Praxis

Digitalisierung trifft „Handwerk“

Welches digitale Potenzial in Labor und Rezeptur steckt

Von Beate Riek | Beim Thema „Digitalisierung der Apotheken“ denkt man nicht zuallererst an Labor und Rezeptur, wo echtes „Handwerk“ betrieben wird. Doch auch hier ist die Digitalisierung längst angekommen – sei es in Form einzelner Geräte oder in vernetzten Systemen.

Informationen in digitaler Form zu suchen, ist heute ein üblicher Weg. Auf (fast) jede Frage kennt das Internet eine Antwort – ob sie richtig ist, steht auf einem anderen Blatt. Bei Online-Recherchen ist es deshalb entscheidend, ausschließlich seriöse Quellen zu nutzen – gerade wenn es um die Anwendung von Arzneistoffen geht. Auf der sicheren Seite ist man natürlich mit den klassischen Nachschlagewerken für Labor und Rezeptur: Sowohl die Arzneibücher als auch DAC/NRF sind inzwischen digital zugänglich, entweder als Softwareinstallation auf dem lokalen Rechner oder mittels Online-Zugang im Web. Im Vergleich zum Printwerk geht die Suche oft schneller und zielgerichteter, und häufig sind in den Online-Bereichen sogar hilfreiche Zusatzinfos zu finden, wie z. B. die Rezepturhinweise des DAC/NRF.

Foto: sofiko14/AdobeStock

Eine Datenbank für alles

Doch auch andere Quellen bieten wissenschaftlich fundierte Informationen zu Rezeptursubstanzen. Wer z. B. eine Wirkstoffdosierung für ein Kleinkind sucht, wird häufig in den Pädiatrischen Dosistabellen fündig, die nicht nur als Kitteltaschenbuch, sondern auch als Datenbank in DrugBase verfügbar sind. Überhaupt ist DrugBase eine gute Recherchequelle, weil dort verschiedene wissenschaftliche Werke in digitaler Form zugänglich sind, z. B. Normdosen, Arzneimittelprofile oder Arzneidrogenprofile etc. Jede Apotheke kann sich die Bausteine zusammenstellen, die für sie von praktischem Nutzen sind, und diese dann über denselben Portalzugang erreichen.

Sehr hilfreich im Laboralltag sind die Webseiten der Anbieter von Rezepturbestandteilen wie Caelo, Euro OTC, Fagron oder apomix bzw. Handelspräparaten wie Ichthyol, Chiesi etc. Meist können dort Analysenzertifikate für ausgelieferte Stoffchargen heruntergeladen werden, die für die Ausgangsstoffprüfung benötigt werden, oder Sicherheitsdatenblätter für den Gefahrstoffordner.

Digitales Messen und Dokumentieren

Irgendein elektronisches Messgerät steht in annähernd jedem Apothekenlabor. Wo in früheren Zeiten pH-Papier und Indikatorlösungen verwendet wurden, ist heute meist ein Potentiometer im Einsatz. Bei der Schmelzpunktbestimmung muss nicht mehr minutenlang auf die Kapillare gestarrt werden, da vollautomatische Geräte den entscheidenden Moment selbst erkennen und dokumentieren. Solche elektronischen Messungen nehmen Arbeit ab und liefern in der Regel genauere und reproduzierbarere Ergebnisse als analoge Methoden.

Foto: Charly Apotheke Gronau

Ein NIR-Gerät dient der sekundenschnellen Identifizierung von Rezeptursubstanzen.

Komplexer wird der Sachverhalt, wenn das Gerät Messungen durchführt, die ohne digitale Unterstützung gar nicht möglich wären, z. B. IR- oder NIR-spektroskopische Untersuchungen. Für die Identitätsprüfung im Apothekenlabor sind sie eine wunderbare Sache: Die zu prüfende Substanz wird einfach in das Analysegerät eingefüllt, ein Knöpfchen gedrückt, und Sekunden später erhält man die Bestätigung, dass es sich um den deklarierten Stoff ­handelt – oder auch nicht. Was aber passiert im Inneren des Geräts? Die Aufnahme des Spektrums ist der eine Schritt, der andere – mindestens genauso entscheidende – ist der Abgleich des gemessenen Spektrums mit einer validierten Spektren-Bibliothek. Nur dieser Vergleich erlaubt die Beurteilung, ob die Identität den Vorgaben entspricht oder nicht.

Elektrische Rührsysteme

Im Rezepturbereich sind es insbesondere die elektronischen Rührgeräte, die das Arbeiten sowohl erleichtert als auch standardisiert haben. Die heute üblichen Geräte haben nicht mehr viel mit der ersten Generation gemein, die gerade mal einen An- und Ausschalter und einen Drehknopf zur Einstellung der Rührgeschwindigkeit besaß. Aktuelle Modelle liefern passende Rührprogramme für jeden Ansatz: mit wechselnden Rührzeiten und -geschwindigkeiten, mit Abkühlungspausen usw. Dadurch steigt die Qualität der Verarbeitung und in Folge auch die Qualität des hergestellten Arzneimittels. Weil Rührparameter aus­sagekräftig und gleichzeitig leicht zu bestimmen sind, eignen sie sich übrigens hervorragend als Inprozesskontrolle.

Laborprogramme als Dreh- und Angelpunkt im Rezepturnetzwerk

Verschiedene Geräte für sich genommen sind nur kleine, solitäre Bausteine in der großen Digitalisierungswelt. Interessant wird es, wenn die Einzelprozesse in Labor und Rezeptur durch eine zentrale Anwendung unterstützt und verknüpft werden.

Zu solchen vernetzenden Anwendungen haben sich die Labor- und Rezepturprogramme gemausert, die nicht nur bei der Erfüllung der Dokumentationspflichten helfen, sondern auch Stoffdatenbanken und Rezepturbibliotheken bereitstellen, mit Mess- und Rührgeräten kommunizieren, Rezepturen taxieren und an die Warenwirtschaftssysteme übergeben etc. Die etablierten Anwendungen wie das Dr. Lennartz Laborprogramm und andere ähneln sich in ihren Grundfunktionen zur Dokumentation von Ausgangsstoffprüfung und Rezepturherstellung, unterscheiden sich aber in Hinblick auf wichtige Komfortfunktionen sowie Art und Umfang der angebotenen Daten.

Schnittstellen für die Datenintegrität

Doch von vorne: Bevor eine Rezeptur hergestellt werden kann, müssen alle Bestandteile auf Identität geprüft sein, mit entsprechender Dokumentation. Schon bei der Überprüfung des Analysenzertifikats bieten einige Laborprogramme den Service, sofort mit Eingabe der Chargenbezeichnung das zur Herstellercharge passende Prüfzertifikat herunterzuladen und in das Prüfprotokoll einzubinden. Das Dr. Lennartz Laborprogramm lädt sogar die formalen Chargendaten wie Menge, Korrekturfaktor, Verfalldatum, Freigabedatum etc. und übernimmt sie automatisiert in die Eingabemaske.

Für die eigentliche Identitätsprüfung bieten die meisten Laborprogramme konkrete, stoffspezifische Prüfmethoden an, aus denen das Apothekenpersonal die passende auswählen kann. Eine eigene Literaturrecherche ist also nicht nötig, und nach der Durchführung braucht nur noch das Ergebnis eingetragen zu werden. Noch komfortabler wird es, wenn Schnittstellen zu digitalen Messgeräten existieren, über die die gemessenen Werte direkt in das Ergebnisfeld importiert werden können. Auch NIR-Geräte können hier angebunden werden – dann wird nicht nur ein einzelner Messwert übertragen, sondern das gesamte Messprotokoll mitsamt Spektrum und Ergebnis. Dieses wird beispielsweise als ergänzendes Dokument in das Prüfprotokoll des Dr. Lennartz Laborprogramms eingebunden.

Foto: undrey/AdobeStock

Papier überflüssig – Bisher musste ein Großteil der digital erstellten Rezepturdokumente in Papierform archiviert werden, doch die qualifizierte elektronische Signatur (QES) erlaubt das rechtssichere Unterschreiben von ­digitalen Protokollen.

Enorme Erleichterung bei der „Plausi“

Bevor mit dem Wiegen, Mischen und Rühren der Rezeptur begonnen werden kann, muss sie auf Plausibilität geprüft werden. Hier bieten die Datenbanken der Labor- und Rezepturprogramme immense Vorteile. Die Überprüfung und Beurteilung der Eigenschaften aller Rezepturbestandteile – einzeln und in Kombination – ist ohne digitale Unterstützung nur mit enormem Aufwand zu bewältigen, da die nötigen Informationen in unterschiedlichen Literaturwerken versteckt sein können. In den Datenbanken der Programme werden diese Daten zentral gesammelt und regelmäßig aktualisiert, so dass sie bei jeder Plausibilitätsprüfung rezepturspezifisch präsentiert und beurteilt werden können.

Wenn dann die praktische Herstellung beginnt, können im Wägeprotokoll diejenigen Stoffchargen ausgewählt werden, die zuvor im Programm geprüft wurden. Das hat den Vorteil, dass einige aus der Prüfung bekannte Informationen automatisch in die Herstellung übertragen werden können: zum Beispiel der Korrekturfaktor, der für die Berechnung der Sollmenge von Wirkstoffen verwendet wird, und natürlich die Chargenbezeichnung. Auch im Herstellungsprotokoll bieten einige Rezepturprogramme Schnittstellen: So können Waagen angebunden werden, die die Wägewerte direkt in das Wägeprotokoll übertragen.

Eine zusätzliche Sicherheitsprüfung ermöglicht die Anbindung von Barcodescannern: Rezepturbestandteile, die zuvor im Programm geprüft wurden, können im Wägeprotokoll durch Abscannen ihres Barcode-Etiketts eindeutig identifiziert werden. Wird versehentlich eine falsche Substanz bereitgestellt, erscheint eine Fehlermeldung.

Ein Schritt weiter

Doch der Weg einer Rezeptur ist mit der Herstellung nicht abgeschlossen, denn sie muss noch abgerechnet und an den Patienten abgegeben werden. Hier bieten Labor- und Rezepturprogramme mit integrierter Taxation zusätzliche Vorteile. Die Preisberechnung erfolgt aufgrund der bereits eingetragenen Rezepturdaten sehr schnell. Ferner ermöglicht die Integration der Taxation in die Rezeptursoftware eine automatische Zuordnung der verwendeten Stoffchargen für die Erzeugung der künftig notwendigen Abrechnungsdatensätze, was bei Stand-alone-Taxationsprogrammen erheblichen manuellen Aufwand bedeutet. Da die Preisberechnung gemeinsam mit der Herstellungsdokumentation gespeichert wird, ist jeder Rechenschritt auch Monate später exakt nachvollziehbar. Richtig rund wird der Prozess, wenn die taxierte Rezeptur über eine Warenwirtschaft-Schnittstelle direkt an die Kasse übergeben und dort abgerechnet werden kann.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Seit Jahren etabliert. Die heute üblichen elektronischen Rührgeräte haben inzwischen mehr Funktionen als nur einen An- und Ausschalter.

Papiersparendes Arbeiten

Das Bestreben, unnötigen Papierverbrauch zu minimieren, hat nicht nur ökologische Aspekte. Auch aus ökonomischer Sicht ist jedes nicht gekaufte Blatt Papier und jeder Meter freier Lagerplatz ein Gewinn. Die Tatsache, dass trotzdem ein Großteil der digital erstellten Rezepturdokumente in Papierform archiviert wird, liegt in einem kleinen Passus der Apothekenbetriebsordnung begründet, demzufolge bestimmte Dokumente von der verantwortlichen Apothekerin ,  dem verantwortlichen Apotheker zu unterschreiben sind. Doch auch hier bietet die Digitalisierung Lösungen, denn die qualifizierte elektronische Signatur (QES) erlaubt das rechtssichere Unterschreiben von Protokollen. Die Verbreitung dieses Verfahrens nimmt gerade enorm zu, da mit dem elektronischen Heilberufsausweis in jeder Apotheke eine QES-fähige Signatur­karte vorliegt. Benötigt wird nur noch ein geeignetes Kartenlese­gerät, und schon kann rechtsgültig digital signiert werden.

Unterschriften, die per Signaturpad geleistet werden, sind übrigens nicht mit einer händischen Unterschrift gleichzusetzen. Für die Freigabe bestimmter Dokumente sind sie deshalb rechtlich unzulässig.

Kontinuierliche Weiterentwicklung

Digitale Anwendungen vereinfachen das Arbeiten in Labor und Rezeptur schon heute enorm. Um ihren vollen Nutzen zu entfalten, ist die Verbindung der verschiedenen Bausteine über ein zentrales System sinnvoll – sowohl innerhalb des recht abgegrenzten Labor-/Rezepturbereichs als auch im Austausch mit benachbarten Arbeitsbereichen wie Warenwirtschaft, Kasse und Rezeptabrechnung. Hier leisten die Labor- und Rezepturprogramme gute Dienste, und sie entwickeln sich kontinuierlich weiter. So steigt die Relevanz bestimmter Schnittstellen rapide, wenn sie durch regulatorische Eingriffe – wie z. B. die Kommunikation mit der Warenwirtschaft in Hinblick auf das E-Rezept – oder einen stetig wachsenden Digitalisierungsbedarf seitens der Apotheken forciert werden. |

Autorin

Beate Riek, Apothekerin, ist Produktmanagerin für Dokumentationssoftware im Deutschen Apotheker Verlag. Zuvor war sie mehrere Jahre in der öffentlichen Apotheke und in der Pharmaindustrie tätig

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