Arzneimittel und Therapie

Gutartige Tumore unter Hormonpräparaten?

EMA prüft Risiko für Meningeome durch Nomegestrol- und Chlormadinon-haltige Arzneimittel

dm | Sie gehen beinahe täglich über den HV-Tisch: Nomegestrol- und Chlormadinon-haltige Arzneimittel, die allein oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen zum Beispiel zur Behandlung von Menstruationsstörungen, Endometriose, als Hormontherapie oder Verhütungsmittel verwendet werden. Vor wenigen Tagen hat der Pharmakovigilanz-Ausschuss der Europäischen Arzneimittel-Agentur bekannt gegeben, dass er mit der Überprüfung eines möglichen Meningeomrisikos bei diesen Wirkstoffen begonnen hat.

Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Anfang Oktober berichtete, hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) eine Überprüfung von Nomegestrol- und Chlormadinon-haltigen Arznei­mitteln im Zusammenhang mit einem möglichen Meningeomrisiko (s. Kasten) gestartet. Konkret handelt es sich dabei um Hormonpräparate, die eine der beiden Gestagen-Komponenten allein oder in Kombination mit Estro­genen enthalten. Als Beispiele nennt das BfArM Handelsnamen wie Belara®, Zoely® und mehrere Generika. Mit Ausnahme der zentral zugelassenen Zoely® (Nomegestrolacetat/Estradiol) sind alle anderen betroffenen Arzneimittel über nationale Verfahren zugelassen.

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Risiko steigt mit der Anwendungsdauer

Die aktuelle Überprüfung auf europäischer Ebene wurde durch die franzö­sische Arzneimittelbehörde (ANSM) initiiert – „aufgrund neuer Daten aus zwei epidemiologischen Studien, die in Frankreich zur Untersuchung des Meningeomrisikos bei Frauen, die diese Arzneimittel einnehmen, durch­geführt wurden“, wie das BfArM erklärte. Demnach soll das Risiko für Meningeome mit der Dosis und Dauer der Behandlung zunehmen und bei Frauen größer sein, die Nomegestrol- oder Chlormadinon-haltige Arzneimittel über einige Jahre einnehmen. Anzumerken ist hier, dass die französischen Studien mit wesentlich höheren Chlormadinon-Dosierungen (5 mg bzw. 10 mg) durchgeführt wurden, als sie in deutschen Präparaten (1 mg bzw. 2 mg) enthalten sind. Die Studien haben aber auch gezeigt, dass sich das Risiko für die Entwicklung von Meningeomen ein Jahr oder länger nach Absetzen von Nome­gestrol- oder Chlormadinon-haltigen Arzneimitteln verringerte und ähnlich hoch war wie das Risiko bei Personen, die diese Arzneimittel nie eingenommen haben. Angesichts dieser neuen Daten prüft der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC) nun die verfügbaren Erkenntnisse, um dann eine Empfehlung abzugeben – ob die Zu­lassungen Nomegestrol- und Chlor­madinon-haltiger Arzneimittel in der ganzen EU angepasst werden sollten.

Was ist ein Meningeom?

Bei einem Meningeom handelt es sich um einen – in der Regel gutartigen – Tumor der Hirnhaut, die das Gehirn und das Rückenmark umschließt. In seltenen Fällen kann er jedoch aufgrund seiner Lage ernsthafte Symptome hervorrufen.

Tatsächlich sind bereits entsprechende Warnhinweise in der Fach- und Gebrauchsinformation einiger Arzneimittel enthalten. Allerdings können diese in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich lauten. In der Fach­information (Stand August 2020) von „Chlormadinon 2 mg fem Jenapharm®“ heißt es beispielsweise bei den Gegenanzeigen, dass das Präparat nicht angewendet werden darf bei „bestehenden oder früheren Gestagen-abhängigen Tumoren bzw. einem entsprechenden Verdacht (z. B. Meningeom)“. |

Literatur

Nomegestrol- und Chlormadinon-haltige Arzneimittel: Risiko für Meningeome. Informationen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, 1. Oktober 2021

Notification to the PRAC/EMA Secreteriat of a refferal under article 31 of directive 2001/83/EC,/www.ema.europa.eu/en/documents/referral/nomegestrol-chlormadinone-article-31-referral-notification_en.pdf

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