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Arzneistoffanalytik

Wie „sauber“ sind Sartane?

Azido-Verunreinigungen nun auch in Losartan entdeckt

Von Helmut Buschmann und Ulrike Holzgrabe | Kaum haben sich die Nitrosamin-Wogen über den Sartanen geglättet, werden in Losartan und anderen Sartanen neue, vermutlich mutagene Verunreinigungen vom Azido-Typ gefunden. Die Herkunft dieser Verunreinigungen soll im Folgenden ebenso diskutiert werden wie ihre Analytik. Offensichtlich entstehen die Azid-Derivate beim Aufbau des Biphenyl-Tetrazolyl-Bausteins, der in vielen Sartanen vorhanden ist.

Die Sartane sind wichtige Arzneimittel zur zuverlässigen Senkung des Blutdrucks. Da ein großer Teil der Bevölkerung im zunehmenden Alter einen Bluthochdruck entwickelt, ist der Bedarf an Blutdrucksenkern beträchtlich. Insofern sind die erneuten Meldungen über potenziell mutagene Verunreinigungen in Sartanen – nach den Nitrosamin-Problemen – alarmierend.

Die CMDh (Coordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures) als europäische Behörde für die Begutachtung und Koordinierung der Zulassung von Arzneimitteln informierte bereits im April 2021 die sogenannten Market Authorisation Holders (MAH), also die Firmen, die eine Marktzulassung für Sartan-haltige Arzneimittel haben, über das mutagene Potenzial der Verunreinigung AZBT (5-(4’-(Azidomethyl)-[1,1’-biphenyl]-2yl)-1H-tetrazol), die in verschiedenen Sartan-haltigen Arzneimitteln nachgewiesen worden ist. Die Zulassungsinhaber wurden aufgefordert, eine Risikoanalyse hinsichtlich einer möglichen Kontamination ihres Produktes mit dieser Verunreinigung sowie die möglichen Gehalte durchzuführen [1]. Die Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde Swissmedic wies auf diese Verunreinigung im Juli 2021 hin und entwickelte eine LC/MS-Analytik, um die AZBT-Mengen in Arzneimitteln zu quantifizieren. Die Swissmedic hatte übrigens AZBT schon im Oktober 2020 in Irbesartan gefunden und folgerichtig im November 2020 einzelne Irbe­sartan-Chargen vorsorglich vom Markt zurückgezogen. Health Canada und andere Zulassungsbehörden riefen eine Vielzahl von Irbesartan-, Losartan- und Valsartan-Chargen 2021 zurück.

Das European Directorate for the Quality of Medicines and HealthCare (EDQM) berichtete Ende April 2021 [4], dass Irbesartan-Chargen von der CMDh in einem bakteriellen Mutagenitätstest (Ames-Test) untersucht worden sind und die gefundenen Mengen den Schwellenwert mit toxikologischer Relevanz (Threshold of Toxicological Concern, TTC) überschritten hatten, der in der M7-Richtlinie des International Conference on Harmonization (ICH) auf 1,5 µg/Person/Tag für nicht toxikologisch charakterisierte Verbindungen festgelegt ist [5]. Das bedeutet, dass das Azid AZBT als mutagen mit unbekanntem karzinogenem Potenzial eingestuft werden muss, solange es keine weiteren Informationen zur Toxikologie gibt.

Die Fragen sind nun:

  • Wie sind die Azide in Losartan und Irbesartan entstanden?
  • Müssen wir – wie bei den Nitrosaminen – auch in weiteren Tetrazol-haltigen Sartanen mit dieser Verunreinigung rechnen?
  • Werden wir noch weitere Verunreinigungen finden?

Spezifische Verunreinigungen der Sartane mit Tetrazol-Strukturelement

Schauen wir die chemischen Strukturen von AZBT und des analoge 5-(4’-(Azidomethyl)-[1,1’-biphenyl]-2yl)-carbonitrils (AZBC) an, so fällt auf, dass das 5-(4‘-Methylen-biphenyl-2-yl)-1H-tetrazol-Fragment in vielen Sartanen vorkommt (s. Abb. 1). Beide Azid-Verbindungen sind übrigens wohl bekannt (siehe SciFinder-Datenbank) und auch kommerziell erhältlich.

Abb. 1: AZBT und die Sartan-Vertreter, in denen das 5-(4‘-Methylen-biphenyl-2-yl)-1H-tetrazol-Fragment strukturell enthalten ist.

Schon bei diesem strukturellen Vergleich zeigt sich, dass das Auftreten von AZBT nicht nur auf Losartan und Irbe­sartan beschränkt sein wird. Eine wahrscheinliche Kont­amination in Olmesartan-, Candesartan- und Valsartan-­haltigen Arzneimitteln kann somit nicht länger ausgeschlossen werden und ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch zu erwarten. Auch ein möglicher Vorläufer von AZBT kommt als mögliche potenziell mutagene Azido-Verunreinigung infrage, wie kürzlich von Jires und Mitarbeitern beschrieben wurde [9]. Das prinzipielle Entstehen dieser Verunreinigungen ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abb. 2: Die Entstehung von AZBT und seinem Analogon AZBC bei der Sartan-Synthese mit dem 5-(4‘-Methylen-biphenyl-2-yl)-1H-tetrazol-Fragment, die über die zentrale Zwischenstufe 4‘-Bromomethyl-biphenyl-2-carbonitril verläuft.

Um zu verstehen, auf welcher Stufe der Synthese diese Verunreinigung entsteht, muss man sich verschiedene publizierte Syntheserouten anschauen [10]. Für Losartan ist 2015 von Shuangxia eine sehr effiziente und zugleich auch „grüne“ Syntheseroute publiziert worden, die korrosive Gase wie HCl und NH3 vermeidet. So soll diese Route im Vergleich zu früheren Synthesewegen die Produktion umweltfreund­licher machen [11]. Im letzten Schritt wird der Tetrazolring über die Azid-Route unter Verwendung von Natriumazid und dem Zn(OTf)2-Reagenz aufgebaut (Abb. 3). Je nach Reaktionsbedingungen kann sich hier AZBT als Nebenprodukt bilden, was dann im finalen Salzbildungsschritt bei einigen Wirkstoffherstellern offensichtlich nicht vollkommen abgereichert wird.

In einem US-Patent von Reddy wird eine ähnliche Synthesestrategie angewandt, die ebenfalls vom inzwischen kommerziell erhältlichen Startmaterial 4‘-Brommethyl-biphenyl-2-carbonitril (Brom-PTBN, Abb. 3) ausgeht [12]. Ähnliche Synthesestrategien können auch zur Herstellung von Irbesartan [13, 14, 15] und anderen Sartanen angewandt werden [16].

Abb. 3: Umweltfreundliche Losartan-Synthese nach Shuangxia und Mitarbeiter [11].

Schaut man in die weiteren Syntheserouten von Sartanen, so verlaufen diese immer unter sehr ähnlichen Synthesekonzepten, es werden die gleichen Zwischenprodukte wie z. B. Brom-PTBN oder Derivate davon verwendet. Unterschiede entstehen durch die Verwendung von unterschiedlichen Funktionalitäten und Reaktionsbedingungen sowie unterschiedlicher Synthesereagenzien.

Betrachtet man die in der Literatur beschriebenen Reaktionsbedingungen, unter denen Brom-PTBN weiter umgesetzt wird, dann kann mit verschiedenen Reagenzien das AZBT als Nebenprodukt gebildet werden. Somit ist die Wahrscheinlichkeit der AZBT-Bildung in vielen weiteren Syntheserouten, die über diesen Schlüsselbaustein verlaufen, eher hoch als niedrig einzuschätzen. Eine Übersicht ist beispielhaft in Abbildung 4 gezeigt.

Abb. 4: Literaturbekannte Reaktionsbedingungen, unter denen aus 4‘-Brommethyl-biphenyl-2-carbonitril das AZBT gebildet werden kann [SciFinder].

Auch andere Azido-Verunreinigungen sind somit wahrscheinlich. Wenn man nach diesen gezielt suchen würde, wären sicherlich einige Treffer dabei. In Abbildung 5 werden nur einige denkbare Beispiele gezeigt.

Abb. 5: Weitere Azido-Verunreinigungen, die neben den diskutierten bei Sartan-Synthesen entstehen könnten.

Bereits eine weitere Azido-Verunreinigung in Losartan entdeckt

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) berichtete am 16. September 2021 von der „Losartan-­Azido-Verunreinigung“ als neuer Verunreinigung in Losartan, worauf es eine ganze Reihe von Rückrufen Losartan-haltiger Arzneimittel in Deutschland gab [2]. Chargen von Heumann, 1A-Pharma, Hexal und Mepha waren betroffen. Im September 2021 berichtet ebenso die europäische Behörde CMDh (Mitteilung CMDh/433/2021) über diese Verunreinigung, das 5-[4‘-[(5-(Azidomethyl)-2-butyl-4-chlor-1H-imid­azol-1-yl)methyl]-[1,1‘-biphenyl]2-yl]-1H-tetrazol [17]

(Abb. 6). Aurobindo Pharma rief am 1. Oktober 2021 einige Losartan-Chargen zurück, da die genannte Verunreinigung in nicht zu akzeptierenden Mengen enthalten war [21]. Diese Verbindung wurde ebenso im bakteriellen Mutagenitätstest (Ames-Test) als positiv gefunden. Zulassungsbehörden wie die SwissMedic haben nun auch hier alle Zulassungsinhaber von Losartan-haltigen Arzneimitteln aufgefordert, das Risiko für die Bildung dieser Verunreinigung in ihren Produkten zu analysieren und mitzuteilen.

Abb. 6: Die Synthese von Losartan, wie sie von Aurobindo Pharma Limited aus Hyderabad beschrieben ist, und die Synthese der Losartan-Azido-Verunreinigung 5-[4‘-[[5-(Azidomethyl)-2-butyl-4-chlor-1H-imidazol-1-yl]methyl][1,1‘-biphenyl]-2-yl]-2H-tetrazole; CAS-Nummer: 727718-93-6 [19].

Auch die Losartan-Azido-Verunreinigung ist wie die anderen Azide eine wohldokumentierte Substanz, die in der SciFinder Datenbank mit einer CAS-Nummer zu finden und von verschiedenen Anbietern kommerziell als Referenz­substanz zu ihrer Bestimmung erhältlich ist.

Losartan wird seit vielen Jahren weltweit vermarktet. Seit seiner Markteinführung 1995 durch Abbott in den Vereinigten Staaten als Kaliumsalz und als erster nicht peptidischer Angiotensin-1(AT1)-Rezeptor-Antagonist sind zahlreiche Patente zur Synthese eingereicht worden, die die unterschiedlichsten Synthesestrategien verfolgen. Es gibt neben zahlreichen Patenten auch sehr viele Berichte in der wissenschaftlichen Literatur, die die unterschiedlichsten Routen, Methoden und Prozesse beschreiben. Viele dieser Routen sind sehr kostspielig, verlaufen nur in geringen Ausbeuten oder sind aufgrund der Verwendung von problematischen Reagenzien zum Aufbau des Tetrazolrings nur begrenzt kommerziell einsetzbar. Der Nitrosamin-Skandal hat ja gezeigt, wie sensitiv kleinste Variationen eines Prozesses sein können.

Es überrascht nicht, dass in der EDQM-Datenbank 26 Einträge zu Losartan-Kalium zu finden sind, von denen noch 18 Qualitätszertifikate, sogenannte Certificates of Suitability (abgekürzt auch als CEPs bezeichnet) gültig sind [18]. Darunter befindet sich auch ein Zertifikat des indischen Pharmaherstellers Aurobindo Pharma Limited aus Hyderabad. Wissenschaftler dieser Firma haben bereits 2012 über eine effiziente, kommerziell machbare und auch sichere Synthese von Losartan berichtet, die deutliche Vorteile gegenüber den herkömmlichen Verfahren unter Vermeidung von reaktiven und explosiven Reagenzien besitzt [19]. Dieser Bericht ist deshalb von höchstem Interesse, da hier bereits über die Bildung der Azido-Verunreinigung informiert wird. Wegen der Attraktivität dieser Syntheseroute kann davon ausgegangen werden, dass auch eine Reihe der anderen Herstellprozesse über eine vergleichbare Syntheseroute erfolgen, so dass das Detektieren dieser Azido-Verunreinigung wieder mal keine Überraschung darstellt. Sie ist in allgemein zugänglicher Literatur als mögliche Verunreinigung seit 2012 beschrieben. Einerseits verwundert es, dass diese Verunreinigung bisher nicht in der PhEur-Monographie gelistet ist, andererseits könnte die Menge an dieser Verunreinigung zum Zeitpunkt des ursprünglichen Monographie-Entwurfs und eventuell auch bei der kürzlichen Überarbeitung der Losartan-Monographie so gering gewesen sein, dass sie nach den Regeln des Europäischen Arzneibuchs nicht berichtet werden musste. Die Synthese ist in Abbildung 6 gezeigt.

Die Synthese beginnt mit den kommerziell gut zugänglichen Startmaterialien p-Tolylbenzonitril (PTBN) und 2-Butyl-4-chlor-1H-imidazol-5-carboxaldehyd (BCFI). Im initialen Schritt wird PTBN in Dichlormethan bromiert in der Anwesenheit von AIBN mit DBDMH unter Rückfluss-Bedingungen. Da die Bromierung sehr langsam verläuft, muss das Reaktionsgemisch unter Siedebedingungen des Lösungsmittels 24 Stunden abreagieren. Während der Reaktion wird Brom-PTBN in 85-prozentiger Ausbeute gebildet. Bei diesem Schritt bildet sich aber unter den angewandten Reaktionsbedingungen auch das dibromierte Nebenprodukt Dibrom-PTBN (Abb. 7), welches dann bei der weiteren Aufarbeitung abgetrennt werden muss, damit es nicht über die Grenzwerte der Verunreinigungen im finalen Losartan enthalten ist.

Im nächsten Schritt werden Dimethylacetamid (DMAc) und Kaliumcarbonat verwendet, um Brom-PTM mit BCFI zu kuppeln. Bei diesem Reaktionsschritt wurde festgestellt, dass sich in Abhängigkeit von den gewählten Temperaturbedingungen ein Losartan-Cyanoaldehyd-Isomer bildet, da in dieser Nebenreaktion das BCFI das Carboniumion des Brom-PTBN-Substrats angreift. In einem Temperaturfenster von-10 °C bis -12 °C scheint aber die Ausbeute des gewünschten Alkylierungsproduktes am größten zu sein. In diesem Bereich wird durch die N-Alkylierung des N-1-Atoms des Imidazol-Bausteins BCFI an das Carbonium-Ion des Bromo-PTBN-Substrats das gewünschte Intermediat 4‘-((2-Butyl-4-chlor-5-formyl-1H-imidazol-1-yl)methyl)-biphenyl-2-carbonitril gebildet.

Nach dieser Kupplungsreaktion werden die anorganischen Salze abfiltriert, und das gebildete Intermediat wird ohne Isolierung in der nächsten Stufe weiter umgesetzt. Die Reduktion der Aldehydgruppe am Imidazolring erfolgt mit Natriumborhydrid in Methanol. Nach erfolgter Reduktion wird das im Überschuss verwendete Natriumborhydrid mit wässriger Essigsäure zersetzt. Bei diesem Reaktionsschritt wird als Nebenprodukt das Losartan-Cyanoalkohol-Isomer gebildet (Abb. 7).

Abb. 7: Die isolierten Verunreinigungen der Losartan-Synthese nach Aurobindo Pharma Limited [19].

Der Aufbau des Tetrazolrings erfolgt in üblicher Weise mit dem Hydrazinsäure-Triethylamin-Komplex in Toluol und NMP, der in situ aus Natriumazid und Triethylamin-Hydrochlorid gebildet wird wie bei vielen anderen Sartanen. In Optimierungsstudien wurde festgestellt, dass das Verhältnis von Triethylamin-Hydrochlorid und Natriumazid ganz entscheidend für das finale Verunreinigungsprofil von Losartan ist. Das ist auch der entscheidende Schritt, in dem die Azido-Verunreinigung gebildet wird, und zwar in Mengen größer als 1%. Das gebildete Losartan-Triethylaminsalz wird mit Dichlormethan extrahiert. Rohes Losartan wird bei dieser Stufe aus einem Gemisch von Dichlormethan und Wasser durch Neutralisation des Reaktionsgemisches mit Salzsäure bei einem pH-Wert zwischen 4,0 und 4,3 erhalten. Diese Stufe enthält neben weiteren Verunreinigungen auch die Azido-Verbindung, die im finalen Kristallisationsschritt abgetrennt werden soll. Die freie Säure Losartan wird dann noch im finalen Schritt in das Kaliumsalz überführt. Die Gesamtausbeute ausgehend vom Startmaterial PTBN in fünf Synthesestufen beträgt 55,5%. Die Reinheit der Losartan-­Kaliumsalze wird mit größer 99,8% (nach HPLC) angegeben. Diese Angabe bedeutet gleichermaßen, dass 0,2% Verunreinigungen enthalten sind. Wenn es sich aber wie bei der Azido-­Verbindung um eine Verunreinigung mit genotoxischem Potenzial handelt, können hier leicht kritische Spezifikationsgrenzen durch variable Reaktionsbedingungen überschritten werden. Die während der Synthese gebildeten Verunreinigungen sind in Abbildung 7 zusammengefasst.

Gleichzeitig wird eine gezielte Synthese der Azido-Verunreinigung ausgehend von der freien Losartan-Säure berichtet. Der Syntheseweg ist in Abbildung 8 gezeigt.

Neben der Relevanz als Verunreinigung ist die Azido-Verunreinigung in einer Reihe von Patenten gelistet, in denen die Azido-Verunreinigung zur Herstellung von Losartan-Konjugaten verwendet wird, die als Liganden in der Diagnostik eingesetzt werden [20].

Abb. 8: Die gezielte Synthese der Losartan-Azido-Verunreinigung nach Literatur ausgehend von der freien Säure des Losartans [19]

Zur Analytik der Azido-Verunreinigungen in Losartan-Präparaten

Sicher ist, dass mit dem Fortschritt der analytischen Methoden auch immer kleinere Verunreinigungsmengen in Zukunft gefunden werden. Nicht immer sind die neuen Verunreinigungen gefährlich, aber sie schrecken natürlich auf, und häufig werden toxikologische Untersuchungen folgen müssen, um das Risiko von neu gefundenen Substanzen in den Arzneistoffen einschätzen zu können.

Wie aus den synthetischen Betrachtungen hervorgeht, sind es neben der Losartan-Azido-Verunreinigung die zwei Azido-­Verunreinigungen AZBT und AZBC, die in den Synthesen aller Sartane auftreten können (siehe Abb. 1, 2). Für die letzten beiden Azide sind empfindliche LC-MS/MS-Methoden Mitte dieses Jahres publiziert worden [6, 9, 21], die alle die Ultra-Performance-Liquid-Chromatography(UPLC)-Technologie nutzen. Während die Gruppe von Dousa eine RP18-Säule (Acquity UPLC BEH Shield RP18 1,7 μm) und einen hESI-Detektor (heated Elektrospray Ionization) in positivem Modus nutzt, wird in einem Patent von Chinesen eine Octadecylphenyl-Säure (ACE Excel 3C18-AR) mit Orbitrap-Detektion und vom Schweizer Official Medicine Control Laboratory (OMCL) der Swissmedic eine Pentafluorphenyl-Säule (InfinityLab Poroshell 120 PFP) ebenfalls mit ESI-positiver Detektion eingesetzt. Die Gradienten-Elution erfolgt in allen Fällen mit Ameisensäure azidifiziertem Wasser und Methanol bzw. Acetonitril. Da alle anderen Parameter sehr ähnlich sind, werden von allen Methoden gute Trennungen und sehr große Empfindlichkeiten für die Azido-Derivate deutlich unter der 5-ppm-Spezifikationsgrenze (subnanomolar) erreicht. Für die neue Losartan-­Azido-Verunreinigung sind bisher noch keine Analysen­methoden berichtet worden.

Fazit

Die Nutzung von LC-MS/MS-Methoden zeigt einmal mehr, dass eine Qualitätssicherung mit den in den Arzneibüchern (PhEur oder USP) genutzten HPLC-UV-Techniken nicht ausreicht, wenn es um solch kritische Verunreinigungen geht, wie die Azide oder auch die Nitrosamine, die vor drei Jahren in den Sartanen gefunden wurden.

Auch wenn die neu gefundenen Verunreinigungen zumeist nur in sehr kleinen Mengen vorkommen, so müssen die Arzneistoffhersteller bessere Kontrollstrategien für ihre Produktion entwickeln. Die Erstellung von Reaktionsmatrices und die Untersuchung der Endprodukte mittels empfindlicher LC/HRMS-Methoden sollte zum Standardrepertoire für das Risk Assessment werden [7, 8]. Für die Nitrosamine ist eine Risikoanalyse im Europäischen Arzneibuch für die Sartane kürzlich verankert worden.

Bleibt nun die Frage, welche weiteren Sartan-spezifischen Azido-Verunreinigungen in der nahen Zukunft zu erwarten sind?

Um den hohen Qualitätsstandard einer EDQM-Zertifizierung in Zukunft zu gewährleisten, müssen auch bestehende Zertifizierungen mit dem aktuellen Kenntnisstand vor Ablauf routinemäßig überprüft werden. Hier wäre es ratsam, für alle bestehenden Zertifizierungen mit dem heutigen Kenntnisstand eine erneute potenzielle Verunreinigungsanalyse durchzuführen, um die wahrscheinliche oder auch unwahrscheinliche Bildung von potenziell genotoxischen Verunreinigungen systematisch aufzudecken. Beispiele für eine systematische Analyse von Verunreinigungen – sowohl mit zielgerichteten (targeted) als auch mit ungezielten Methoden (untargeted) – sind kürzlich beschrieben worden [7, 8].

Teure Rückrufaktionen könnte man im Vorfeld durch eine strengere und mehr fachkundige Kontrolle sicherlich deutlich begrenzen. Da es sich in diesem Fall sogar um eine genotoxische Verunreinigung handelt, ist dieser Appell nicht nur ein gut gemeinter Rat, sondern ein „Muss“, um die Versorgung mit sicheren Arzneimitteln auch in Zukunft sicherzustellen. Immer häufig werdende Pressemitteilungen von immer wieder neu identifizierten Verunreinigungen können nicht zum Standard in Europa werden. |

Literatur

 [1] CMDh/430/2021, April 2021, Subject: Azido impurity in irbesartan confirmed positive in bacterial mutagenicity test – action needed if there is a risk of the presence of azido-impurities above the Threshold of Toxicological Concern (TTC), www.hma.eu/fileadmin/dateien/Human_Medicines/CMD_h_/Advice_from_CMDh/CMDh_430_2021_Rev.0_2021_04_Request_for_investigation_Sartans-Azido_impurity_in_irbesartan_confirmed_positive_in_bacterial_mutagenicity_tests.pdf

 [2] Azido-Verunreinigung in Losartan. Informationen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Stand: 16. September 2021, www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RI/2021/RI-losartan.html, Abruf am 24. September 2021

 [3] Intensivierte Überwachung der Sartan-Arzneimittel: Spuren einer neuen Fremdsubstanz nachgewiesen. Informationen des Schweizerischen Heilmittelinstituts (Swissmedic), www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/news/mitteilungen/intensivierte-ueberwachung-sartan-arzneimittel.html, Abruf am 24. September 2021

 [4] Risk of presence of mutagenic azido impurities in sartan active substances with a tetrazole ring. Informationen des EDQM - European Directorate for the Quality of Medicines, www.edqm.eu/en/news/risk-presence-mutagenic-azido-impurities-sartan-active-substances-tetrazole-ring, Abruf am 24. September 2021

 [5] ICH Topic M7(R1): Assessment and control of DNA Reactive (Mutagenic) Impurities in Pharmaceuticals to Limit Potential Carcinogenic Risk (31/03/2017) (adopted as EMA/CHMP/ICH/83812/2013 and effective from 01/02/2018), www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/ich-guideline-m7r1-assessment-control-dna-reactive-mutagenic-impurities-pharmaceuticals-limit_en.pdf, Abruf am 24. September 2021

 [6] Multiple lots of irbesartan, losartan and valsartan drugs recalled. Stand: 1. Oktober 2021, Health Canada, https://healthycanadians.gc.ca/recall-alert-rappel-avis/hc-sc/2021/75715a-eng.php, Abruf am 4. Oktober 2021

 [7] Leistner A, Haerling S, Kreher JD, Drunk M, Jung D, Holzgrabe U. Risk assessment report of potential impurities in cetirizine dihydrochloride. J Pharm Biomed Anal 2020;189:113425

 [8] Wohlfart J, Jäckel E, Scherf-Clavel O, Jung D, Kinzig M, Sörgel F, Holzgrabe U. Impurity Profiling of Bisoprolol Fumarate by LC-HRMS: A Combination of Targeted and Untargeted Approaches using a Synthesis Reaction Matrix and General Unknown Comparative Screening. J Chromatogr Open, in Revision

 [9] Jireš J, Gibala P, Kalášek S, Douša M, Doubský J. The determination of two analogues of 4-(azidomethyl)-1,1‘-biphenyl as potential genotoxic impurities in the active pharmaceutical ingredient of several sartans containing a tetrazole group. J Pharm Biomed Anal 2021;205:114300, doi https://doi.org/10.1016/j.jpba.2021.114300

[10] Georgiou N, Gkalpinos VK, Katsakos SD, Vassiliou S, Tzakos AG, Mavromoustakos T. Rational Design and Synthesis of AT1R Antagonists. Molecules 2021;26:2927, doi: 10.3390/molecules26102927. PMID: 34069122; PMCID: PMC8156919, www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8156919/

[11] Shuangxia F, Zheng G, Yelv T, Hui L, Guofang J. An efficient and green synthetic route to losartan. J Chem Res 2015;39:451–454

[12] Reddy V. Process for the Preparation of Losartan. Patent Application Publication No. WO 2010/0222597 A1, 2. September 2010

[13] Rao K, Dandala R, Handa V, Rao I, Rani A, Shivashankar S, Naidu A. A novel approach for the conversion of primary amides into tetrazoles by using tributyltin chloride and sodium azide in the presence of DMF. Synlett 2007:1289–1293

[14] Prasada Rao KVV, Dandala R, Handa VK, Rao IVS, Rani A, Naidu A. Improved methods for the synthesis of irbesartan, an antihypertensive active pharmaceutical ingredient. Synth Commun 2007;37:2897–2905

[15] Kumar MR, Park K, Lee S. Synthesis of amido-N-imidazolium salts and their applications as ligands in Suzuki-Miyaura reactions: Coupling of hetero-aromatic halides and the synthesis of milrinone and irbesartan. Adv Synth Catal 2010;352:3255–3266

[16] Kankan RN, Rao DR, Pathi SL, Puppala R. Process for Preparing Valsartan. Patent Application Publication No. US 2011/0105763 A1, 5. Mai 2011

[17] CMDh/433/2021, September 2021, Subject: Azido impurity in losartan confirmed positive in bacterial mutagenicity test – action needed; www.hma.eu/fileadmin/dateien/Human_Medicines/CMD_h_/Advice_from_CMDh/Nitrosamins/CMDh_433_2021_Rev.0_2021_09_-_CMDh_Letter_to_MAHs_-_Risk_of_azido_impurity_in_losartan-containing_medicinal_products.pdf

[18] EDQM Datenbank: Certificates catalogue, https://extranet.edqm.eu/publications/recherches_CEP.shtml, 26 Einträge unter dem Suchbegriff „Losartan“ wurden gelistet, Zugegriffen wurde SwissMedic Aktuell, 1. Juli 2021, Intensivierte Überwachung der Sartan-Arzneimittel: Spuren einer neuen Fremdsubstanz nachgewiesen. www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/news/mitteilungen/intensivierte-ueberwachung-sartan-arzneimittel.html, Abruf am 26. September 2021

[19] Babu Madasu S, Vekariya NA, Koteswaramma C, Islam A, Sanasi PD, Korupolu RB. An Efficient, Commercially Viable, and Safe Process for Preparation of Losartan Potassium, an Angiotensin II Receptor Antagonist. Org Process Res Dev 2012;16:2025−2030, dx.doi.org/10.1021/op300179u

[20] Klaveness J, Johannesen Ed, Tolleshaug H, Amersham Health AS. Contrast agents for optical imaging in diagnosis and follow-up of treatment for colorectal cancer. Patent Application Publication No. WO 2005/030266, A2 20050407, veröffentlicht am 7. April 2005

[21] Guo C, Xu Y, Wang W, Hu D, Xu M, Niu C, Wen S, Liu Q, Li L. Method for simultaneously measuring MB-X and AZBC impurities in irbesartan raw materials and preparations. Application No. AU 2021101493 A4

Autoren

Dr. Helmut Buschmann hat in Aachen Chemie studiert. Nach Stationen bei Grünenthal und Esteve ist er Leiter der Chemie und Pharmazeutischen Entwicklung bei AiCuris in Wuppertal und Mitinhaber der Research, Development & Consultancy GmbH in Wien.

Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe hat Chemie und Pharmazie studiert und ist seit 1999 Lehrstuhlinhaberin für Pharmazeutische und Medizinische Chemie in Würzburg.

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