Rezension

Aus der Geschichte lernen

Eine Doppelbiografie, die zum Weiterdenken anregt

2021 ist nicht nur für die Medizinhistoriker ein besonders interessantes Jahr. Zwei der größten ­deutschen Gelehrten haben ihren 200. Geburtstag: Der Pathologe und Universalgelehrte Rudolf Virchow (1821 – 1902) und der Physiologe und „Reichskanzler der Physik“ Hermann von Helmholtz (1821 – 1894). Deshalb ist es berechtigt, ja notwendig, zum Leben und Wirken dieser bedeutenden Wissenschaftler aussagekräftige Bücher zu verfassen, um eine breite Öffentlichkeit darüber zu informieren.

Einer solchen Aufgabe haben sich zwei bekannte Autoren gestellt: Zum einen der Journalist und bekannte Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer. Zum anderen der international renommierte Mediziner Detlev Ganten, ehemaliger Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, Gründungs­direktor des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin und ehemaliger Vorstand der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Das jetzt vorliegende Buch verbindet diese zwei Biografien mit der Darstellung der Medizin von den Anfängen in der Antike in Griechenland und in Rom sowie den arabischen Einflüssen bis hin zu der berühmten „Berliner Schule der Medizin“ an der Charité des 19. Jahrhunderts. Dass diese Ber­liner Schule die Charité und damit Berlin zu einem „Mekka“ der Medizin machte, daran haben Virchow und von Helmholtz wesentlichen Anteil. Diese Berliner Schule wurde weltberühmt durch die systematische und inter­disziplinäre Einbeziehung der damals entstehenden modernen Naturwissenschaften: Biologie, Chemie und Physik. Gleichermaßen bedeutsam war, dass es nicht nur um die medizinische Forschung per se ging, sondern dass es eine dem Menschen zugewandte „humane“ Medizin war. „Medizin ist eine soziale Wissenschaft“ war der berühmte Ausspruch von Virchow. Berlin wurde zu dieser Zeit eine gesundheitspolitisch und hygienisch vorbildliche Stadt.

Das Buch bleibt jedoch nicht bei den geschichtlichen Betrachtungen stehen, sondern geht auch in verständlicher Weise auf neueste Forschungsergebnisse ein. Das betrifft die personalisierte Medizin, moderne Erkenntnisse der Zellbiologie „Virchow 2.0“, Genomforschungen ebenso wie Konsequenzen aus der gegenwärtigen Pandemie.

Die Idee der Humanmedizin

Der Epilog des Buches mit dem Titel „Die Suche nach dem Gleichgewicht“ regt zum Nachdenken an: Von Helmholtz forderte das Gleichgewicht zwischen Geistes- und Naturwissenschaften als Voraussetzung für eine gesunde Wissenschaftsentwicklung. Dieser Gedanke findet sich gleichermaßen bei Virchow in dem von ihm geforderten biologischen Gleichgewicht zwischen den Zellen als Basis für einen gesunden Organismus. Dieses Prinzip der Homöostase ist eine grundsätz­liche Voraussetzung für präventives Denken. Diese ist gerade jetzt für die Gestaltung der Beziehungen zwischen Gesundheit, Klima und Umwelt essenziell. Deshalb bietet dieses Buch zahlreiche Anregungen für Diskussionen zur Zukunft der Medizin. Das verbindende Credo ist dabei das humane Prinzip „Die Medizin ist immer für den Menschen da“. Dadurch wird aus der Schule der „Medizin“ des 19. Jahrhunderts eine holistisch konzipierte Schule der „Gesundheit“, die in Berlin mit dem World Health Summit globale Verantwortung übernimmt.

Von Ernst Peter Fischer und Detlev Ganten

Die Idee des Humanen

Rudolf Virchow und Hermann von Helmholtz

Das Erbe der Charité

264 S., 14,0 × 21,0 cm, gebunden, 26,00 Euro,

ISBN 978-3-7776-2902-5

S. Hirzel Verlag 2021
 

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Insgesamt ist dieses Buch eine interessante und lesenswerte Verbindung von individuellen Biografien, mit originellen Bezügen zur Medizin- und Wissenschaftsgeschichte, aktuellen Bezügen sowie Zukunftsgedanken. Zahlreiche, bisher wenig bekannte Fakten versprechen auch vergnügliche Aha-Effekte.

Das Buch ist für anspruchsvolle Leser empfehlenswert, auch außerhalb der Medizin. Vom Hirzel Verlag wurde es solide gestaltet, ist bebildert und hat auf dem Cover eindrucksvolle Bild­nisse von Rudolf Virchow und Hermann von Helmholtz. |

Prof. Dr. Peter Oehme

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