Pandemie Spezial

Warten auf den Novavax-Impfstoff

Proteinbasierte COVID-19-Vakzine ist hochwirksam, aber noch nicht verfügbar

Mit NVX-CoV2373 von Novavax könnte sich bald ein weiterer COVID-19-Impfstoff in die Phalanx der hochwirksamen Corona-Vakzine einreihen. Die zulassungsrelevante Phase-III-Studie PREVENT-19 hat für die proteinbasierte Nanopartikel-Vakzine eine Gesamt-Wirksamkeit von 90,4% ergeben. Auch gegen die Coronavirus-Varianten scheint NVX-CoV2373 schlagkräftig zu sein. Der Rolling Review in der EU läuft seit Anfang Februar.

Das Repertoire an Corona-Impfstoffen könnte schon in absehbarer Zeit Zuwachs bekommen, und zwar durch die COVID-19-Vakzine von Novavax. Vor wenigen Tagen konnte das US-Biotech-Unternehmen mit Sitz im Bundesstaat Maryland Erfreuliches berichten. NVX-CoV2373 hat in der zulassungsrelevanten PREVENT-19-Studie (the PRE-fusion protein subunit Vaccine Efficacy Novavax Trial | COVID-19; NCT04611802) beeindruckende Erfolge erzielt. Die randomisierte, Beobachter-verblindete Studie bewertete die Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität des proteinbasierten Impfstoffs mit Matrix-M™ Adjuvans bei 29.960 Teilnehmern ab 18 Jahren an 119 Standorten in den Vereinigten Staaten und Mexiko. Zwei Drittel der Probanden erhielten zwei Impfstoffdosen (5 μg SARS-CoV-2 rS + 50 μg Matrix-M1 adjuvant) im Abstand von 21 Tagen, ein Drittel ein Placebo.

Foto: Volodymyr Kalyniuk

100% Schutz vor schweren und mittelschweren Verläufen

Wie das Unternehmen mitgeteilt hat, erzielte NVX-CoV2373 eine Gesamtwirksamkeit von 90,4% (95%-KI: 82,9 bis 94,6) und erreichte damit seinen primären Endpunkt. 63 Corona-Fälle traten in der Placebogruppe auf und 14 in der Impfstoffgruppe. Während in der Impfstoffgruppe alle Erkrankungen mild verliefen, traten in der Placebogruppe zehn mittelschwere und vier schwere Fälle auf. Das bedeutet, dass der Impfstoff vor mittelschweren und schweren Erkrankungen zu 100% schützt.

Die Wirksamkeitsendpunkte wurden aus Daten ermittelt, die vom 25. Januar bis 30. April 2021 gesammelt worden waren, eine Zeit, in der die Alpha-Variante (B.1.1.7) in den USA zur vorherrschenden wurde. Andere Variants of Concern (VoC) und Variants of Interest (VoI) waren in diesem Zeitfenster ebenfalls auf dem Vormarsch. Für 54 der 77 beobachteten COVID-19-Fälle liegen Sequenzierungsdaten vor. Von diesen waren 35 (65%) VoC, neun (17%) VoI und zehn (19%) andere Varianten. Gegenüber Varianten, die nicht als VoC/VoI betrachtet werden, ergab sich eine Wirksamkeit von 100% (95%-KI: 80,8 bis 100) und für die VoC/VoI, die 82% der Fälle ausmachten, immerhin 93,2% (95%-KI: 83,9 bis 97,1). 38 der VoC/VoI-Fälle befanden sich in der Placebogruppe und 6 in der Impfstoffgruppe. NVX-CoV2373 konnte also gegen die Varianten ebenfalls überzeugen.

Es zeigten sich auch Erfolge bei „Hochrisiko“-Populationen (definiert als über 65 Jahre, unter 65 Jahren mit ­bestimmten Komorbiditäten oder Lebensumstände mit häufiger COVID-19-Exposition). Hier lag die Impfstoffwirksamkeit bei 91,0% (95%-KI: 83,6 bis 95,0) mit 62 COVID-19-Fällen in der Placebogruppe und 13 in der Impfstoffgruppe.

Der placebokontrollierte Teil von PREVENT-19 wird bei Jugendlichen im Alter von 12 bis unter 18 Jahren fortgesetzt. Laut Unternehmensangaben wurde die Einschreibung mit 2.248 Teilnehmern vor Kurzem abgeschlossen.

Gute Verträglichkeit

Nach vorläufigen Sicherheitsdaten von PREVENT-19 ist der Impfstoff im Allgemeinen gut verträglich. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse waren zahlenmäßig gering und zwischen Impfstoff- und Placebogruppe ausgewogen. Bei der Beurteilung der Reaktogenität sieben Tage nach den beiden Dosen waren vorübergehende leichte bis mittelschwere Schmerzen und Druckempfindlichkeit an der Injektionsstelle die häufigsten lokalen und Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen die häufigsten systemischen ­Symptome.

Die Ergebnisse der PREVENT-19-Studie sind noch nicht wissenschaftlich begutachtet und veröffentlicht.

Wie wird NVX-CoV2373 hergestellt?

Im Gegensatz zu den bereits zugelassenen mRNA- (BioNTech/Pfizer und Moderna) bzw. Vektorimpfstoffen (AstraZeneca und Johnson & Johnson) ist NVX-CoV2373 ein proteinbasiertes Vakzin. Es enthält winzige virusähnliche Partikel (VLPs), die aus einer Version des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 bestehen. Für die Herstellung des Impfstoffs wird ein manipuliertes Baculovirus mit dem Gen für das Spike-Protein bestückt. Dieses infiziert eine Kultur einer Insektenzelllinie, die dann das Spike-Protein erzeugt. Ein sehr ähnliches Herstellverfahren wird bereits für zugelassene Impfstoffe eingesetzt, wie z. B. für einen HPV- und einen Grippe-Impfstoff. Das anschließend zugesetzte Matrix-M™-Adjuvans soll die Immunantwort stärken, indem es den Eintritt von Antigen-präsentierenden Zellen in die Injektionsstelle stimuliert und die Antigen-Präsentation in lokalen Lymphknoten verbessert. Die Nanopartikelmatrix Matrix-MTM besteht aus Saponinen von Quillaja saponariaMolina, deren immunstimulierende Eigenschaften schon länger in Tiervakzinen genutzt werden, kombiniert mit Phospholipiden und Cholesterol.

Weitere Phase-III-Studie

NVX-CoV2373 wird neben PREVENT-19 noch in einer weiteren zulassungsrelevanten Phase-III-Studie in Großbritannien mit 15.000 Teilnehmern evaluiert (NCT04583995). Am 11. März gab der Hersteller die Gesamt-Wirksamkeit hiernach mit 89,7% an (95% KI: 80,2, 94,6), wobei der Impfstoff COVID-19 jedweden Schweregrades durch das ursprüngliche Virus frühestens eine Woche nach der 2. Dosis zu 96,4% verhindern konnte. Gegen die B.1.1.7-Variante soll er nach der Studie zu 86,3% wirksam sein.

Kombiniert mit Influenza

In einem Teilbereich der britischen Studie wird NVX-CoV2373 auch zusammen mit zugelassenen saisonalen Grippeimpfstoffen erprobt. Rund 430 Freiwillige erhielten den Influenza-Impfstoff und jeweils die Hälfte davon außerdem NVX-CoV2373 oder Placebo. Nach dem Vorabdruck der Ergebnisse auf dem Preprint-Server medRxiv.org am 13. Juni 2021 blieb die Immunogenität des Influenza-Impfstoffs bei der gleichzeitigen Verabreichung erhalten, während für NVX-CoV2373 eine mäßige Abnahme der Immunogenität des Impfstoffs festgestellt wurde (87,5% vs. 89,7% in der Hauptstudie). Dies könnte die Impfstrategien in der nächsten Grippesaison erheblich vereinfachen, wenn zusätzlich noch Auffrischimpfungen gegen SARS-CoV-2 notwendig sein sollten.

Daneben arbeitet Novavax auch noch an einem neuen Impfstoff auf Basis des rekombinanten Spike-Protein-Antigens (rS-B.1.351) aus der Beta-(B.1.351)-Viruslinie. In Tests an Tiermodellen (Mäuse, Paviane) gegen den Prototyp-Impfstoffkandidaten von Novavax jeweils als eigenständiges Produkt, in Kombination und als heterologes Prime-Boost-Regime haben sich vielversprechende Ergebnisse gezeigt.

Zulassungsantrag im dritten Quartal geplant

Bislang ist NVX-CoV2373 noch in keinem Land der Welt zugelassen. Seit Anfang Februar läuft eine fortlaufende Überprüfung (Rolling Review) bei der Europäischen Arzneimittelagentur. Auch bei anderen Behörden, wie der US-Food and Drug Administration sowie bei der britischen Arzneimittelbehörde MHRA und Health Canada sind die Evaluierungen bereits im Gange. Novavax plant die Einreichung der Zulassungsanträge für das dritte Quartal, sobald die letzten Phasen der Prozessqualifizierung und Assay-Validierung abgeschlossen sind. Nach der behördlichen Zulassung sollen bis zum Ende des dritten Quartals Produktionskapazitäten von 100 Millionen Dosen pro Monat und bis zum Ende des vierten Quartals von 150 Millionen Dosen pro Monat bereitstehen. Laut Nachrichtenagentur Reuters hat das Unternehmen mit Sitz in Maryland seine Herstellungsprognosen wiederholt heruntergeschraubt, offenbar wegen des mangelnden Zugangs zu Rohstoffen und Ausrüstungen. Die Hürden sollen jedoch mittlerweile beseitigt sein.

Wie auf der Plattform „www.precisionvaccinations.com“ nachzulesen ist, hat Novavax mit GlaxoSmithKline und der britischen Government Vaccines Taskforce eine Vereinbarung zur Herstellung von bis zu 60 Millionen Dosen NVX-CoV2373 für den Einsatz in Großbritannien getroffen. In Japan soll der Impfstoff auf Lizenzbasis von Takeda hergestellt und vermarktet werden. Auch mit Kanada und dem Serum Institute of India wurden bereits Absprachen getroffen, wobei das SII nicht nur Indien, sondern auch Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen mit dem Impfstoff versorgen soll. Es wird damit gerechnet, dass die Vakzine eine wichtige Rolle in den weltweiten Immunisierungskampagnen spielen könnte. NVX-CoV2373 kann bei 2 °C bis 8 °C gelagert und transportiert werden, sodass die bestehenden Kanäle der Impfstofflieferkette für den Vertrieb genutzt werden können. Es ist in einer gebrauchsfertigen Flüssigformulierung in 10-Dosen-Durchstechflaschen verpackt.

Auch die EU-Bürger sollen nach erfolgter Zulassung mit NVX-CoV2373 geimpft werden. Die EU-Kommission hat ihre Sondierungsgespräche mit Novavax am 17. Dezember 2020 abgeschlossen. Der geplante Vertrag würde allen EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten, zunächst 100 Millionen Dosen zu erwerben, mit der Option auf weitere 100 Millionen. |

Apothekerin Dr. Helga Blasius

 

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