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Wirtschaft

Lohn für außergewöhnliche Leistung

Eine Analyse der Daten des Apothekenwirtschaftsberichts 2021

Der Apothekenwirtschaftsbericht der ABDA für das Jahr 2020 zeigt die Fortsetzung bekannter Trends und einige Besonderheiten als Folgen der Pandemie. Auch 2020 sank die Apothekenzahl, und der Apothekenumsatz wurde durch hochpreisige Arzneimittel weiter erhöht, während die abgesetzte Packungszahl zurückging. Anders als in den vorigen Jahren stieg das durchschnittliche Betriebsergebnis der Apotheken deutlich. Damit haben die Apotheken einen Ertrag für ihre außergewöhnlichen Mühen in der Pandemie erzielt. | Von Thomas Müller-Bohn

Die in diesem Beitrag dargestellten Daten haben Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie der ABDA, und Dr. Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales der ABDA, bei der Wirtschaftskonferenz des Deutschen Apothekerverbandes am 10. Juni präsentiert. Ergänzend zur Darstellung der ABDA hat der Verfasser auch eigene Schlussfolgerungen entwickelt.

Weniger Apotheken – mehr Filialen

Im Berichtsjahr 2020 sank die Apothekenzahl um 322 auf 18.753 und ging damit im dritten Jahr in Folge um mehr als 300 zurück. Vor 2018 hatte es das nur einmal im AMNOG-Jahr 2012 (minus 317) gegeben. Dieser Sonderfall ist offenbar zu einer Art von „Normalität“ geworden. Dabei stieg die Zahl der Filialen im Jahr 2020 um 41 auf 4.643. Im ersten Quartal 2021 setzte sich der Rückgang der Apothekenzahl in ähnlicher Weise fort; sie sank auf 18.671. Dabei stieg die Zahl der Filialen in nur einem Quartal um bemerkenswerte 51 auf 4.694 Apotheken. Neben dem Rückgang der Gesamtzahl nimmt also der Trend zur Filialisierung offenbar noch weiter zu. Im Berichtsjahr hat sich der Trend weiter verstärkt, dass Filialen viel öfter durch Übernahmen entstehen als durch Neugründungen (siehe Abbildung 1). Im Verhältnis zur Zahl der Haupt- und Einzelapotheken gibt es bei den Filialen mehr Schließungen und mehr Neugründungen. Eine erfolglose Filiale zu schließen, fällt vergleichsweise leichter. Insgesamt waren die Nettozahlen der Schließungen und Neueröffnungen 2020 geringer als im Vorjahr. Möglicherweise hat die Pandemie manche Apotheker von langfristigen Entscheidungen abgehalten.

Unter den 18.753 Apotheken, die Ende 2020 bestanden, waren 10.811 Einzelapotheken (Vorjahr: 11.205). Die übrigen 42,4 Prozent der Apotheken gehörten zu einer Filialstruktur. Dies waren 2.278 Hauptapotheken mit jeweils einer Filiale (Vorjahr: 2.257), 698 Hauptapotheken mit jeweils zwei Filialen (Vorjahr: 688) und 323 Hauptapotheken mit jeweils drei Filialen (unverändert). Der Trend zu immer größeren Filialverbünden, der sich in den Vorjahren abgezeichnet hatte, hat sich damit nicht fortgesetzt.

Abb. 1: Veränderungen der Apothekenanzahl im Jahr 2020. Links stehen die Daten für alle öffentlichen Apotheken. In der Mitte und rechts werden diese Daten jeweils für Filialen und für Haupt- oder Einzelapotheken aufgegliedert. Quellen: Landesapothekerkammern, ABDA

Weniger Beschäftigte in Apotheken

In früheren Jahren wurde betont, dass die Zahl der Beschäftigten in Apotheken trotz sinkender Apothekenzahl stieg. Die Arbeit in den Apotheken wurde stets mehr, sie verteilte sich nur auf weniger Apotheken. Doch 2020 sank auch die Zahl der Beschäftigten in Apotheken, wenn auch um weniger als 0,1 Prozent (siehe Abbildung 2). Zudem nahm der Anteil der Teilzeitbeschäftigten weiter leicht zu. Im Unterschied zur Gesamtzahl der Beschäftigten stieg die Zahl der Apotheker in öffentlichen Apotheken auch 2020 weiter an. Doch auch bei der Entwicklung der Zahl der Apotheker gab es einige Unterschiede zu früher. Im Jahr 2020 stieg die Zahl der Apotheker in allen Beschäftigungsbereichen nur um 674 (Vorjahr: 1.402), und nur ein kleiner Teil dieses Anstiegs betraf das weitaus größte Arbeitsfeld öffentliche Apotheke. Dort wuchs die Zahl der Apotheker um nur 120 auf 52.996. Im Vorjahr hatte der Zuwachs noch 828 betragen. Im Berichtsjahr wuchsen die viel kleineren Berufsfelder Industrie und Krankenhaus auch absolut stärker (siehe Abbildung 3). In den Krankenhäusern wirken sich offenbar die Regelungen zum Apotheker auf Station aus. Ob die übrigen Veränderungen nur pandemiebedingte Ausnahmen sind, bleibt abzuwarten.

Abb. 2: Anzahl der Beschäftigten in Apotheken. Im Jahr 2020 sank erstmals die Zahl der Beschäftigten in Apotheken. Die angegebenen Zahlen für pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte schließen Apothekenhelfer, -facharbeiter, -assistenten, Pharmazeutische Assistenten und PKA in Ausbildung ein. Quelle: ABDA

Abb. 3: Tätigkeitsbereiche. So verteilten sich die berufstätigen Apothekerinnen und Apotheker im Jahr 2020 auf die Tätigkeits­bereiche. Quelle: ABDA

Neu: Kurzarbeit

Eine pandemiebedingte Besonderheit für einige Apotheken war 2020 die Kurzarbeit. Abbildung 4 zeigt die im Jahresverlauf sehr unterschiedliche Zahl der betroffenen Apotheken und Beschäftigten. Die große Schwankung der Zahlen unterstreicht die vorteilhafte Flexibilität der Kurzarbeit. Offenbar hatten im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 fast 1.000 Apotheken an ihrem Standort so massive Probleme, dass die Kurzarbeit eine gute Hilfe bot. Auch im zweiten Lockdown ab November gab es noch Bedarf dafür.

Abb. 4: Kurzarbeit in Apotheken im Jahr 2020. Die Abbildung zeigt, für wie viele Apotheken im Laufe des Jahres 2020 Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit angezeigt wurde und wie viele Beschäftigte davon betroffen waren. Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Weniger Absatz – mehr Umsatz

Bei der Entwicklung von Absatz und Umsatz haben sich die Trends der Vorjahre weiter verstärkt. Nach den Daten von ABDA und Insight Health hat die Zahl der in Apotheken abgegebenen Packungen 2020 um 80 Millionen auf 1.296 Millionen Packungen abgenommen (siehe Abbildung 5). Dabei ist der Anteil der Rx-Arzneimittel erneut und noch stärker als zuvor gestiegen - auf 57,8 Prozent (Vorjahr 55,3 Prozent). Während sich die Absatzzahlen nur auf Arzneimittel beziehen, schließen die Umsatzzahlen das apothekenübliche Ergänzungssortiment ein. Der Gesamtumsatz stieg nach den präsentierten Daten um 2,56 Milliarden Euro auf 56,71 Milliarden Euro (siehe Abbildung 6). Auch beim Umsatz stieg der Anteil der Rx-Arzneimittel deutlich auf 83,2 Prozent (Vorjahr: 81,7 Prozent). Das OTC-Geschäft geht demnach zurück, und im Rx-Bereich werden immer weniger Packungen abgesetzt, die jedoch einen zunehmenden Wert darstellen. Aufgrund der Festbeträge und des Preismoratoriums können die Preise der meisten Rx-Arzneimittel nicht steigen. Die Erklärung kann daher nur in den höheren Preisen neuer Arzneimittel und in vermehrten Verordnungen teurerer Arzneimittel liegen. Die Struktur der verordneten Arzneimittel ist daher verantwortlich für den Mehrumsatz. Aufgrund der überwiegend packungsabhängigen Preisbildung für Rx-Arzneimittel sollte der erhöhte Umsatz kaum auf den Rohertrag und das Betriebsergebnis der Apotheken durchschlagen.

Abb. 5: Arzneimittelabsatz in Apotheken im Jahr 2020. Die Abbildung zeigt die Verteilung der in Apotheken abgegebenen Arzneimittel, gemessen an der Packungszahl. Das Ergänzungssortiment wird hier nicht berücksichtigt. Quellen: ABDA, Insight Health

Noch mehr OTC beim Versand

Der Rückgang des OTC-Geschäfts in den Vor-Ort-Apotheken ist teilweise durch die Verlagerung zum Versand zu erklären. Gemäß Daten von Insight Health und Datamed IQ betrug der Anteil der öffentlichen Apotheken an der Abgabe apothekenpflichtiger und freiverkäuflicher Arzneimittel 80,4 Prozent vom Absatz und 79,8 Prozent vom Umsatz. Dabei sank der Absatz um 11,2 Prozent und der Umsatz um 9,1 Prozent. Gleichzeitig legten die Versender im OTC-Geschäft zu. Der Absatz stieg dort um 11,1 Prozent, der Umsatz um 13,5 Prozent. Bei diesen Zahlen ist zu beachten, dass die ABDA offenbar ihre Datenquelle gegenüber der Präsentation aus dem Vorjahr geändert hat. Die wesentliche Erkenntnis an dieser Stelle ist, dass der Versand einen Marktanteil von etwa 20 Prozent am OTC-Geschäft erreicht hat.

Dagegen bewegt sich der Anteil des ausländischen Versandes an den Arzneimittelausgaben der GKV weiterhin in der Größenordnung von etwas mehr als einem Prozent. Dies ergibt sich aus der „KV45“-Statistik des Bundesgesundheitsministeriums, die den Umsatz der GKV für Arznei- und Verbandmittel mit ausländischen Versendern angibt. Dort gibt es beträchtliche prozentuale Schwankungen. Der Betrag stieg im Jahr 2020 um 8,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 457 Millionen Euro. Das ist jedoch nur ein sehr kleiner Teil der Gesamtausgaben der GKV für Arzneimittel (einschließlich Apothekenhonorar) in Höhe von 37,56 Milliarden Euro.

Abb. 6: Umsatzstruktur in Apotheken im Jahr 2020. Die Abbildung zeigt die Verteilung der Umsätze der Apotheken auf verschiedene Produktgruppen. Im Unterschied zu Abbildung 5 wird hier auch das Ergänzungssortiment erfasst. Quellen: ABDA, Insight Health

Schwankungen im Pandemieverlauf

Bedingt durch die Pandemie schwankten die Umsätze der Apotheken im Verlauf von 2020 außergewöhnlich (siehe Abbildung 7). Nach den „Hamsterkäufen“ im März folgte der Lockdown, in dem die Vorräte aufgebraucht wurden. Ab Juni normalisierten sich die Umsätze. Dies betraf Rx- und OTC-Umsätze in ähnlicher Weise. Der Vergleich der OTC-Umsätze in öffentlichen Apotheken und im Versand zeigt außerdem, wie die Pandemie das Kaufverhalten verändert hat. Der OTC-Versand lag ganzjährig im Plus gegenüber dem Vorjahr. Dagegen drehte der OTC-Umsatz vor Ort im April-Lockdown ins Minus und erreichte bis zum Jahresende 2020 nicht wieder das Niveau des Vorjahres. Für das gesamte Jahr ergeben sich gemäß Daten von Insight Health und Datamed IQ die bereits erwähnten Umsatzveränderungen von plus 13,5 Prozent (OTC-Versand) und minus 9,1 Prozent (OTC vor Ort) sowie ein Plus von 3,8 Prozent beim Rx-Umsatz der öffentlichen Apotheken. Eine wesentliche Frage für die Vor-Ort-Apotheken wird sein, ob die pandemiebedingte Veränderung des Kaufverhaltens bei den OTC-Arzneimitteln nach der Pandemie anhalten wird.

Für das OTC-Geschäft kam 2020 erschwerend hinzu, dass die Abgabe von Erkältungsmitteln geradezu eingebrochen ist. Der Umsatz mit Erkältungsmitteln in öffentlichen Apotheken sank gegenüber dem Vorjahr um 27,1 Prozent auf 987 Millionen Euro. Der Absatz ging um 26,2 Prozent auf 132 Millionen Packungen zurück. Offenbar blieben Erkältungen wegen der Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen oft aus. Doch auch das traf den Versand weniger. Der Marktanteil des Versandes bei Erkältungsmitteln stieg gegenüber dem Vorjahr von 13,4 Prozent auf 19,3 Prozent beim Umsatz und von 16,2 Prozent auf 22,3 Prozent beim Absatz.

Abb. 7: Umsatzentwicklung im Verlauf des Pandemiejahres 2020. Als Folge der Pandemie schwankten die Arzneimittelumsätze im Laufe des Jahres 2020 erheblich. Dabei folgten die Umsätze der Rx-Arzneimittel in öffentlichen Apotheken, der OTC-Arzneimittel in öffentlichen Apotheken und der OTC-Umsätze im Versand einem ähnlichen Muster, aber die Veränderungen bewegten sich auf unterschiedlichem Niveau. Quellen: Insight Health, Datamed IQ, ABDA

Desinfektionsmittel

Durch die Pandemie sind zudem einige Besonderheiten zu erwähnen, die in früheren Wirtschaftsberichten der ABDA nicht vorkamen. Dazu gehört die kurzfristig organisierte Herstellung von Desinfektionsmitteln in Apotheken. Gemäß ABDA-Daten haben 75,4 Prozent der Apotheken diese Aufgabe wahrgenommen. Nach Angaben der ABDA haben 50,4 Prozent (vermutlich bezogen auf die 75,4 Prozent der Apotheken mit Desinfektionsmittelherstellung) jeweils bis zu 100 Liter und 21,8 Prozent dieser Apotheken zwischen 100 und 200 Liter hergestellt. In 3,5 Prozent dieser Apotheken waren es sogar zwischen 600 und 1.200 Liter. Durchschnittlich wurden 401 Liter hergestellt, der Median waren 85 Liter. Der große Unterschied zwischen Durchschnitt und Median verdeutlicht die große Streuung der Werte. Rein rechnerisch hätten damit rund 14.100 beteiligte Apotheken insgesamt für jeden Einwohner eine Packung mit 68 Millilitern Desinfektionsmittel hergestellt (eigene Berechnungen).

Masken

Die bundesweite Maskenverteilung in den Apotheken begann erst im Dezember 2020, doch auch dazu präsentierte die ABDA bereits Daten. Die ABDA schätzt, dass in der ersten Stufe bis zum 6. Januar 2021 etwa 90 Millionen Masken an rund 30 Millionen Berechtigte abgegeben wurden. Für die weiteren Stufen liegen Daten des Bundesamtes für Soziale Sicherung vor. Gemäß dem Stand vom 26. April 2021 haben die Apotheken in der zweiten Stufe im Januar und Februar 170,3 Millionen Masken, in der dritten Stufe von Mitte Februar bis Mitte April 136,1 Millionen Masken sowie 24,3 Millionen Masken an ALG-II-Empfänger abgegeben.

Botendienste

Nach ABDA-Daten boten im Berichtsjahr 97,6 Prozent der Apotheken Botendienste an (Vorjahr: 97,2 Prozent). Dabei lieferten 41,7 Prozent der Apotheken mehrmals täglich (Vorjahr: 34,8 Prozent) und 50,0 Prozent einmal täglich (Vorjahr: 53,4 Prozent) aus. Bei der seit 2018 erhobenen Entfernung der Botendienstlieferungen von der Apotheke zeigt sich ein leichter Trend zu größeren Strecken. Seit April 2020 werden Botendienste vergütet. Die ABDA hat dazu die Zahl der über das Sonderkennzeichen vergüteten Botendienste für GKV-Versicherte präsentiert. Die PKV wird dabei nicht erfasst. Durch die GKV wurden 0,41 Millionen Botendienste im April 2020 vergütet, jeweils zwischen 2,22 und 2,69 Millionen Botendienste in den Monaten Mai bis Dezember 2020, 2,39 Millionen Botendienste im Januar 2021 und 2,37 Millionen Botendienste im Februar 2021.

Weitere Besonderheiten im Jahr 2020

Ein Teil der zusätzlichen Aufgaben in der Pandemie führte damit auch zu zusätzlichen Einnahmen. Zugleich entstanden zusätzliche Kosten durch die Pandemie. Die ABDA hat dazu die zusätzlichen Sachkosten, beispielsweise für Spuckschutzwände und weitere Hygienemaßnahmen ermittelt. Demnach hatten 21,8 Prozent der Apotheken zusätzliche Kosten von bis zu 1.000 Euro, 26,8 Prozent der Apotheken von 1.000 bis 2.000 Euro und 20,0 Prozent der Apotheken von 2.000 bis 3.000 Euro. In 5,6 Prozent der Apotheken lagen die zusätzlichen Kosten sogar über 6.500 Euro. Als Durchschnitt gibt die ABDA 2.500 Euro pro Apotheke an. Bei der Präsentation betonte Korf, dass dabei keine Personalkosten für zusätzliche Aufgaben oder für die Mehrarbeit durch Aufteilung in getrennte Teams erfasst wurden. Die Bezeichnung als Zusatzkosten durch die Pandemie kann daher missverstanden werden. Bei den Personalkosten dürfte die Belastung der Apotheken weitaus größer gewesen sein.

Eine weitere Neuerung des Jahres 2020 war – unabhängig von der Pandemie – die im September eingeführte Apothekenpflicht für Arzneimittel gegen Hämophilie. Im Jahr 2020 belief sich der GKV-Umsatz mit diesen Arzneimitteln auf 316 Millionen Euro für 148.000 Packungen. Ab September setzen die Apotheken monatlich jeweils zwischen 50 und 70 Millionen Euro mit diesen Arzneimitteln um.

Apotheken preisgünstig für das System

Wie in jedem Jahr macht die ABDA in den Wirtschaftsdaten wieder deutlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken langfristig hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurückbleibt. Die Vergütung pro Rx-Packung stieg zwischen 2004 und dem Prognosewert für 2021 um 18,5 Prozent, der Verbraucherpreisindex um 26,5 Prozent, die Tariflöhne in Apotheken um 37,3 Prozent, das Brutto­inlandsprodukt um 51,6 Prozent und die GKV-Einnahmen um 85,3 Prozent. Im Jahr 2020 gab die GKV 5,45 Milliarden Euro für das Apothekenhonorar aus (Vorjahr: 5,35 Milliarden Euro). Der Anteil lag damit unverändert bei 2,1 Prozent der GKV-Ausgaben. Die GKV-Ausgaben für Arzneimittel (ohne Apothekenhonorar) stiegen auf 32,11 Milliarden Euro bzw. 12,2 Prozent (Vorjahr: 30,06 Milliarden Euro bzw. 11,9 Prozent). Bei der Wirtschaftskonferenz erklärte Korf dazu: „Wir sind Teil der Lösung, nicht Teil des Problems“. Korf und Bauer betonten mehrfach die bevorstehenden Herausforderungen durch die pandemiebedingte Staatsverschuldung und die Belastungen der GKV und der PKV. Demnach erwartet die ABDA nach der Bundestagswahl verstärkte Diskussionen über Einsparungen im Gesundheitswesen. Die Apotheken sollten jedoch mit Blick auf die Pandemie darauf verweisen, wie wichtig ein leistungsfähiges dezentral organisiertes Gesundheitssystem ist.

Durchschnittsumsatz wieder gestiegen

Nach der Beschreibung der vielfältigen Entwicklungen im Berichtsjahr stellt sich die Frage, wie sich dies alles betriebswirtschaftlich auf die Apotheken ausgewirkt hat. Obwohl Umsätze bei einer überwiegend packungsbezogenen Honorierung wenig aussagen, richtet sich das Augenmerk traditionell zunächst auf diese Kennzahl. Wie in früheren Jahren stieg der durchschnittliche Apothekenumsatz 2020 erneut, aber anders als zuvor näherten sich die typische und die durchschnittliche Apotheke einander etwas an.

Die ABDA schlüsselte bei der Verteilung der Nettoumsätze der Apotheken erstmals die Umsatzgrößenklassen über 5 Millionen Euro weiter auf (siehe Abbildung 8). Dabei wird nicht zwischen Haupt-/Einzelapotheken und Filialen unterschieden. Der Durchschnittsumsatz stieg um 7,3 Prozent auf 2,776 Millionen Euro (Vorjahr: 2,587 Millionen Euro). Der Gesamtumsatz verteilte sich auf eine um 1,7 Prozent geringere Apothekenzahl als im Vorjahr, weshalb der Durchschnitt auch bei einem unveränderten Gesamtumsatz steigen würde. Aus den in Abbildung 6 dargestellten Daten ergibt sich ein um 4,7 Prozent höherer Warenumsatz, der jedoch überwiegend auf zunehmend teuren Arzneimitteln beruhen dürfte, während die wichtigere Packungszahl sogar gesunken ist. Der Umsatzzuwachs sollte daher nur zu einem kleinen Teil ertragswirksam sein.

Abb. 8: Verteilung der Nettoumsätze der Apotheken im Jahr 2020. Die Häufigkeitsverteilung für die Nettoumsätze zeigt, wie viel Prozent der Apothekenbetriebsstätten zu den jeweiligen Umsatzgrößenklassen gehören. Angegeben ist jeweils das obere Ende der Klasse. Die Apotheken der häufigsten Umsatzgrößenklasse setzen zwischen 1,75 und 2,00 Millionen Euro um. Der Durchschnittsumsatz ist deutlich höher. Mehr als 60 Prozent der Apotheken setzen weniger als diesen Durchschnittsbetrag um. Bei den drei obersten Umsatzgrößenklassen ist die Skala der Abszisse verzerrt. Quelle: ABDA

Wachstum auch bei typischen Apotheken

Die Durchschnittsangaben beschreiben nicht die Situation der meisten Apotheken, weil über 60 Prozent der Apotheken einen Umsatz unter dem Durchschnitt erzielen. Die häufigste Umsatzgrößenklasse und damit die typische Apotheke setzte 2020 zwischen 1,75 und 2 Millionen Euro um. Im Vorjahr war das noch die darunterliegende Größenklasse mit 1,5 bis 1,75 Millionen Euro. Für 2020 weist die ABDA 1,863 Millionen Euro als typischen Umsatz aus. Seit 2008 war das Verhältnis zwischen durchschnittlichem und typischem Umsatz stets gestiegen. Die großen Apotheken sind also immer mehr gewachsen. Im Jahr 2020 ging dieses Verhältnis jedoch zurück. Die typische Apotheke ist demnach gewachsen und konnte gegenüber der Durchschnittsapotheke aufholen. Die Durchschnittsapotheke setzte das 1,49-Fache der typischen Apotheke um, im Vorjahr war es noch das 1,57-Fache. Die Entwicklung dieser Zahl kann Bedeutung für die Zukunft des Apothekensystems haben. Denn ein System, in dem fast nur die Größten wachsen, ist langfristig nicht stabil. Das ist kein Strukturwandel, sondern führt zum Zusammenbruch des Systems. Wenn sich der größte Teil der Apotheken nicht entwickeln kann, wird die Flächendeckung irgendwann scheitern. Insofern macht die kleine Zahlenveränderung Hoffnung. Allerdings kann die Erklärung darin liegen, dass in der Pandemie Umsätze von großen Center-Apotheken in kleinere wohnortnahe Apotheken verlagert wurden, was sich wieder ändern kann.

Wareneinsatz gestiegen

Der Wareneinsatz der Apotheken ist 2020 auf 77,5 Prozent vom Nettoumsatz gestiegen (Vorjahr: 77,0 Prozent). Auch dies dürfte eine Folge des größeren Hochpreiseranteils sein. Der Anteil der Personalkosten ist auf 10,1 Prozent vom Nettoumsatz gesunken (Vorjahr: 10,5 Prozent). Dies passt zur praktisch stagnierenden Zahl der Beschäftigten in Apotheken und dürfte auch mit dem Lockdown zusammenhängen. Die sonstigen Kosten sanken auf 6,8 Prozent vom Umsatz (Vorjahr: 6,9 Prozent).

Deutlich höheres Betriebsergebnis

Letztlich erhöhte sich das durchschnittliche Betriebsergebnis der Apotheken um 13,2 Prozent auf 168.068 Euro gegenüber 148.436 Euro im Vorjahr (siehe Abbildung 9, braune Säulen). Gerade in diesem Jahr erscheint es besonders bedauerlich, dass die ABDA weiterhin keine Daten über die Streuung der Betriebsergebnisse der Apotheken liefert. Dies wäre angesichts der standortabhängigen Effekte der Pandemie und für die Abschätzung der langfristigen wirtschaftlichen Folgen sehr interessant. Wie oben dargestellt, ist das gestiegene Betriebsergebnis nur zu einem kleinen Teil durch die gestiegenen Warenumsätze und die Umverteilung von den geschlossenen Apotheken zu erklären. Auch Skalenerträge durch das Wachstum der Apotheken können nur einen kleinen Effekt haben. Als Erklärung bleiben zusätzliche Einnahmen durch die erhöhte Notdienstpauschale, die erhöhte Dokumentationsgebühr für BtM-Rezepte, das Botendiensthonorar und die erste Stufe der Maskenverteilung. Bauer ließ bei der Wirtschaftskonferenz keinen Zweifel, dass die Sonderentgelte für das höhere Betriebsergebnis verantwortlich sind. Damit entkopple sich das Betriebsergebnis von der verminderten Packungszahl. Doch so erfreulich dies für 2020 sei, biete das keine Planungssicherheit für die Zukunft. Bauer untermauerte dies mit den Daten zum durchschnittlichen Teilbetriebsergebnis der Apotheken aus der GKV-Versorgung. Dies liegt seit 2017 bei etwa 84.000 Euro und stieg von 84.205 Euro im Jahr 2019 nur minimal auf 84.631 Euro im Berichtsjahr. Dort lag der Grund für die Veränderung von 2020 also nicht.

Abb. 9: Absolute und umsatzbezogene Betriebsergebnisse der Apotheken von 2003 bis 2020. Die braunen Säulen geben die steuerlichen Betriebsergebnisse durchschnittlicher Apothekenbetriebsstätten in Euro an (linke Skala). Die darin integrierten blauen Säulen zeigen diese steuerlichen Betriebsergebnisse in Prozent vom Nettoumsatz (rechte Skala). Dabei ist die Skala der Abszisse verzerrt – von 2003 bis 2017 ist nur jedes zweite Jahr angegeben, ab 2017 jedes Jahr. Quelle: ABDA

Längst fällige Honorierung

Zu dieser Erklärung ist zu ergänzen, dass die zusätzlichen Entgelte außer der Maskenhonorierung unmittelbar ertragswirksam sind, sofern Leistungen honoriert wurden, die bisher schon ohne Entgelt erbracht wurden. Die Apotheken haben damit an einigen Stellen die seit Jahren überfällige Honorierung für vielfältige Aufgaben erhalten, die bei der Gestaltung der Honorare nicht eingepreist waren und die seit Jahren belastend wirken. Der Zuwachs des durchschnittlichen Betriebsergebnisses mag beeindruckend erscheinen, zeigt aber letztlich, welche Honorierung den Apotheken seit Jahren vorenthalten wurde. Außerdem ist das Ergebnis zu einem Teil der Lohn für die außergewöhnliche Arbeit in der Pandemie.

Atempause statt Dynamisierung

Betriebswirtschaftlich kann das Ergebnis aber nicht als besondere Wertschätzung überzeugen, sondern es sollte eher Normalität sein. Denn der Anstieg des Betriebsergebnisses relativiert sich im Vergleich zum Nettoumsatz. Es betrug im Berichtsjahr 6,1 Prozent vom Nettoumsatz (siehe Abbildung 9, blaue Säulen). Damit wurde der Wert von 2018 wieder erreicht. Weniger war es nur in den AMNOG-Jahren 2011 und 2012 und im Jahr 2019. Demnach haben die zusätzlichen Honorare nur die Belastungen ausgeglichen, die sich durch die sinkende Packungszahl und die Umsatzverlagerung zu ertragsschwachen Hochpreisern seit 2018 ergeben haben. So verschaffen die Sonderfaktoren den Apotheken eine Atempause, aber dies ist keine Trendwende zu einer nachhaltig stabilen Honorierung, die die strukturellen Effekte berücksichtigt. Die grundsätzliche Herausforderung für eine Dynamisierung der 2004 eingeführten Honorarstruktur bleibt bestehen. Die Notwendigkeit dafür wird durch die jüngste Sonderentwicklung allerdings kaschiert, sodass die Aussicht auf ein langfristig tragfähiges Konzept vorläufig sogar sinkt.

Prognose der ABDA

Als Prognose der ABDA erklärte Bauer bei der Wirtschaftskonferenz, für 2021 sei ein sinkendes Betriebsergebnis der Apotheken zu erwarten. Es werde zwischen den Werten von 2019 und 2020 liegen. Steigende Lohnkosten und die weitere Abwanderung von OTC-Umsätzen zum Versand könnten negativ wirken. Außerdem drohe nach der Pandemie eine Rückkehr zu einer stärker von der Politik beeinflussten Lage der Apotheken. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Dipl.-Kaufmann, DAZ-Redakteur

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