DAZ aktuell

Es muss irgendwie funktionieren

Viele Apotheken kämpfen aktuell mit der Hochwasser-Katastrophe

eda | Die Hochwasserlage im Westen der Republik bleibt angespannt. Zahlreiche Ortschaften sind verwüstet und zum Teil sogar völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Während die Apothekerkammern sondieren, welche Apotheken noch „am Netz“ sind, müssen die Kolleginnen und Kollegen vor Ort aufräumen, improvisieren und vor ­allem versuchen, unter widrigsten Umständen die Arzneimittelversorgung aufrechtzuerhalten. Gegenüber der DAZ hat ein Apotheker im Ruhestand berichtet, inwiefern er sich im Katastrophengebiet der Ahrschleife engagiert.

Die akute Phase nach der Unwetter­katastrophe im Westen Deutschlands scheint zwar vorerst überstanden. Doch mit den Aufräumarbeiten wird das Ausmaß der Zerstörungen und des menschlichen Leids immer sichtbarer. Allein im rheinland-pfälzischen Landkreis Ahrweiler wurde bis zum Redaktionsschluss der DAZ am Dienstag berichtet, dass die Zahl der Toten nach den Überflutungen auf 117 gestiegen ist, zudem wurden mindestens 749 Menschen verletzt, zahlreiche Personen gelten weiterhin als vermisst. Die Gemeinde Schuld zwischen Altenahr und Adenau steht seit dem Wochen­ende im Fokus vieler Medien, da sich Bundeskanzlerin Angela Merkel hier vor Ort ein Bild von der Hochwasser­lage machte und zu Betroffenen sowie Hilfskräften sprach.

Seit Ende vergangener Woche zählt die Region zwischen Altenahr und Adenau auch zum Einsatzbereich von Apotheker Günter Witzmann, der gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen sowie dem Krisenstab die Arzneimittelversorgung organisiert. Witzmann ist in der Branche kein Unbekannter. Als Lokal­politiker der AfD kandidierte er beispielsweise 2017 aus seinem Kölner Wahlkreis heraus für den Bundestag – allerdings ohne Erfolg. In seinen aktiven Berufsjahren betrieb er eine Landapotheke zwischen Bad Münstereifel und Blankenheim in der Eifel. Seitdem er im Ruhestand ist, übernimmt er Vertretungsdienste.

Foto: imago images / Kyodo News

Altenahr am 17. Juli: Das Hochwasser ist abgeflossen, zurückgeblieben sind kaputte Häuser, tonnenweise Schutt und eine zerstörte Infrastruktur, die auch die Apotheken vor Ort betrifft.

Als Witzmann von der Unwetterkata­strophe in seiner unmittelbaren Nachbarschaft erfuhr, zögerte er nicht lange und machte sich mit seinem Auto auf in den Landkreis Ahrweiler, um vor Ort Unterstützung anzubieten. Und diese wird seit vergangener Woche auch dankbar angenommen: Sein Weg führte ihn nach Adenau in der südlichen Ahreifel, ein Ort, der von den Wassermassen weitgehend verschont geblieben ist. Drei Apotheken garantieren dort die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – und die Zahl der Menschen, die potenziell versorgt werden müssen, ist nun sprunghaft angestiegen. Denn 15 Kilometer nordöstlich liegt Altenahr, direkt lokalisiert am Rhein-Nebenfluss Ahr, und dort können die beiden Apotheken derzeit nicht in Betrieb sein.

Witzmann organisiert derzeit mit den Apothekerinnen und Apothekern in der Region sowie mit dem Krisenstab, wie die Arzneimittelversorgung trotz dieser widrigen Umstände aufrecht erhalten werden kann. Mehrere Tausend Menschen aus den Ortschaften im Ahrtal gilt es zu versorgen, darunter auch das von Merkel besuchte Schuld. Gegenüber der DAZ berichtet Witzmann von ungeheuren Ausmaßen der Zerstörung. In den ersten Stunden und Tagen habe vor allem die Bundeswehr mit Fahrzeugen und Hubschraubern die Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern, darunter auch Arzneimittel, versorgt. „Eine tolle Truppe“, so Witzmann, „die haben sehr effektiv die Logistik organisiert und den Leuten vor Ort geholfen.“ Auch die zivilen Sanitätsorganisationen, wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), haben mit dem Aufbau von medizinischer Infrastruktur in Form von sogenannten Mobile Medical Units (MMU) begonnen.

Doch für Witzmann, die anderen Apotheker sowie den leitenden Notarzt geht es aktuell darum, die mittelfristige Versorgung der Menschen mithilfe der Arztpraxen und Apotheken zu gewährleisten. In Altenahr liege die medizinische Vor-Ort-Versorgung gewissermaßen brach. Das Hochwasser habe sogar dazu geführt, dass den Ärzten Rezeptvordrucke fehlten. Dies sei vor allem im Bereich der Betäubungsmittelverordnungen tragisch, da die Präparate aus dem Palliativ- und Schmerzbereich akut und ohne Unterbrechung benötigt werden. „Wir haben für alles Gesetze und Verordnungen“, so Witzmann, „aber für diesen Fall gibt es praktisch keine Handlungsanweisungen.“ Damit es trotzdem im Katastrophengebiet „irgendwie“ funktioniert, gehen die Helferinnen und Helfer ganz pragmatisch an die Sache: „Wir haben hier unsere eigenen Gesetze geschaffen“, erklärt der Apotheker im Ruhestand. Und wer meint, dass elektronische Rezepte das Problem mit den fehlenden Rezeptblättern gelöst hätten, sollte realisieren, so Witzmann, dass der großräumige Stromausfall bzw. die Abschaltung des Netzbetriebs den digitalen Weg nur sehr schwer bis unmöglich macht.

Zum Reinhören

Von der Hochwasser-Katastrophe sind einige Apotheken betroffen. Völlig zerstört wurde unter anderem die Ahrtor-Apotheke in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Im DAZ.online-Podcast berichtet Apothekenleiterin Linda Wnendt, wie sie die Nacht erlebt hat, in der ihre Apotheke geflutet wurde.

Laut Witzmann werden in Altenahr aktuell zwei Container aufgestellt, um darin die Arzneimittelversorgung zu organisieren. Notapotheken quasi, die von den Großhändlern beliefert werden, mittels Apothekenwirtschafts­system wird die Medikation dann dem jeweiligen Patienten zugeordnet, konfektioniert und ausgeliefert. Die Apotheker vor Ort sind zuversichtlich, dass sie im Laufe dieser Woche gemeinsam mit dem Krisenstab wieder etwas mehr Normalität herstellen können. Die zuständige Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz hat bereits reagiert und die Dienstbereitschaft der Apotheken in den Notdienstbereichen modifiziert. So dürfen Apotheken, die ihren Betrieb ohne Einschränkungen aufrecht erhalten können, auch über das Wochenende für den Publikumsverkehr geöffnet bleiben.

Spendenaufruf

Angesichts der immensen Schäden, die das Hochwasser hinterlassen hat, ist jetzt schnelle Hilfe gefragt – und die kostet Geld. „Apotheker helfen e. V.“, das Hilfswerk der Baden-Württembergischen Apothekerinnen und Apotheker sowie „Apotheker ohne Grenzen e. V.“ haben daher Spendenaufrufe gestartet. Und auch der Abrechnungsdienstleister Scanacs will helfen und sammelt Spenden für betroffene Kollegen.

Der Deutsche Apotheker Verlag ist dem Aufruf bereits gefolgt und hat 5000 Euro an das Hilfswerk „Apotheker helfen“ gespendet. Außerdem hat der Verlag beschlossen, betroffenen Apotheken ihre unbrauchbar gewordene Fachliteratur kostenlos zu ersetzen. „Mit großer Bestürzung haben wir in den letzten Tagen die Berichterstattung über die Hochwasserkatastrophe verfolgt“, erklärte dazu Dr. Benjamin Wessinger, Geschäftsführer des Deutschen Apo­theker Verlags. „Deswegen haben wir beschlossen, so wie schon nach der Flutkatastrophe 2002, betroffenen Apotheken ihre vom Hochwasser vernichtete Fachliteratur kostenlos zu ersetzen.“ Betroffene Apothekerinnen und Apotheker können sich beim Kundenservice des Stuttgarter Verlags unter service@deutscher-apotheker-verlag.de oder telefonisch unter 0711 2582-341 melden. „Wir liefern dann schnell und unbüro­kratisch Ersatz“, so Wessinger.

Wenn auch Sie spenden möchten, können Sie das unter den folgenden Bankverbindungen tun:

Apotheker helfen e. V.
Deutsche Apotheker- und Ärztebank
IBAN: DE02 3006 0601 0004 7937 65
BIC: DAAEDEDD
 

Hilfswerk der Baden-Württembergischen Apothekerinnen und Apotheker
Spendenzweck „Nothilfe Hochwasser“
IBAN: DE51 3006 0601 0006 4141 41
BIC: DAAEDEDD
 

Apotheker ohne Grenzen e. V.
Deutsche Apotheker- und Ärztebank
IBAN: DE88 3006 0601 0005 0775 91
BIC: DAAEDEDDXXX

Spenden über den Abrechnungsdienstleister Scanacs sind unter folgendem Link möglich: https://www.betterplace.me/scanacs-hilft-apotheken

Für die Zukunft vorbereitet sein

Günter Witzmann hält es für dringend notwendig, dass es im Berufsstand zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber Katastrophen und den Auswirkungen kommen muss. Neben den existenziellen Gefahren für jede betroffene Apotheke, gehe es dabei vor allem um die Aufrechterhaltung der flächendeckenden und bevölkerungsnahen Versorgung. Hier sieht er auch die Bundesregierung in der Pflicht. Denn auf solche Szenarien könne man sich vorbereiten. |

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