Arzneimittel und Therapie

Ponesimod schlägt Teriflunomid

Neuer MS-Immunmodulator überzeugt in Vergleichsstudie

Am 1. Juni 2021 ist für Patienten, die an einer schubförmig remittierenden Form der multiplen Sklerose (MS) leiden, Ponesimod als neue Behandlungsoption in Europa zugelassen worden. Wie sich der Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator im direkten Vergleich mit dem bewährten Teriflunomid schlägt, wurde vor Kurzem untersucht – und die Ergebnisse sind vielversprechend.

Etwa 85% der an multipler Sklerose Erkrankten leiden unter der schubförmig remittierenden Form. Eine Heilung ist derzeit nicht möglich - die Behandlungsmöglichkeiten konnten jedoch durch den Einsatz von verlaufsmodifizierenden Medikamenten (Immuntherapeutika) deutlich verbessert werden. Als verlaufsmodifizierender Arzneistoff wird unter anderem Teriflunomid (Aubagio®) eingesetzt. Als aktiver Metabolit von Leflunomid blockiert Teriflunomid das Enzym Dihydro­orotat-­Dehydrogenase, welches für die De-­novo-Pyrimidinsynthese proliferierender Lymphozyten benötigt wird – es kommt zur Reduktion aktiver Lymphozyten. Ponesimod (Ponvory®), das seit dem 1. Juni 2021 in Europa zugelassen ist, moduliert selektiv den Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor, der sich auf der Oberfläche der Lymphozyten befindet, und verhindert so deren Übertreten aus den Lymphknoten in das zentrale Nervensystem. Ein Benefit von Ponesimod ist, dass es keine aktiven Metaboliten besitzt und eine kurze Halbwertszeit aufweist – so ist eine schnelle Reversibilität und Normalisierung der Lymphozytenzahl möglich, was bei einer ungeplanten Schwangerschaft, schweren Infektionen oder Impfungen von Vorteil ist.

Ein Drittel weniger Schübe

In der multizentrischen, doppelblind-randomisierten Phase-III-Überlegenheitsstudie (OPTIMUM) wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von Ponesimod im Vergleich zum bereits zugelassenen Teriflunomid untersucht. Die Studie wurde von April 2015 bis Mai 2019 in 162 Zentren in 28 Ländern durchgeführt. Insgesamt wurden 1133 Patienten mit schubförmig remittierender MS (EDSS-Score zwischen 0 und 5,5; s. Kasten) und aktiver Erkrankung, definiert durch klinische oder bildgebende Verfahren in die ­Studie eingeschlossen. Das mittlere Durchschnittsalter der Teilnehmer war 37 Jahre; 64,9% waren Frauen. 1 : 1-randomisiert erhielten 567 Teilnehmer einmal täglich peroral 20 mg Ponesimod und 566 Teilnehmer 14 mg Teriflunomid für 108 Wochen. Primärer Endpunkt war die jährliche Schubrate (Annualized Relapse Rate, ARR). Unter Ponesimod konnte diese im Vergleich zu Teriflunomid signifikant um 30,5% reduziert werden (mittlere ARR: 0,202 vs 0,290; p < 0,001).

EDSS und NEDA:

Der EDSS-Score (Expanded Disability Status Scale) ist ein Skalensystem zur systematischen Erfassung neurologischer Behinderungen von MS-Patienten. Die Skala wird in Grade von 0 bis 10 eingeteilt.

NEDA (No Evidence of Disease Activity): Wichtigstes Krankheitsziel bei MS ist das Fehlen von Krankheitsaktivität. Inwieweit dieses Ziel erreicht ist, wird anhand der NEDA-Kriterien ermittelt.

NEDA-3: Fehlen von Schüben, Behinderungsprogression, kein Auftreten von neuen oder vergrößerten Läsionen im Gehirn

NEDA-4: NEDA-3 plus Fehlen einer pathologischen Hirnatrophie und kognitiver Dysfunktion

Ponesimod punktet

In der Studie konnte gezeigt werden, dass Ponesimod die für MS-Patienten belastenden Fatigue-Symptome bessern konnte. Zudem konnte unter der Einnahme von Ponesimod im Vergleich zu Teriflunomid eine 56-prozentige Reduktion aktiver Läsionen im Gehirn festgestellt werden (p < 0,001). In Bezug auf die Behinderungsprogression gab es zwischen beiden Therapeutika keinen statistisch signifikanten Vorteil. Etwa jeder vierte Teilnehmer in der Ponesimod-Gruppe erreichte nach 108-wöchiger Behandlung das Stadium NEDA-3 (No Evidence of Disease Activity, s. Kasten), in der Teriflunomid-Gruppe waren es 16,4%. Der Anteil der Studienteilnehmer, welche das Stadium NEDA-4 erlangen konnten, war unter Ponesimod ebenfalls höher als unter der Einnahme von Teriflunomid (11,4% vs. 6,5%).

Und die Nebenwirkungen?

Das Auftreten von unerwünschten Ereignissen war in beiden Gruppen ähnlich. Am häufigsten traten erhöhte Alanin-Aminotransferase-Werte, Nasopharyngitis, Kopfschmerzen, Infektionen der oberen Atemwege und Haarausfall auf. In der Ponesimod-Gruppe kam es jedoch etwas häufiger zu einem vorzeitigen Therapieabbruch als in der Teriflunomid-Gruppe.

In der Studie konnte gezeigt werden, dass Ponesimod in der Wirksamkeit Teriflunomid überlegen ist. Auch das Sicherheitsprofil war ähnlich dem anderer Sphingosin-1-Phosphat-­Rezeptor-Modulatoren. Somit könnte Ponesimod künftig das Behandlungsspektrum bei schubförmig remittierender MS erweitern. |

Literatur

Kappos L et al. Ponesimod compared with Teriflunomide in patients with relapsing multiple sclerosis in the active-comparator phase 3 OPTIMUM study. JAMA Neruol 2021; doi:10.1001/jamaneurol.2021.0405

Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH; 2019

Übergang zur sekundär progredienten Multiplen Sklerose: Muss das sein? Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Dr. Meuth auf der MScience, Vwww.fokus-ms.de/ms-kongresse/mscience-mshift/progrediente-ms, Abruf am 22. April 2021

Expanded Disability Status Scale, Informationen der DocCheck Medical Services GmbH, https://flexikon.doccheck.com/de/Expanded_Disability_Status_Scale, Abruf am 22. April 2021

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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