Arzneimittel und Therapie

Ein Antibiotikum gegen Depressionen

Add-on-Therapie mit Minocyclin wirkt

Die zusätzliche Gabe von Minocyclin führte bei Patienten mit langanhaltender Depression zu einer deutlichen Verbesserung ihrer depressiven Symptomatik. Im Vergleich mit einer Placebo-Gabe sprachen mehr als doppelt so viele Probanden auf die Therapie an. Die günstige Wirkung wird den antiinflammatorischen Eigenschaften von Minocyclin zugeschrieben.

Von der Hypothese ausgehend, dass Entzündungsreaktionen bei der Pathogenese schwerer Depressionen eine Rolle spielen könnten, wurde bereits in einigen klinischen Studien diese Möglichkeit untersucht. So finden sich im US-amerikanischen Studienregister NCT (National Clinical Trial) mehrere Einträge zu einem antiinflammatorischen Therapieansatz bei Depressionen. Im Rahmen eines Förderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird derzeit in einer multizentrischen Studie die Wirksamkeit von Minocyclin bei therapieresistenten Depressionen untersucht.

Entzündliche Prozesse und Depressionen

Forscher gehen davon aus, dass zwischen schweren Depressionen und inflammatorischen, oxidativen sowie neuroprogressiven Prozessen ein Zusammenhang besteht. Diese Annahme wird unter anderem dadurch bestätigt, dass Subgruppen depressiver Patienten erhöhte Spiegel proinflammatorischer und immunregulierender Zytokine aufweisen. Um den möglichen Zusammenhang einer Depres­sion mit entzündlichen Prozessen zu verifizieren, wurde bevorzugt Minocyclin eingesetzt, da dieses Tetracyclin die Blut-Hirn-Schranke überwindet und neben antibiotischen ­Eigenschaften auch über antiinflammatorische, antioxidative und neuroprotektive Wirkungen verfügt. Zudem führte Minocyclin in klinischen Studien zu einer Symptomverbesserung bei Patienten mit Schizophrenie oder bipolaren Störungen. Um sich einen Überblick über den gegenwärtigen Kenntnisstand zu machen, fasste eine australische Arbeitsgruppe die Daten zweier randomisierter, doppelblinder und placebokontrollierter Studien zusammen. Die 112 Teilnehmer, die seit rund zehn Jahren an einer moderaten bis schweren Depression erkrankt waren, erhielten zusätzlich zu ihrer antidepressiven Therapie zwölf Wochen lang 200 mg Minocyclin oder ein Placebo. Der primäre Studienendpunkt beschrieb Veränderungen depressiver Symptome, die mithilfe der Montgomery-Åsberg-­Depressions-Skala bzw. der Hamilton-Depressions-Skala erfasst wurden. Sekundäre Endpunkte beurteilten unter anderem die Schwere der Depressionen und Ängste sowie den funktionalen Status der Patienten.

Doppelt so häufiges Ansprechen auf die Therapie

In der Verum-Gruppe sprachen mehr als doppelt so viele Probanden wie in der Placebo-Gruppe auf die Therapie an (56,8% vs. 25,5%) oder erzielten eine Remission (31,8% vs. 10,6%). Die Auswertung der gepoolten Daten zeigte für die Minocyclin-Gruppe eine statistisch signifikante Besserung der depressiven Symptomatik, eine Abnahme der Angstsymptomatik und eine Besserung des funktionalen Status. Der Benefit einer Minocyclin-Gabe erwies sich vor allem bei Patienten mit längerer Krankheitsdauer sowie bei der gleichzeitigen Einnahme von Schmerzmitteln und dem Verzicht auf Benzodiazepine. Im Hinblick auf unerwünschte Wirkungen wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den zwei Gruppen festgestellt.

Vielversprechend trotz geringer Studienpopulation

Dieses Studienergebnis wurde auch im NEJM Journal Watch kommentiert. Die Autoren des NEJM Journal Watch sichten über 250 wissenschaftliche Fachzeitschriften, um für Fachkräfte des Gesundheitssystems klinisch bedeutende Erkenntnisse zusammenzufassen und zu bewerten. Die Ergebnisse werden als vielversprechend eingestuft, wenn auch die Studienpopulation klein war. Hervorgehoben werden die neuroprotektiven, antiinflammatorischen und antioxidativen Effekte von Minocyclin, die proinflammatorische Effekte verringern und eine Glutamat-Transmission modulieren können. Des Weiteren sprechen die geringe Wahrscheinlichkeit einer Resistenzentwicklung sowie die niedrigen Kosten für eine weitere Verfolgung dieses Therapieansatzes, vor allem, wenn Entzündungen als auslösende oder begleitende Prozesse vermutet werden. |
 

Literatur

Dean OM et al. Adjunctive minocycline treatment for major depressive disorder: A proof of concept trial. J Psychiatry 2017(8):829-840

Husain MI et al. Minocycline as an adjunct for treatment-resistant depressive symptoms: A pilot randomised placebo-controlled trial. J Psychopharmacol 2017(9):1166-1175

Multizentrische Studie zur Wirksamkeit des Antibiotikums Minocyclin als neue therapeutische Strategie bei therapieresistenter Depression. Teilprojekt eines Verbundes vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Aufruf am 3. Januar 2021

Yager J. Minocycline as an Adjunctive Treatment for Depressio. Summary and Comment, NEJM Journal Watch, 6. November 2020. www.jwatch.org

Zazula R et al. Minocycline as adjunctive treatment for major depressive disorder: J Psychiatry 2020, doi.org/10.1177/0004867420965697

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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