Besonders bei geriatrischen Patienten ist weniger oft mehr. Ein Abgleich der Medikation mit der FORTA-Liste kann sich lohnen und vieles vereinfachen.
  • Kann der Patient trotz Sonde schlucken? Bei kooperativen Patienten mit einer perkutanen Sonde ist dies vielfach möglich, sofern die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG), perkutane endoskopische Jejunostomie (PEJ) oder Feinnadelkatheterjejunostomie (FKJ) nicht wegen einer fortgeschrittenen Dysphagie gelegt worden ist – dann besteht Aspirationsgefahr! Diese besteht immer bei nasalen Sonden, die im Rachen den Schluckreflex stören können.
  • Gibt es alternative Applikationswege? Liegt ein venöser Zugang? Gibt es z. B. rektale oder transdermale Arzneiformen des betreffenden Arzneistoffs oder gleichwertiger therapeutischer Alternativen?

Der zweite Fragenkomplex betrifft die Sondenlage und das Sondenmaterial:

  • Liegt das Sondenende gastral, duodenal oder jejunal (unterschiedliches pH-Wert-Milieu)? Bei nicht gastraler Sondenlage kann eine magensaftresistente Galenik theoretisch auch gemörsert werden, da sich der Überzug im Darm ja ohnehin auflösen würde. Allerdings wäre dann besonders darauf zu achten, dass das nach dem Mörsern vorliegende Pulver bei einem niedrigen pH-Wert suspendiert wird (s. u.), da der gemörserte Überzug sonst sehr schnell quellen und eventuell die Sonde verstopfen würde. Ebenso ist bei nicht gastraler Sondenlage auf vorsichtiges Spülen und Applizieren zu achten, da das Risiko eines Dumping-Syndroms besteht.
  • Welchen Innendurchmesser hat die Sonde? Um mechanische Verstopfungen zu vermeiden, müssen das Material und der Durchmesser der Sonde berücksichtigt werden. PEG-Sonden bestehen aus Polyurethan (PU) mit vergleichsweise geringer Wandstärke, das Innenlumen liegt bei ca. zwei Dritteln des Außenmaßes, das in Charriere angegeben wird (1 CH entspricht 0,33 mm). Dasselbe gilt für nasale Polyurethan-Sonden. Nasale Sonden aus Silikonkautschuk sind dickwandiger, haben einen geringeren Innendurchmesser und sind damit problematischer, insbesondere bei der Applikation von Pellets. Sonden für die Feinnadelkatheterjejunostomie sind aufgrund ihres geringen Lumens allenfalls für flüssige Arzneiformen geeignet.
  • Wie endet die Sonde? Eine gastral in einer Olive endende perkutane endoskopische Gastrostomie ist in der Regel unproblematisch. Nasale Sonden haben meist eine abgerundete Spitze und seitenständige Öffnungen. Dadurch entsteht ein Totvolumen an der Sondenspitze, dem durch sorgfältiges Spülen begegnet werden muss. Quellende Pellets können sonst nach und nach die Öffnungen von unten her verschließen. Bei diesen Sonden ist neben dem Innendurchmesser auch die Größe der seitlichen Öffnungen relevant: Sind diese klein und oval, ist die Sonde unter Umständen für Pellets ungeeignet.
  • Besteht das Risiko von Verengungen? Dies ist z. B. bei Stenosen der (relativ seltene) Fall, die zum Abknicken der Sonde führen können. Diese ist dann gerade noch für Sondennahrung durchgängig, gemörserte Tabletten oder gar Pellets bringen das Risiko eines kompletten Sondenverschlusses mit sich.

Flüssige Arzneiformen bevorzugen

Sind diese Fragen beantwortet, kann über die geeignete Arzneiform nachgedacht werden. Da Mörsern einen großen Arbeitsaufwand darstellt und feste Arzneistoffe in Suspension mit einem höheren Risiko von Sondenverschlüssen einhergehen, sind flüssige Arzneiformen immer zu bevorzugen. Für Pharmazeuten bedeutet das auch, zu fragen: Gibt es für einen Arzneistoff, der nicht in flüssiger Form verfügbar ist, therapeutische Alternativen in flüssigen Darreichungsformen? Folgende Arzneiformen sind zu prüfen:

  • Parenteralia: In Ampullen ist ein Arzneistoff in der Regel teurer als in Tablettenform. Bei der Kostenfrage ist jedoch die Arbeitszeit für das Mörsern gegenzurechnen. Vorrangig zu klären ist, ob es sich tatsächlich in beiden Arzneiformen um denselben (säurestabilen und resorbierbaren) Arzneistoff handelt und nicht etwa z. B. um ein Prodrug. Magensaftresistent verpackte oder retardierte Arznei­stoffe können nicht durch Parenteralia ersetzt werden!
  • Tropfen und Säfte: Zu prüfen sind der pH-Wert und der osmotische Druck (Tab.). Beide Parameter können Probleme bereiten. Bei niedrigem pH-Wert können Proteine aus der Sondennahrung ausgefällt werden, bei hohen osmotischen Drücken kann der Magenpförtner (Pylorus) bei empfindlichen Patienten mit schmerzhaften Verkrampfungen reagieren. Beiden Risiken kann durch gewissenhaftes Vor- und Nachspülen mit Wasser sowie ausreichende Verdünnung begegnet werden. Problematische Beispiele sind im Kasten „Beispiele für problematische flüssige Arzneiformen“ wiedergegeben. Ein hoher Sorbitol-Gehalt, wie er sich in einigen Pipamperon-Säften findet, kann analog zur oralen Gabe zu Völlegefühl oder Durchfällen führen, die dann nicht der Sondennahrung zugeschrieben werden dürfen.
  • Emulsionen und Suspensionen: Diese Zubereitungen, zu denen einige Antibiotika-Trockensäfte gehören, sind in der Regel problemlos applizierbar.
Bereichmosmol/lpH-Wert
Speichel1276 bis 7
Magen2801 bis 2
Jejunum2858
Faeces3576 bis 7, abhängig von der Zusammensetzung der Darm­flora und der Ernährung

Mörsern, wenn nötig – aber dann richtig!

Das Thema Mörsern beinhaltet ein ständiges Konfliktpotenzial zwischen Pflege und Pharmazie. Die Vorschrift, jedes Arzneimittel einzeln zu mörsern, mit Wasser die Sonde freizuspülen, das Arzneimittel zu applizieren, nachzuspülen und dann mit dem nächsten Arzneimittel genauso zu verfahren, wird von Pflegekräften sehr kritisch hinterfragt. „Wieso der Aufwand?“, lautet die Frage, „Im Magen kommt doch ohnehin alles wieder zusammen!“ Diese Auffassung ist falsch. Einige Krankenhausapotheker demonstrieren in Pflegevorträgen gerne, was passiert, wenn man in konzen­trierten Lösungen große anionische und große kationische Wirkstoffe zusammenbringt. Es bildet sich ein Niederschlag, der nur schwer oder gar nicht wieder in Lösung zu bringen ist. Im Magen geschieht dies nur in vernachlässig­barem Umfang, wenn die Arzneistoffe getrennt voneinander dem Mageninhalt zugefügt werden.

Ähnlich umstritten ist die Wahl des Mörsers. Die raue Reibschale, in deren Poren niedrig dosierte Arzneimittel zu hohen Prozentsätzen verloren gehen können, hat noch immer viele Anhänger. Deutlich billiger und besser in der Handhabung ist aber der Plastikmörser. Die Tablette wird hineingegeben, der Schraubdeckel auf- und wieder abgeschraubt, die pulverisierte Tablette in Wasser suspendiert und mit einer Spritze aufgenommen. Der Mörser wird mit einem feuchten Papiertuch ausgerieben und ist bereit für die nächste Tablette. Eine Reinigung in heißen Spülmaschinen sollte vermieden werden.

Beispiele für problematische flüssige Arzneiformen

Angestrebt werden sollte eine Osmolarität von 300 bis 400 mOsmol/l (max. 600 mOsmol/l). Bei Bolusgaben von Flüssigkeiten mit einer höheren Osmolarität in den Magen können Übelkeit und Erbrechen auftreten. Das Jejunum toleriert nur Osmolaritäten ≤ 300 mosmol/l. Bei extremer Überschreitung der physiologischen Osmolarität (s. Tab.) kann es zu Nekrosen der Schleimhäute im Magen-Darm-Trakt kommen. Damit stark hypertone Flüssigkeiten für den Gastrointestinaltrakt von Sondenpatienten tolerabel sind, müssen sie auf 500 bis 600 mosmol/l verdünnt werden.

  • Ergenyl Lösung 4287 mOsmol/l
  • Ferro sanol Tropfen 3586 mOsmol/l
  • Paracetamol ratio Lösung 4970 mOsmol/l
  • Digimerck Tropfen 7637 mOsmol/l

Bei diesen Beispielen für flüssige Arzneiformen, die verdünnt werden müssen, ist das Risiko des Ausfällens von lipophilen Arzneistoffen zu beachten.

Auch die Grenzen des physiologischen pH-Wertes müssen beachtet werden, da es zum Ausfällen von Proteinen aus der Nahrung kommen kann:

  • Atosil Tropfen pH-Wert: 2,3
  • Mucosolvan Tropfen pH-Wert: 2,8
  • Ergenyl Lösung pH-Wert: 9,0
  • Diazepam Tropfen pH-Wert: 9,2

Vor dem Mörsern sollte man sich eine feste orale Arzneiform genau ansehen, um herauszufinden, worum genau es sich handelt.

  • nicht überzogene, schnell freisetzende Tabletten: Es sind keine Probleme zu erwarten.
  • Dragees: Ebenso unproblematisch, der Überzug aus Zucker hat keinen Einfluss.
  • Filmtabletten: Generell neigt jeder Filmüberzug zum Quellen, insbesondere nach dem Mörsern, das die Oberfläche des Films vergrößert. Um Sondenverschlüsse zu vermeiden, sollte schnell gearbeitet und gut nachgespült werden. Fälle, in denen Filmüberzüge einen Lichtschutz gewährleisten sollen (Nifedipin, Fluphenazin, Disopyramid), sind selten geworden, da diese Stoffe kaum mehr eingesetzt werden.
  • magensaftresistente Überzüge von Tabletten und Pellets: Mörsern zerstört die schützenden Überzüge. Bei gastraler Sondenlage führt dies meist zur Inaktivierung des Wirkstoffs. Auch bei duodenaler oder jejunaler Sondenlage ist zu beachten, dass das Quellen des Überzugs die Sonde verstopfen kann. Ein typisches Beispiel sind Protonenpumpeninhibitoren. Hier wurde das Problem durch die MUPS-Galenik (Multiple Unit Pellet System) gelöst. Ein Mörsern ist in diesem Fall nicht notwendig, die Tablette zerfällt in Wasser in Mikropellets. Um ein Quellen in der Sonde zu verhindern, sollte das Wasser vorher mit etwas Ascorbin- oder Zitronensäure versetzt werden.
  • Retardtabletten und -pellets: Die Retardierung wird durch das Mörsern zerstört, der Arzneistoff wird statt innerhalb von 12 bis 24 Stunden sofort freigesetzt und resorbiert. Dieser als Dose Dumping bezeichnete Effekt kann zu Überdosierungen bis hin zur Intoxikation führen. Ein Sonderfall analog zur MUPS-Galenik sind Tegretal Retardtabletten, die in Wasser zu retardierten Mikro­pellets zerfallen.
  • Hartgelatinekapseln: Hier ist zu klären, womit die Kapseln gefüllt sind. Pulver können unmittelbar suspendiert und appliziert werden. Pellets sind als eigene Arzneiform zu betrachten.
  • Pellets: Um nicht vom Pylorus lange im Magen zurückgehalten zu werden, müssen moderne Pellets kleiner als 2 mm sein. Damit sind sie über großlumige Sonden in unveränderter Form applizierbar (cave Totvolumen, s. o.). Ist dies wegen einer zu kleinlumigen Sonde nicht der Fall, muss nach Alternativen gesucht werden, wenn es sich um magensaftresistente oder retardierte Arzneiformen handelt.
  • Sublingual- und Buccaltabletten: Diese Arzneiformen sind nicht zur Anwendung über Sonden vorgesehen, der Wirkstoff (z. B. Fentanyl) soll über die Mundschleimhaut resorbiert werden. Sofern der Patient also kooperativ und die Schleimhaut intakt ist, erfolgt die Anwendung bestimmungsgemäß. Anzumerken ist, dass nicht alle Schmelztabletten über die Mundschleimhaut resorbiert werden sollen. Insbesondere bei Psychopharmaka soll der schnelle Zerfall lediglich verhindern, dass Patienten die Tablette unter der Zunge verstecken und in einem unbeaufsichtigten Moment wieder ausspucken. Solche Tabletten zerfallen auch ohne Mörsern in Wasser und können über die Sonde appliziert werden.
  • Brausetabletten und Granulate: Die Applikation ist nach dem Auflösen problemlos, es sollten mindestens 50 bis 100 ml Wasser verwendet werden. Das Kohlendioxid sollte vor der Sondengabe großenteils entwichen sein. Bei einigen Granulaten (z. B. MST-Granulat) ist die Menge des Lösungsmittels dosisabhängig genau vorgeschrieben.
  • Weichgelatinekapseln: Hier ist besonders genau zu prüfen, ob das Arzneimittel wirklich sinnvoll ist. Vitamin D3 beispielsweise kann durch ölige Tropfen zugeführt werden. Auch für Ciclosporin A gibt es flüssige Zubereitungen.

Das chronisch überlastete Pflegepersonal ist dankbar für jede Vereinfachung des komplizierten Prozesses der Sondengabe. Man sollte daher Tabletten, die übrig geblieben sind und entsorgt werden sollen, dazu verwenden, die Geschwindigkeit ihres Zerfalls in Wasser zu prüfen. Neben den oben genannten Beispielen der MUPS-Galenik von Omeprazol und der Mikropellet-Galenik von Carbamazepin sind unter anderem für Lasix Tabletten, Cotrim forte ratiopharm und Novodigal Tabletten ein so schneller Zerfall beschrieben, dass das Mörsern oder die Suche nach flüssigen Arzneiformen entfallen können. Die Vorgehensweise ist dann folgende: Die Spritze wird schräg in ein Glas gestellt und der Stempel entfernt. Die Tablette (oder auch das Pulver aus einer Kapsel) wird von hinten in die Spritze eingefüllt. Der Stempel wird wieder eingeführt und dann Wasser angesaugt. Sobald die Suspension (viele Hilfsstoffe sind nicht wasserlöslich) homogen erscheint, wird das Arzneimittel in die vorgespülte Sonde gespritzt und gut nachgespült.

Problemfälle werden zu Anfragen in der Apotheke

Oft, wenn das Pflegepersonal überfordert ist, landen die Problemfälle in der Apotheke. Ein solcher Fall ist die Frage, wie man eine Retardgalenik, die nicht zum Mörsern geeignet ist, durch ein unretardiertes, wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen kann. Zur Dosisfindung ist folgendes Vorgehen möglich: Die gesamte Tagesdosis des Wirkstoffs wird errechnet und in Dosisintervalle aufgeteilt, die dem 1,5-Fachen der durchschnittlichen Eliminationshalbwertszeit der unretardierten Form entsprechen. Rundungen sind erlaubt.

Rechenbeispiel Theophyllin:
Ein COPD-/Asthma-Patient, der zweimal täglich 400 mg Theophyllin retard bekommen hat, ist nun Sondenpatient. Die Sonde ist zu eng für die Pellets aus Bronchoretard Kapseln. Was kann man tun?
Tagesgesamtdosis: 800 mg
Halbwertszeit von Theophyllin (lt. Fachinfo): vier bis fünf Stunden (weitere Rechnung mit vier Stunden)
4 Stunden × 1,5 = 6 Stunden.

Um die Anzahl der Tagesdosen zu berechnen, werden 24 Stunden durch das Dosisintervall geteilt: Im Beispiel sind das 24 : 6 = 4 Tagesdosen. Folglich wird die Gesamttages­dosis in vier Einzeldosen zu 200 mg aufgeteilt, die alle sechs Stunden appliziert werden. Eine flüssige Theophyllin-Darreichungsform wird nach dem oben geschilderten Schema gesucht und in Solosin Tropfen gefunden.

Ein anderes Beispiel für eine Anfrage kann bei einem Patient kommen, der unter einer Pankreasinsuffizienz leidet: Wie gibt man Pankreatin (z. B. Kreon) über die Sonde, wenn die Sondennahrung kontinuierlich appliziert wird?

Antwort: Gar nicht.

Diese Patienten brauchen eine Sondennahrung mit vorverdauten Proteinen und mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Fette), die leichter verdaulich sind. Dann ist die Zugabe von Verdauungsenzymen in der Regel nicht notwendig.

Ist die Sonde noch zu retten?

Ebenfalls häufig und oft mit dem Unterton der Verzweiflung gestellt, ist die Frage: Wie rettet man eine verstopfte Sonde? In vielen Fällen muss eine Sonde, die durch unsachgemäße Applikation von Arzneimitteln verstopft wurde, gezogen und neu gelegt werden. Methoden, dies zu vermeiden, werden in Pflege und Krankenhauspharmazie intensiv diskutiert. Der Versuch, mit Wasser oder Preiselbeersaft unter hohem Druck zu spülen, ist meist nicht zielführend. Berichten aus der Pflege zufolge hat das Spülen mit Cola eine höhere Erfolgsquote. Eine weitere Option ist der Einsatz proteolytischer Enzyme, zunächst in Form von Pepsinwein. Dies ist insbesondere dann vielversprechend, wenn der Sondenverschluss durch Ausfällung von Proteinen zustande gekommen ist. Als ultima ratio gilt folgendes Verfahren: Pellets mit Pankreasenzymen werden gemörsert und in verdünnter Natriumhydrogencarbonat-Lösung aufgeschwemmt (in Ampullen erhältlich, bei einem pH-Wert von ca. 8,5 liegt das Wirkungsoptimum der Pankreasenzyme). Die Suspension wird vorsichtig in die Sonde gespritzt. Die Betonung sollte hier auf „vorsichtig“ liegen, da verspritzte Verdauungsenzyme Schäden auf Haut und Schleimhäuten verursachen können. Ungeachtet der theoretischen Überlegung, dass der magensaftresistente Filmüberzug der Pellets bei einem pH-Wert von 8,5 sofort zu quellen beginnt und damit per se das Risiko von Sondenverschlüssen in sich trägt, scheint diese Methode Berichten zufolge noch die höchste Erfolgsquote zu haben.

Spätestens wenn es gelungen ist, eine Sonde zu retten, ist der Stellenwert pharmazeutischer Beratung beim Pflege­personal etabliert. Dann werden sogar die unbequemen Tatsachen, z. B. die Notwendigkeit des einzelnen Mörserns von Tabletten, irgendwann akzeptiert. Der Patient kann davon nur profitieren.

Literaturtipp

Durch die Sonde ...

... soll das Arzneimittel. Ohne sie zu verstopfen oder Interaktionen mit anderen Arzneimitteln zu verursachen. Und: die Zubereitung muss einfach sein! Bei der Umsetzung und Herstellung von Sondenlösungen für Arzneimittel stellen sich meist viele Fragen:

  • Darf ich die Tabletten zermörsern?
  • Wie stelle ich eine applikationsfertige Lösung her?
  • Gibt es Interaktionen mit der Nahrung?

Ein erfahrenes Autorenteam hat hierzu viele relevante Daten gesammelt. Monographieartig aufbereitet finden Sie Angaben zur Herstellung applikationsfertiger Sondenlösungen für viele Arzneistoffe und ca. 1200 Fertigarzneimittel.

Von Maria-Franziska Flock, Veit Eck, Monika Zerres und Constanze Schäfer (Hrsg.)

Sondenapplikation von Arzneimitteln

424 S., 5 s/w Abb., 150 s/w Tab., 11,5 × 16,5 cm, flexibel,

ISBN 978-3-8047-2374-0, 38,00 Euro

Wissenschaftliche Verlags­gesellschaft Stuttgart 2010
 

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Dem Verstopfen vorbeugen

Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollten Sonden vor und nach jeder Mahlzeit und Arzneimittelgabe mit 30 bis 100 ml Wasser gespült werden, das zwischen 18 °C und 30 °C temperiert ist. Werden mehrere Arzneimittel hintereinander durch die Sonde gegeben, so wird zwischen jeder Applikation mit 10 bis 20 ml Wasser nachgespült. Das regelmäßige und standardisierte Spülen mit geeigneten Spüllösungen beugt Infektionen und dem Verstopfen vor. Um das Risiko einer Verstopfung weiter zu minimieren, sollte

  • nur geeignete Sondenkost verwendet werden, keine pürierte Normalnahrung,
  • auf ausreichende Zerkleinerung der durch die Sonde gegebenen Arzneimittel geachtet werden,
  • keine Nährlösungen, Spüllösungen und/oder Arzneimittel miteinander gemischt werden. |


Literatur beim Verfasser

Autor

Dr. Markus Zieglmeier, Apotheker, studierte Pharmazie an der LMU in München, war von 1989 bis 2020 in der Apotheke des Klinikums Bogenhausen und ist heute in den Dr. Grünberg Apotheken Erding/Ebersberg/München tätig; Promotion zum Dr. rer. biol. hum.; Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Zusatzbezeichnungen: Medikationsmanager BA KlinPharm, Ernährungsberatung und Geriatrische Pharmazie. Seit 2002 ist er verstärkt als Referent und Autor tätig.

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