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Pandemie Spezial

„Ja“ zur Impfung von Jugendlichen

STIKO spricht Impfempfehlung für Heranwachsende von zwölf bis 17 Jahren aus

cel/mab | Die Politik war bereits vorgeprescht und sieht eine Impfung von ab Zwölfjährigen seit Anfang August vor. Nun rät auch die Ständige Impfkommission (STIKO), dass sich Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren gegen COVID-19 impfen ­lassen sollen. Derzeit sind in der EU die beiden mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna dazu zugelassen.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt eine COVID-19-Impfung für Kinder und Jugendliche. Sie veröffentlichte am 16. August 2021 ihren Beschlussentwurf, dieser geht nun in das Stellungnahmeverfahren mit den Bundesländern und den beteiligten Fachkreisen. Die endgültige Impfempfehlung veröffentlicht die STIKO sodann „zeitnah“ im Epidemiologischen Bulletin.

Zuvor keine generelle Impfempfehlung

Noch am 10. Juni hatte sich die STIKO gegen eine generelle Impfung aller Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren ausgesprochen. Stattdessen hatte sie nur vorerkrankten Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Risiko für schwere COVID-19-Verläufe und bei bestimmten Indikationen (vulnerable Personen ohne ausreichenden Immunschutz im persönlichen Umfeld, beruflicher Exposition gegenüber SARS-CoV-2) eine Corona-Impfung nahegelegt. Zudem hatte sie die Möglichkeit eingeräumt, dass nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung Kinder und Jugendliche geimpft werden könnten. Damals hatte sie ihre zurückhaltende Empfehlung auf vier Argumente gestützt:

  • Kinder und Jugendliche hätten hierzulande nur „ein geringes Risiko“, schwerwiegend an COVID-19 zu erkranken,
  • der Kenntnisstand über seltene Nebenwirkungen der neuen mRNA-Impfstoffe sei in dieser Altersgruppe „begrenzt“,
  • es gebe erste Berichte zu Herzmuskelentzündungen im zeitlichen Zusammenhang mit mRNA-Impfungen, vor allem bei Jungen und jungen Männern,
  • und die laut Modellrechnungen damals „geringen Auswirkungen“ der Jugendlichenimpfung zum Verlauf des Infektionsgeschehens.

Myokarditis verläuft unkompliziert

Nun hat sich die Datenlage geändert, und die STIKO kann ihre Empfehlung auf einen satteren Datensatz bauen: „Auf der Grundlage neuer Überwachungsdaten, insbesondere aus dem amerikanischen Impfprogramm mit nahezu zehn Millionen geimpften Kindern und Jugendlichen, können mögliche Risiken der Impfung für diese Altersgruppe jetzt zuverlässiger quantifiziert und beurteilt werden“, erklärt die STIKO. Die sehr seltenen, bevorzugt bei jungen männlichen Geimpften im Zusammenhang mit der Impfung beobachteten Herzmuskelentzündungen müssten als Impfnebenwirkungen gewertet werden. Zwar seien in der Mehrzahl der Fälle die Patienten mit diesen Herzmuskelentzündungen hospitalisiert worden, doch hatten sie unter der entsprechenden medizinischen Versorgung einen unkomplizierten Verlauf, weiß die STIKO nun (s. Kasten). Zudem gebe es mittlerweile Hinweise aus neueren Untersuchungen aus dem Ausland, dass auch COVID-19 unter Herzbeteiligung verlaufen könnte.

Rasche Erholung nach Myokarditis

In einer kleinen Fallserie hat eine amerikanische Arbeitsgruppe die Myokarditis-Fälle 30 Tage nach einer Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer untersucht. 14 der 15 Patienten, die aufgrund einer Myokarditis ein Krankenhaus aufsuchen mussten, waren männlich (durchschnittlich 15 Jahre alt). Die Symptome begannen in der Regel ein bis sechs Tage nach der zweiten Immunisierung und äußerten sich in Brustschmerzen (100%), Fieber (67%), Myalgie (53%) und Kopfschmerzen (40%). Alle Jugendlichen wiesen zudem erhöhte Troponin-Werte auf (median 0,25 ng/l). Bereits nach durchschnittlich zwei Tagen konnten die Heranwachsenden das Krankenhaus verlassen. Bei den Nachuntersuchungen ein bis 13 Tage nach Entlassung war der Großteil (73%) der Betroffenen symptomfrei. Bei je einem Patienten wurde zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung eine nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardie bzw. eine reduzierte systo­lische Funktion festgestellt. Die Troponin-Werte blieben bei drei Patienten (20%) leicht erhöht.

Dionne A et al. Association of Myocarditis With BNT162b2 Messenger RNA COVID-19 Vaccine in a Case Series of Children. JAMA cardiology 2021. doi:10.1001/jamacardio.2021.3471

Keine schweren Nebenwirkungen

Auch kann die STIKO jetzt hinsichtlich schwerwiegender Nebenwirkungen im Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen beruhigen: Es seien bisher „keine Signale für weitere schwere Nebenwirkungen nach mRNA-Impfung aufgetreten, insbesondere auch nicht bei Kindern und Jugendlichen“, schreibt die STIKO in ihrer aktuellen Stellungnahme.

Risiko für Infektionen mit der Delta-Variante und Long-COVID

Auch auf die mittlerweile dominierende Delta-Variante geht die STIKO ein: Aktuelle mathematische Modellierungen, die die nun dominierende Delta-Variante berücksichtigen, hätten gezeigt, dass für Kinder und Jugendliche ein deutlich höheres Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion in einer möglichen vierten Infektionswelle bestehe. Immer noch wenige Daten gibt es hingegen zu Langzeit­folgen einer COVID-19-Erkrankung bei Jugendlichen. Die STIKO erklärt deswegen: „Unsicher bleibt, ob und wie häufig Long-COVID bei Kindern und Jugendlichen auftritt.“

Nach „sorgfältiger Bewertung dieser neuen wissenschaftlichen Beobachtungen und Daten“ kommt die STIKO daher zu der Einschätzung, dass nach „gegenwärtigem Wissensstand die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenwirkungen überwiegen“. Und weiter: „Daher hat die STIKO entschieden, ihre bisherige Einschätzung zu aktualisieren und eine allgemeine COVID-19-Impfempfehlung für Zwölf- bis 17-Jährige auszusprechen.“

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Impfung keine Voraussetzung für soziale Teilhabe

Man ziele damit in erster Linie auf den direkten Schutz der geimpften Kinder und Jugendlichen vor COVID-19 und den damit assoziierten psychosozialen Folgeerscheinungen ab. Unabhängig davon solle die Impfung nach ärztlicher Aufklärung zum Nutzen und Risiko erfolgen. Wichtig ist der STIKO auch dieser Punkt: „Die STIKO spricht sich ausdrücklich dagegen aus, dass bei Kindern und Jugendlichen eine Impfung zur Voraussetzung sozialer Teilhabe gemacht wird.“

Politik hatte Jungendlichen­impfung bereits beschlossen

Dieser STIKO-Empfehlung geht eine turbulente Vorgeschichte voraus, hatten sich doch die Gesundheitsminister der Länder in ihrer Konferenz am 2. August 2021 über die damalige wissenschaftliche Einschätzung der STIKO hinweggesetzt, Kinder- und Jugendlichenimpfungen gegen COVID-19 den Weg geebnet und sich explizit für COVID-19-Impfungen von Zwölf- bis 17-Jährigen ausgesprochen. Die Sächsische Impfkommission SIKO hatte die Jugendlichenimpfung bereits am 1. August empfohlen. Derzeit können für Kinder- und Jugendlichen­impfungen ab zwölf Jahren die beiden mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna angewendet werden.

Wie wichtig jedoch die wissenschaftliche Einschätzung der STIKO ist, zeigt eine Studie „Familien in der Krise“ der Pronova BKK (Befragung von 1000 Menschen mit mindestens einem Kind im Haushalt). Deren Ergebnissen zufolge wollen 43% der Eltern ihr Kind erst nach STIKO-Empfehlung impfen lassen. Derzeit sind laut RKI 24,3% der ab Zwölfjährigen mindestens einmal geimpft, 15,1% verfügen über einen vollständigen Impfschutz. |
 

Literatur

Mitteilung der STIKO zur Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche. Pressemitteilung der STIKO, 16. August 2021

Weiterer Beitrag des Pandemie Spezials in DAZ 2021, Nr. 33

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