Deutscher Apothekertag 2021

Apotheken brauchen mehr Geld und mehr Nachwuchs

Anträge zu den Rahmenbedingungen der Berufsausübung und zur berufsständischen Organisation

DÜSSELDORF (tmb) | Die Apotheken brauchen mehr Geld – nicht nur für neue Aufgaben, sondern auch für die Finanzierung der alltäglichen Arbeit – und die ABDA wird dieses Thema nun auch angehen. Außerdem votierten die Delegierten einstimmig für ein Konzept zur Nachwuchsgewinnung. Dies sind die herausragenden Ergebnisse zu den beiden letzten Kapiteln des Antragsheftes. Doch auch diese Kapitel boten noch mehr wichtige Anträge.

Grundsatzfragen zum Honorar

Im ersten Antrag zum Kapitel „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“ ging es um die grundlegende Frage, wie das Apothekenhonorar erhöht werden kann. In der ursprünglichen Fassung des Antrags der Apothekerkammer Nordrhein sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, das Honorar weiterzuentwickeln. Doch die Diskussion zeigte die Schwäche dieses Ansatzes. Dr. Heidrun Hoch, Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein, erklärte: „Wir können nicht erwarten, dass andere für uns rechnen.“ Stattdessen sollten die Apotheker selbst überlegen, wie die Honorierung gestaltet werden soll. Auch Bundesgesundheitsminister Spahn habe gesagt, dass dabei die Initiative der Apotheker nötig sei. Daraufhin wurde der Antrag in ein Votum für eine Honoraranpassung mit Dynamisierung umformuliert. ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz erklärte, das Thema sei beim Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz in die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen eingegangen. Außerdem habe Bundesgesundheitsminister Spahn sich skeptisch zu einer Erhöhung des Basishonorars gezeigt. Dazu habe die Arbeitsgruppe „kein konkretes Ergebnis“ erzielt. Doch er halte es für wichtig, darüber zu diskutieren. „Die Debatte steht aus, wir werden sie führen müssen“, erklärte Schmitz. Der Delegierte Dr. Michael Sax argumentierte, der Personalbedarf steige überproportional und darum sei eine Honorarerhöhung nötig, die nicht an personalbindende Tätigkeiten gekoppelt sei. Die Honorarerhöhungen für die Rezeptur und die BtM-Dokumentation hätten sich auf personalbindende Tätigkeiten bezogen. Doch es sei eine Dynamisierung nötig. Darum müssten die Apotheker „zweigleisig fahren“ und sowohl vergütete Dienstleistungen als auch eine Dynamisierung fordern. Zur Arbeit der Honorarkommission hieß es in der weiteren Diskussion, es könne nicht sein, dass nach acht Jahren kein Ergebnis vorliege und dieses nicht in der Hauptversammlung besprochen werde. Dazu erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Dr. Hans-Peter Hubmann, die Arbeitsgruppe habe vor vier Jahren unter anderen Voraussetzungen gearbeitet. Die Apotheker müssten sich „intern“ neue Gedanken machen. Auch der DAV-Vorsitzende Thomas Dittrich forderte, das Honorar zu erhöhen und nun zu überlegen, wie dies geschehen kann. Der Antrag, das Anliegen in einen Ausschuss zu verweisen, scheiterte. Der Antrag für die Weiterentwicklung des Honorars wurde mit sehr großer Mehrheit angenommen. Damit liegt das Thema nun auf dem Tisch der ABDA und maßgebliche Vertreter der ABDA haben erklärt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Als unmittelbare Konsequenz wurde ein Antrag auf Erhöhung des Botendiensthonorars übergangen, weil die ganze Honorierung nun auf der Agenda steht.

Honorarfragen im Detail

In einem weiteren Antrag wird gefordert, mindestens zwei Jahre lang Mittel aus dem zu errichtenden Fonds für die Honorierung der pharmazeutischen Dienstleistungen auch für die Entwicklung und den Betrieb einer digitalen Dokumentations-, Abrechnungs- und Betriebsinfrastruktur einzusetzen. Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, erklärte, dass die Apotheker diese Aufgaben ohnehin leisten und finanzieren müssten. Der Antrag biete einen pragmatischen Ansatz, mit den Kosten und der Dokumentation in der Apotheke umzugehen.

Ein Antrag des Berliner Apothekervereins erinnerte an das bereits vor zwei Jahren diskutierte Problem mit der neuen Honorierung der Grippeimpfstoffversorgung mit einem gedeckelten Aufschlag. In dem Antrag wird nun gefordert, die Honorierung an den tatsächlichen Aufwand anzupassen. In der Diskussion wurde die Grippeimpfstoffversorgung als risikoreiches Geschäft mit desaströsem Ertrag eingestuft. Ein Antrag des Apothekerverbandes Nordrhein fordert explizit, das Honorar für Grippeimpfstoffe zu erhöhen, und verweist in der Begründung auf das zunehmende Problem durch die viel teureren Hochdosisimpfstoffe. Beide Anträge wurden mit sehr großer Mehrheit angenommen.

Dies gilt auch für den Antrag des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, der den Gesetzgeber auffordert, Retaxationen auf den wirtschaftlichen Schaden der Krankenkasse zu beschränken, wenn der Abgabe- oder Abrechnungsfehler der Apotheke zu keiner Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Versicherten geführt hat. Damit sollen Nullretaxationen weitgehend verhindert werden, die bei Hochpreis-Arzneimitteln sogar existenzbedrohend sein könnten.

Vorsicht Formfehler beim E-Rezept

Mit einem Antrag der schleswig-holsteinischen Berufsorganisationen werden einheitliche Prüfkriterien für das E-Rezept gefordert. Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein erläuterte dazu, die Software der Ärzte müsse bei der Rezeptausstellung nach denselben Kriterien prüfen, die auch bei der Rezeptbelieferung in den Apotheken gelten. Damit deutete er die Konsequenz an, dass die Apotheken anderenfalls wieder das Problem hätten, sich um die Heilung von Formfehlern zu kümmern. DAV-Vize Mathias Arnold erklärte dazu: „Der Ausgangsfilter ist strenger als der Eingangsfilter“. ­Nachdem die Gematik die Inhalte der Datenfelder bereits definiert, ist der Adressat für dieses Problem nun der GKV-Spitzenverband. So machte auch dieser Antrag, wie schon mehrere ­Anträge der Apothekerkammer Nordrhein zu den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und zahlreiche Anträge im Digitalisierungskapitel, deutlich, dass noch viele Detailfragen zum E-Rezept offen sind und wichtige Regelungen ausstehen. Beispielsweise hängt die so oft geäußerte Hoffnung, den Apothekenalltag von der Heilung von Formfehlern auf Rezepten zu entlasten, offenbar an der hier angesprochenen Frage.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Reaktion auf AvP

Die Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern thematisierte mit einem Antrag die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP und ihre Folgen. Mit dem Antrag wird der Gesetzgeber nun aufgefordert, die Rezeptabrechnung neu zu organisieren und dabei Leistungserbringer vor Zahlungsausfällen zu schützen. Eine Diskussion über die Frage, ob die derzeitigen Regelungen der Rechenzentren hinreichend Sicherheit bieten, fand nicht statt. Die ursprünglich vorgesehene Forderung nach direkten Zahlungen des Nacht- und Notdienstfonds an die Apotheken wurde gestrichen, nachdem DAV-Vize Dittrich erklärt hatte, dass die Apotheker dies selbst ohne den Gesetzgeber regeln können.

Feinheiten der Bürokratie

In einem weiteren Antrag wird der Gesetzgeber aufgefordert, Dienstleistern, die Abrechnungen für Krankenkassen vornehmen, zu untersagen, Abrechnungen von E-Rezepten für Apotheken vorzunehmen. Froese begründete dies mit der Interessenkollision bei solchen Anbietern und drohenden Problemen beim Datenschutz aufgrund der Zusatzinformationen, die solche Dienstleister hätten. Praktisch zielt dieser Antrag offenbar auf Unternehmen, die Apotheken neue Formen der Rezeptabrechnung anbieten könnten. Mit einem weiteren Antrag aus Schleswig-Holstein wird der Gesetzgeber aufgefordert, ausdrücklich zu regeln, welche patientenbezogenen Daten in Apotheken für definierte Tätigkeiten ohne ausdrückliche Erlaubnis des Patienten erhoben und verarbeitet werden dürfen. Froese erklärte dazu, die bisherigen Regelungen seien in verschiedenen Gesetzen verstreut und bezögen sich auf die einmalige Arzneimittelabgabe. Für betreuende Maßnahmen sei mehr nötig, aber dafür bräuchten die Apotheken Rechtssicherheit und eine bessere Position gegenüber ausländischen Apotheken. Diese seien zum Teil zur Speicherung von Daten verpflichtet, die in Deutschland nicht erhoben werden dürften. In der Diskussion wurde kritisiert, es könnte der Eindruck entstehen, die Apotheken seien auf das Datensammeln fokussiert. Doch beide Anträge aus Schleswig-Holstein wurden mit sehr großer Mehrheit angenommen. Außerdem nahm die Hauptversammlung Anträge an, die allgemein Bürokratieabbau und speziell Vereinfachungen bei der Präqualifizierung für die Hilfsmittelversorgung fordern.

Einstimmig für Nachwuchsgewinnung

Im letzten Kapitel des Antragsheftes ging es um die „berufsständische Organisation“ und dort zunächst um einen Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands, nach dem die ABDA „ein abgestimmtes und ineinandergreifendes Konzept zur Nachwuchsgewinnung und Nachwuchsförderung“ entwickeln und umsetzen soll. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening erklärte, die ABDA werde das auf jeden Fall machen, aber ein Signal der Hauptversammlung gebe dafür Rückenwind. Die Delegierten diskutierten kontrovers, ob eher die Einkommensaussichten oder eher die Freude an der Arbeit wesentlich für die Berufswahl sind. Dabei wurde betont, dass in Krankenhäusern und anderen Berufsfeldern höhere Einstiegsgehälter als in öffentlichen Apotheken gezahlt werden. Nach kurzer Debatte wurde der Antrag einstimmig angenommen.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Hilfswerk und Thema für 2022

Der Antrag, die Errichtung eines Hilfswerkes der deutschen Apothekerschaft zu prüfen, wurde in einen Ausschuss verwiesen. Der Antrag war durch die jüngste Flutkatastrophe motiviert und zielte darauf zunächst zu prüfen, inwieweit in solchen Fällen Hilfe über die bestehenden Hilfsorganisationen geleistet werden kann. Dabei sollte ausdrücklich keine Konkurrenz entstehen. Da dies ohnehin nur ein Prüfauftrag ist, der in einem Ausschuss zu bearbeiten wäre, erscheint der Verweis in einen Ausschuss hier wie eine Bestätigung.

Im letzten Antrag ging es bereits um den Deutschen Apothekertag 2022. Dieser soll die thematische Ausrichtung „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“ erhalten. Zunächst wurde kritisiert, es sei nicht angebracht, sich jetzt schon auf ein Thema festzulegen. Doch ABDA-Präsidentin Overwiening erklärte, sie sehe einen solchen Titel nicht als Festlegung, sondern als Rahmen, der auch Platz für andere Themen lasse. Daraufhin wurde der Antrag mit 178 Ja-Stimmen und 126 Gegenstimmen angenommen. |

Auf Wiedersehen in München

In ihrem Schlusswort zum Apothekertag regte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening an, die Corona-Krise als Wendepunkt zu betrachten. Sie habe beim Apothekertag eine Aufbruchstimmung verspürt und eine vertrauensvolle Atmosphäre in der Hauptversammlung mit einer „Portion Heiterkeit“ wahrgenommen. Alle wollten zusammen etwas bewegen und es gebe einen „sichtbaren Zusammenhalt“. Das motiviere sie für ihre Arbeit und gebe ihr Kraft, Zuversicht und Glauben an den Berufsstand. Overwiening dankte den vielen Mitwirkenden, die den hybriden Apothekertag möglich gemacht haben, und lud zum Wiedersehen beim nächsten Deutschen Apothekertag vom 14. bis 16. September 2022 in München ein.

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