Aus den Ländern

„Geld ist nicht alles, aber eine wesentliche Grundlage“

TGL Nordrhein: Heidrun Hoch verabschiedet sich als Vorsitzende

eda | Bis 2029 müssen mehr als 28.000 zusätzliche Apothekerstellen besetzt werden. Diese Ansage machte ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz vor wenigen Wochen auf dem Deutschen Apo­thekertag. Dass diese Lücke vom Berufsnachwuchs nicht gefüllt werden kann, ist auch Heidrun Hoch bewusst, die auf Jahreshauptversammlung der TGL Nordrhein am Mittwoch, den 27. Oktober 2021 ihre letzte Rede als Vorsitzende hielt. Laut Umfrage vertreten mehr als die Hälfte der TGL-Mitglieder die Auffassung, dass dem Fach­kräftemangel nicht durch Lohn­erhöhungen zu begegnen sei. „Wenn wir es nicht übers Geld regeln, wie regeln wir es dann?“, fragte Hoch.
Foto: Alois Müller

Dr. Heidrun Hoch war 15 Jahre lang Vorsitzende der TGL.

In Nordrhein-Westfalen sind die Apotheken und Berufskolleginnen und -kollegen nicht nur zwei Kammern und zwei Verbänden zugeordnet. Das bevölkerungsreichste Bundesland verfügt auch über eine eigene Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter in Nordrhein – kurz TGL. Sie unterstützt Apothekeninhaber in arbeitsrechtlichen Fragestellungen und verhandelt mit der Apothekengewerkschaft Adexa einen eigenen Tarifvertrag aus. 15 Jahre war Heidrun Hoch Vorsitzende. Auf der Jahreshauptversammlung am vorletzten Mittwoch übergab sie ihr Amt an Constantin Biederbick, der zuvor ihr Stellvertreter war. Neuer Stellvertreter ist Sebastian Berges. Heidrun Hoch wurde zugleich Ehrenvorsitzende.

Erfolgreiches Krisen­management

Seit vielen Jahren ist Hoch auch als Delegierte in der Apothekerkammer Nordrhein aktiv, zeitweise war sie auch im Kammervorstand. Ihre standespolitische Leidenschaft ließ sie stets in ihre Arbeit als TGL-Vorsitzende einfließen. Auf Deutschen Apotheker­tagen trug sie regelmäßig Wortmeldungen und auch Ad-hoc-Anträge bei. Ende Januar 2020 – also kurz vor Beginn der Corona-Krise in Deutschland – hatte die Jahresversammlung der TGL Nordrhein zuletzt getagt. Damals „ahnten wir nicht, was alles auf uns zukommen wird“. Mit diesen Worten eröffnete Heidrun Hoch ihre Rede eineinhalb Jahre später bei der Jahreshauptversammlung am vorletzten Mittwoch. Plötzlich „überrollten uns die Ereignisse und waren wir vor immer neue Aufgaben gestellt. So beschrieb Hoch den Beginn der Pandemie. In kürzester Zeit haben Apotheken Infektionsschutzsysteme aufgebaut, Desinfektionsmittel hergestellt, Schutzmasken verteilt, Teststrategien und Impfstoffversorgung realisiert und für die Bevölkerung Impfnachweise digitalisiert. Um „Fels in der Brandung“ zu sein, mussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „unbedingt mitziehen und bei der Stange bleiben“ und konnten nicht etwa aus Angst vor Ansteckung nicht zur Arbeit kommen.

Recht auf Verlässlichkeit

Im Rückblick auf die eineinhalb Jahre Corona-Krise konstatierte die TGL-Vorsitzende: „Es tut uns gut, dass unser Stellenwert endlich wieder einmal erkannt worden ist, auch von der Politik.“ Der Erfolg im Krisenmanagement habe den Apotheken den Rücken gestärkt. „Ich denke, wir können jetzt selbstbewusster in die Zukunft schauen.“

Neben Corona fielen auch die Pleite des Apothekenrechenzentrums AvP in die Zeit sowie die Hochwasserkatastrophe, die vor allem in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wütete. All das habe gezeigt, „wie schnell Existenzen zerbrechen können“. Auch Mitglieder der TGL waren betroffen. „So mussten wir wieder einmal feststellen, dass es die Sicherheit, die wir uns alle wünschen, leider nicht gibt.“

Doch dies alles würde gleichzeitig nicht bedeuten, dass Apotheken nicht das Recht auf Verlässlichkeit hätten. „Immer wieder haben wir unter Beweis gestellt, dass man sich auf uns verlassen kann. Im Gegenzug können wir von der Politik erwarten, dass sie verlässliche Rahmenbedingungen schafft“, betonte Hoch. Dazu zählt für sie vor allem eine verlässliche Honorierung. „Wir fordern das nicht nur für uns, auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, denn auskömmliche Gehälter seien die Voraussetzung dafür, dass Leistungsträger gehalten werden können. Darüber hinaus brauche es verlässliche Grenzen für den Versandhandel – gerade jetzt vor Einführung des E-Rezepts. Fünf Jahre nach dem EuGH-Urteil zur Arznei­mittelpreisbindung sei „nichts in trockenen Tüchern“ (DAZ 2021, Nr. 41, S. 26). Und weiter: „Rechtssicherheit hätte es nur durch ein Rx-Versandverbot gegeben, und das haben wir nicht.“

Von der Nicht-Einhaltung der Vereinbarung im letzten Koalitionsvertrag spreche heute niemand mehr. Darüber hinaus könne man noch nicht wissen, „ob das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz hält, was es verspricht“. Der PKV-Bereich sei in der Rx-Boni-Regelung außen vor und DocMorris habe vorsorglich schon einmal angekündigt, gegen das Verbot unionsrechtlich angehen zu wollen. Aus Hochs Sicht war die Streichung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG, das die Gleichpreisigkeit auch auf ausländische Versender bezieht, ein großer Fehler. „Jetzt müssen wir abwarten, was kommt.“

Foto: Alois Müller

Der neue Vorstand: Max Breuer, Sebastian Berges (stellv. Vorsitzender), Nicola Ciliax-Kindling, Constantin Biederbick (Vorsitzender), Wolf Wagner (Schatzmeister) (v. l.)

Kraftakt E-Rezept

Im Hinblick auf die Einführung der E-Rezepte sieht Heidrun Hoch noch gesetzgeberischen Nachbesserungs­bedarf, „sonst könnten die Vor-Ort-Apotheken wieder im Nachteil sein“. Sie verwies in dem Zusammenhang auf zwei Anträge, die beim Deutschen Apothekertag 2021 beschlossen wurden – beide initiiert von der Apothekerkammer Nordrhein.

In dem einen geht es um die Schärfung des Makelverbots, insbesondere um die rechtliche Stellung sogenannter Drittanbieter; in dem anderen um die Verordnungs- und Distributionshoheit. Dabei wies Heidrun Hoch auf die Kooperationen, wie Teleclinic mit DocMorris und Zava mit der Shop Apotheke, hin.

Herausforderung Fachkräftemangel

Den größten Teil Ihres letzten Berichts vor der Jahreshauptversammlung widmete die scheidende TGL-Vorsitzende Heidrun Hoch dem Thema „Fachkräfte­mangel“. Eingangs verwies sie auf die Aussage von ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz, dass von 2019 bis 2029 ein altersbedingter Ersatzbedarf an zusätzlichen Apothekern von bis zu 28.400 Vollzeitäquivalenten bestehe. Zeitgleich würde man aber nur 20.000 bis 23.000 neue Approba­tionen erwarten (DAZ 2021, Nr. 39, S. 47). In diesem Zusammenhang verwies sie auf einen DAZ-Kommentar, der die Nachwuchssorgen folgendermaßen auf den Punkt brachte: „Guter Rat ist hier im wahrsten Sinne des Wortes wirklich teuer: Nur wenn dem pharmazeutischen Personal in den öffentlichen Apotheken Gehälter geboten werden, die mit denen anderer Berufe konkurrieren können, wird sich das Nachwuchsproblem lösen lassen.“

Geld sei zwar nicht alles, so Hoch, aber eine wesentliche Grundlage. Wenn junge Menschen sich für einen Beruf entscheiden, schauten sie nicht nur interessengerichtet, sondern sie informieren sich auch über Verdienstmöglichkeiten – erst dann nach den Arbeitsbedingungen. Selbst, wenn die Zahl an Studien- und Ausbildungsplätzen erhöht werde, könnte sich damit nicht unmittelbar die Anzahl der Berufsabsolventen, die in die öffentliche Apotheke wollen, steigern lassen. Derzeit entscheide sich nur ein Drittel der Approbierten für eine Tätigkeit in der Apotheke. Dazu komme der immer häu­figer geäußerte Wunsch nach Teilzeit.

Hoch fürchtet, Angebot und Nachfrage würden hier langfristig den Preis bestimmen, „soweit das nicht jetzt schon zu spüren ist“. Die Apothekenleiter fühlten sich zunehmend erpressbar. Doch einer Umfrage unter TGL-Mitgliedern zufolge, würden mehr als die Hälfte von ihnen eher nicht die Meinung haben, dass dem Fachkräftemangel durch Lohnerhöhungen zu begegnen sei. „Wenn wir es nicht übers Geld regeln, wie regeln wir es dann?“, fragte Heidrun Hoch.

Als Tarifpartner bei den Verhandlungen mit der Apothekengewerkschaft Adexa sind der TGL offenbar seit vielen Jahren die Hände gebunden: Der Fixaufschlag wurde in 17 Jahren nur ein einziges Mal, nämlich 2013, um 25 Cent erhöht, während die Kosten überproportional gestiegen seien.

Die Zulagen für Nachtdienst, Rezeptur und Botendienst konnten die Teuerungsrate nicht kompensieren. „Vielmehr hat uns der Gesetzgeber mit zusätzlichen Dienstleistungen oder bürokratischen Vorgaben weiter belastet“, so Hoch. Dennoch sei es über die Jahre gelungen, den Spagat zwischen Lohnforderungen und Wirtschaftlichkeit „irgendwie hinzukriegen“. Inzwischen sei man aber an Grenzen gestoßen.

Als einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma bringt Hoch einen Basis- oder Sockelbetrag ins Spiel, der zumindest da eingesetzt werden könnte, wo es nötig erscheint. Dazu zählt sie auch leistungsbezogene Gehaltsanteile und die Implementierung von Fort- und Weiterbildungsmodulen.

Außerdem hat sie einen weiteren Denkansatz mit „Außenwirkung“. So gut wie alle Apotheken würden inzwischen „über Tarif“ zahlen, was außerhalb der Branche aber so gut wie keiner wisse. „Hier könnten wir einen positiven Effekt erreichen, wenn wir die tarifliche Tabelle an die tatsächlich gezahlten Löhne schrittweise annähern würden“, schlug Hoch vor. Das ginge jedoch nur, wenn zeitgleich übertarifliche Anteile in gleicher Weise zurückgefahren werden könnten. Von diesem Vorschlag verspricht sich Hoch, dass damit die Schere nach und nach geschlossen werden könnte, und nicht weiter auseinandergehe. „Vielleicht wäre es tatsächlich klüger, sich ein wenig ‚ehrlicher‘ zu machen“, gibt sie zu Bedenken. Dies habe man ohnehin schon bei den Zulagen für Filialleiterinnen und -leiter ein Stück weit geschafft. „Zumindest haben wir die Erwartung herunterfahren können, dass auf tarifliche Vereinbarungen immer noch ein deutliches Schippchen obendrauf kommen muss!“

Abschließend wies sie daraufhin, dass die ABDA sich nun auch vorgenommen habe, ein abgestimmtes, ineinandergreifendes Konzept zur Nachwuchsgewinnung zu entwickeln. „Das finde ich gut!“ In jedem Fall wolle Hoch allen Mut machen: „Die Pandemie hat doch gezeigt, dass wir mit Krisen umgehen können. So werden wir Herausforderungen erst recht dann bestehen, wenn wir bei erkennbaren Schwierigkeiten frühzeitig gegensteuern. Auch wenn das manchmal unbequem ist.“

Im Anschluss an die Jahreshaupt­versammlung bekräftigte Hoch gegenüber der DAZ, dass sie mit einer positiven Stimmung und einem guten Gefühl ihre Vorstandstätigkeit an ihren Nachfolger weitergebe. „Das Haus ist bestellt. Ich habe wichtige Weichen für die Zukunft stellen können.“ In ihrer Amtszeit habe sie „wertvolle“ Beziehungen zur Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) knüpfen können. Auch zu Adexa sei das Verhältnis inzwischen „hervorragend“. Bei all ihren Aktivitäten, habe Hoch ihr standespolitisches Know-how ein­setzen wollen und auch können.

Sterbegeldverein und LOB-Konzept

Hoch berichtete außerdem, dass für den Sterbegeldverein (StGV) der TGL inzwischen Freiwillige gefunden werden konnten, die seit dem 6. Oktober 2021 als Vorstand eingesetzt sind. Ebenfalls positive Nachrichten konnte die Vorsitzende für das von der TGL ausgearbeitete LOB-Konzept vermelden: Der Tarifvertrag zur leistungsorientierten Bezahlung (LOB) wurde zusammen mit Adexa erarbeitet und trat bereits 2012 in Kraft. Besondere Mitarbeiterleistungen sollen demnach besonders wertgeschätzt und honoriert werden. Hierfür gab es Anerkennung aus Richtung des Unternehmerver­bandes NRW. So äußerten sich die Geschäftsführerin für Tarifpolitik/Tarifrecht bei Metall NRW, Andrea Krause, und auch Axel Hofmann, Verbands­ingenieur und Dipl.-Psychologe positiv. Beide hatten die TGL 2019 zu Beginn eines Workshops zur Überarbeitung des Konzepts unterstützt.

In Sachsen sei das Konzept bereits vor einigen Jahren auf Interesse gestoßen. Zur Erinnerung: In Sachsen existierte bisher keine Tarifbindung, doch man habe inzwischen erfolgreich verhandeln können und hoffe auf einen baldigen Abschluss. Auch ein Tarifvertrag LOB sei vorgesehen. „Genau der, wie wir ihn haben“, zeigte sich Hoch stolz. |

Das könnte Sie auch interessieren

Nachwuchs für Apotheken gewinnen – TGL-Ehrenvorsitzende Hoch hat Vorschläge

Gehaltstarife anpassen

Arbeitgeberverband TGL Nordrhein diskutiert aktuelle Lage

Gegen das Honorargutachten angehen

TGL Nordrhein und Adexa einigen sich im Grundsatz – Details sind noch zu verhandeln

Nordrhein: Filialleiter sollen eigenen Tarif bekommen

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.