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„Ich habe etwas gegen Schwarzmalerei und falsche Versprechungen“

Die DAZ im Gespräch mit der FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus

eda | Am 26. September wird der Deutsche Bundestag neu gewählt. Die DAZ hat zu diesem Anlass mit Gesundheits­politikern aller sechs im Bundestag vertretenen Fraktionen Gespräche geführt: Wie blicken sie auf die vergangenen vier Jahre zurück, und was steht aus ihrer Sicht in der nächsten Legislatur­periode apothekenpolitisch an? Als erste Vertreterin der Opposition äußert sich die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus.
Foto: imago images/Christian Ditsch

Christine Aschenberg-Dugnus

DAZ: Frau Aschenberg-Dugnus, die aktuelle Legislaturperiode neigt sich dem Ende. Wie lautet Ihr persönliches, gesundheitspolitisches Resümee?

Aschenberg-Dugnus: Für uns Gesundheitspolitiker war und ist natürlich die Corona-Krise immer noch das entscheidende Ereignis. Im Grunde haben wir alle – damit meine ich die Bundestagsfraktionen sowie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) – praktisch durchgearbeitet, um auf die Pandemie entsprechend reagieren zu können. Das ist aufwendig und aufreibend zugleich.

DAZ: Aufreibend weshalb?

Aschenberg-Dugnus: Nun, es ist das Gebot der Stunde, dass wir uns bei möglichst allen Entscheidungen fraktionsübergreifend zusammenfinden. Allerdings empfinde ich es als sehr negativ, dass im Laufe der Pandemie immer mehr Rechtsverordnungen durch das BMG alleine erlassen wurden. Da hätte ich mir als Oppositionspolitikerin, aber auch für die anderen Fraktionen, gewünscht, dass wir mehr Dinge im Parlament besprochen hätten. Das hätte zur Transparenz beigetragen und wahrscheinlich sogar zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung geführt.

DAZ: Schauen wir uns jetzt mal die Gesundheitspolitik abseits der Pandemie an: Auch im Bereich der Digitalisierung und Apothekenpolitik hat das BMG ja markante Anstöße gesetzt. Wie zufrieden sind Sie damit, oder hätten Sie sich mehr bzw. anderes gewünscht?

Aschenberg-Dugnus: Man kann Herrn Spahn auch außerhalb der Pandemie sicher nicht Tatenlosigkeit vorwerfen. Der Minister hat enorm viel vorgelegt und wir als FDP befürworten die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Wir sehen die Chancen für eine bes­sere Patientenversorgung, und im Vergleich mit dem europäischen Ausland haben wir hierzulande einiges aufzuholen.

DAZ: Und was halten Sie von dem nun beschlossenen Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG)?

Aschenberg-Dugnus: Wir waren von Anfang an dafür, dass eine intensive, pharmazeutische Betreuung besser honoriert werden muss. Dafür haben wir uns eingesetzt, weil der Apotheker in erster Linie ein Heilberuf ist. Die pharmazeutische Betreuung wird ja zum Teil auch schon durchgeführt, und insofern haben wir die konkrete Vergütung sehr befürwortet. Deshalb hoffe ich sehr, dass sich die Krankenkassen und Apotheker einigen und im Sinne der Patienten die wichtigen Dienstleistungen etablieren. Darüber hinaus befürworten wir die Botendienstvergütung und natürlich das Makelverbot für E-Rezept-Tokens. Die freie Apothekenwahl muss unter allen Umständen sowie jederzeit gewährleistet sein.

DAZ: Inwiefern ändern sich mit der Einführung der honorierten, pharmazeutischen Dienstleistungen eigentlich all die Fragen rund um das Packungshonorar?

Aschenberg-Dugnus: Wer mehr leistet, muss auch besser vergütet werden. Deshalb habe ich etwas gegen das Gießkannen-Prinzip. Andererseits bin ich der Meinung, dass die pauschalen Vergütungen auch nicht gesenkt werden sollten.

DAZ: Beim Rx-Boni-Verbot …

Aschenberg-Dugnus: … waren und sind wir komplett anderer Meinung als die Große Koalition. Für uns ist das eine Umgehung des EuGH-Urteils. Aber jetzt lassen wir es mal so, wie es ist, und schauen, inwiefern es Bestand haben wird.

Grafik: Margarita/AdobeStock

 

DAZ: Das Rx-Versandverbot kommt für Sie als FDP-Fraktion aber nach wie vor nicht infrage?

Aschenberg-Dugnus: Ich habe etwas gegen Schwarzmalerei und falsche Versprechungen. Wenn der Rx-Versand so geringe Auswirkungen hat und ein Rx-Versandverbot europarechtlich problematisch ist, warum hat sich die Apothekerschaft bei diesem Thema dann so verkämpft? Ich bin sehr für die flächendeckende Vor-Ort-Versorgung und vor allem die Offizin-Apotheke. Aber im Gegensatz zu anderen Parteienvertretern wollen wir den Apothekern nichts versprechen, was am Ende nicht haltbar ist. Da ist mir die Ehrlichkeit lieber als der Applaus bei diversen Podiumsdiskussionen.

 

DAZ: Was wäre nochmal Ihr präferierter Weg gewesen?

Aschenberg-Dugnus: Wir hätten uns ein sehr geringes Boni-Delta vorstellen können, das beispielsweise bei einem Euro gelegen hätte. Damit hätte man den Kleinkrieg über das Sozialrecht im Keime ersticken können.

 

DAZ: Vertrauen Sie den Ankündigungen aus der Versandhandelsbranche, keine rechtlichen Schritte gegen das Boni-Verbot einleiten zu wollen?

Aschenberg-Dugnus: Die Rx-Boni hatten in den letzten Jahren doch überhaupt nicht dazu geführt, dass der Versandhandel an Bedeutung gewinnen konnte. Vielmehr sehen die Versender ihre Chancen im E-Rezept und in der Zusammenarbeit mit lokalen Apotheken. Hierüber erhoffen sie sich mehr Marktanteile im Rx-Bereich.

 

DAZ: Gehen Sie persönlich davon aus, dass das E-Rezept tatsächlich ein Gamechanger sein könnte und zu Marktverschiebungen führen wird?

Aschenberg-Dugnus: Ich verfolge natürlich, dass die aktuelle Strategie von DocMorris/Zur Rose ist, sich über die eigene Plattform mit Vor-Ort-Apotheken zusammenzutun und so über die Fläche an die Patienten heranzutreten. Dabei geht es ja längst nicht mehr nur um die Rezepte an sich, sondern auch um telemedizinische Angebote. Daher ist es sehr wichtig, dass das Makel-Verbot auch durchgesetzt wird.

 

DAZ: Welche Gefahr sehen Sie?

Aschenberg-Dugnus: Ich möchte nicht, dass E-Rezepte nach digitalen Arzt­besuchen direkt beim selben Anbieter landen, sondern die Patienten die freie Apothekenwahl haben.

 

DAZ: Aber das ist ja eine politische Absicht, die im Übrigen auch das Ministerium formuliert sowie die ABDA und Sie als Opposition. Lassen Sie uns das konkret an Ihrem Wahlprogramm festmachen: Sie wollen sich dafür einsetzen, dass auch weiterhin die freien Berufe im Gesundheitswesen gestärkt werden. Stärkt die Plattformökonomie die freien Berufe? Oder werden die freien Berufe nicht vielmehr in ihren Grundfesten erschüttert, wenn sich eine Apotheke beispielsweise gezwungen fühlt, der DocMorris-Plattform beizutreten, um am Ball zu bleiben?

Aschenberg-Dugnus: Nein, die Apothekerschaft muss sich vielmehr selbst darauf einstellen und muss selbst entsprechende Konzepte und Plattformen schaffen. Wenn das BMG bzw. die Gematik die Möglichkeit vorsieht, dass auch Drittanbieter über entsprechende Schnittstellen an die E-Rezept-App angebunden werden, dann müssen es auch die Apotheker selbst sein, die hier ein entsprechendes Angebot entwickeln. Dann muss sich niemand von DocMorris einkaufen lassen. Das E-Rezept und die Digitalisierung all­gemein sind ja gerade die Chance für die Apotheker, selbst zu gestalten.

 

DAZ: Initiativen aus der Apothekerschaft wurden ja bereits gestartet, beispielsweise mit dem Zukunftspakt Apotheke, gesund.de oder auch dem DAV-Portal. Was wir aber doch aktuell beobachten, ist, dass die Versender ihre Marktdominanz im OTC-Sektor nutzen, um massiv E-Rezept-Patienten anzuwerben. Können die Vor-Ort-Apotheken das über die Plattformen wieder aufholen?

Aschenberg-Dugnus: Es ist ein hart umkämpfter Markt, keine Frage. Aber wenn sich die Apothekerschaft zusammentut und erkennt, welche Geschäftsmodelle für sie schädlich sind und welche Konzepte dagegen einen hohen Nutzen sowohl für die Apotheke als auch die Patienten bringen, habe ich keine Bedenken. Bei diesem Thema sehe ich auch nicht primär die Politik in der Verantwortung. Der Gesetzgeber kann nicht einfach etwas verbieten, weil die einen schneller als die anderen sind. Für die Markt­teilnehmer sollte es eher ein Ansporn sein, genauso gut oder besser zu sein.

 

DAZ: Die ungleich langen Spieße resultieren ja vor allem daraus, dass es sich bei den EU-Versendern um Unternehmen in der Hand von Kapitalgesellschaften handelt, mit denen die inhabergeführten Betriebe im Inland im Wettbewerb stehen. Es ist zwar keine konkrete FDP-Forderung, aber meinen Sie, dass sich demnächst auch nochmal die Frage nach dem Fremd- und Mehrbesitz im Apothekensektor auftun wird?

Aschenberg-Dugnus: Momentan nicht. Wir müssen den Markt beobachten und immer sondieren, inwiefern die Versorgung der Patienten gewährleistet ist. Dafür müssen die Vor-Ort-Apotheken erhalten bleiben. Es darf nicht dazu kommen, dass sich einzelne Anbieter nur die Rosinen aus einem System picken und keine allumfassende Versorgung leisten. Dagegen muss ein­geschritten werden.

 

DAZ: Diesen Eindruck haben Sie vom Arzneimittelversandhandel nicht?

Aschenberg-Dugnus: Aktuell nicht. Wenn Sie andere Ansichten haben, dann bitte ich Sie, mir das zukommen zu lassen.

 

DAZ: Es sollte Ihnen doch bekannt sein, dass nicht wenige Rezepte aus dem Versand wieder bei den Patienten landen, weil es sich um „schwierige Fälle“ oder nicht ganz so margenstarke Arzneimittel handelt. Dazu kommt, dass die Akutversorgung sowie die Belieferung mit Betäubungsmitteln oder individuellen Rezepturen gar nicht geleistet werden kann.

Aschenberg-Dugnus: Aber die Beratung wird beispielsweise schon ange­boten, telefonisch oder digital. Und die von Ihnen geschilderten Fälle führen doch aber dazu, dass der Patient wieder seine Vor-Ort-Apotheke aufsucht. Und hier sehe ich den großen Vorteil für die Vor-Ort-Apotheken, die ein persönliches Vertrauensverhältnis zu den Patienten aufbauen können. Dabei könnten sogar die Apotheken eine digitale Beratung und Betreuung über die Distanz aufbauen. Das ist ein Aspekt, den ich auch häufig von Pharmaziestudierenden widergespiegelt bekomme. Sie wollen sich dem Wandel und diesem Qualitätswettbewerb stellen.

 

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch. |

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