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Was steckt hinter den Lieferengpässen bei Corona-Impfstoffen?

SPD fühlt Bundesgesundheitsministerium auf den Zahn

cm | Die COVID-19-Impfungen laufen in Deutschland nicht so zügig an, wie es sich viele gewünscht hätten. Und jetzt liefern Biontech/Pfizer auch noch weniger Impfdosen als zuvor angedacht. Auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) steht in der Kritik: Ist die Einkaufspolitik der Bundesrepublik und der Europäischen Kommission mitverantwortlich für die nun auftretenden Lieferengpässe?

Vergangenen Freitag sorgte der Pharma­konzern Pfizer mit der Mitteilung für Unruhe, er rechne mit einer Einschränkung der Corona-Impfstofflieferungen in Europa in den kommenden Wochen. Maßnahmen zur Erhöhung der Produktion im Werk in Puurs in Belgien würden sich „vorübergehend auf die Lieferungen von Ende Januar bis Anfang Februar auswirken“. In dieser Woche wurde Deutschland nochmals mit 842.400 Dosen beliefert – doch nun sollen sich die Mengen reduzieren. Ab dem 22. Februar stellt Biontech einem neuen Lieferplan zufolge dann aber insgesamt mehr Impfstoff in Aussicht als bisher geplant.

Indessen hat das BMG einen umfangreichen Fragenkatalog von Finanz­minister Scholz (SPD) und der SPD-geführten Bundesländer rund um die Beschaffung der Vakzine, eine mögliche Produktionsausweitung und die Verimpfung beantwortet. Auch hier geht es um die jüngsten Lieferschwierig­keiten. „Mit Bedauern und Unverständnis wurde die sehr kurzfristige und un­erwartete Mitteilung zur Kenntnis genommen“, heißt es. Biontech habe jedoch inzwischen eine vollständige Lieferung der für das erste Quartal 2021 angekündigten rund 10 Millionen Dosen bis Ende März zugesichert.

Wissen wollten die SPD-Politiker zudem, weshalb die EU-Kommission bei der Bestellung der Impfstoffe nicht die volle Zahl der angebotenen Dosen ausgeschöpft habe. „Medienberichten zufolge haben sowohl Biontech als auch Moderna der EU deutlich höhere Mengen an Dosen angeboten“, betonen sie.

Dazu erklärt das BMG, dass im Juli 2020 auf EU-Ebene die Sondierungs­gespräche mit Biontech/Pfizer und Moderna gelaufen seien. „Zu diesem Zeitpunkt war nicht abzusehen, ob und welcher Impfstoff die klinische Entwicklung erfolgreich und zügig durchlaufen und zugelassen würde.“ Auch sei nicht klar gewesen, dass die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna zuerst eine Zulassung in der EU erhalten werden. Dagegen sei bekannt gewesen, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer für eine längere Lagerung einer Ultra-Tiefkühlung bedürfe und die Impfdosen vor Verabreichung verdünnt werden müssten, „sodass Verteilung, Lagerung und Anwendung eine Herausforderung darstellen würden“. Zudem sei man im Sommer noch davon ausgegangen, dass der Impfstoff von AstraZeneca bereits 2020 eine Zulassung erhalten könnte. Tatsächlich, so das BMG, sei bis November 2020 nicht absehbar gewesen, dass die Zulassung des AstraZeneca-Impfstoffs erst deutlich später als die für den von Biontech/Pfizer erfolgen würde. „Deshalb war das Interesse vieler anderer Mitgliedstaaten an dem Impfstoff der Firma Biontech/Pfizer anfangs eher gering ausgeprägt.“ Um vor diesem Hintergrund überhaupt einen Vertrag für die EU in ausreichender Höhe aushandeln zu können, habe Deutschland garantiert, bis zu 100 Millionen Impfdosen abzunehmen für den Fall, dass andere Mitgliedstaaten auf ihren Anteil verzichten würden. Im Ergebnis wurden die Sondierungsgespräche im August 2020 (Moderna) und im Oktober 2020 (Biontech/Pfizer) erfolgreich beendet, fasst das BMG zusammen.

Ob nun weitere Verträge mit Impfstoffherstellern nötig seien, um den Bedarf in Deutschland zu decken, bezweifelt das BMG. Denn beim Bezug der Biontech/Pfizer-Vakzine hat Deutschland noch ein Ass im Ärmel: Die Entwicklung des Impfstoffs sei vom Bundesforschungsministerium gefördert worden, so das BMG. „Von der Firma wurde im Gegenzug erwartet, dass sie einen angemessenen Anteil der Produktion eines zugelassenen COVID-19-Impfstoffs für die bedarfsgerechte Versorgung in Deutschland zugänglich macht.“ |

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