Arzneimittel und Therapie

Beste Wahl bei menstrueller Migräne

Welche Akutmedikation, Prophylaxe und Verhütung empfehlenswert sind

Jeden Monat dieselbe Qual: Neigt sich der Zyklus dem Ende, ist die nächste Migräneattacke nicht mehr fern. Bei menstrueller Migräne sind die Schmerzen zwar vorhersehbar, dafür häufig schwerer und lang anhaltender als unter normaler Migräne und mit den verfügbaren Therapieoptionen schwieriger zu behandeln. Den Zeitvorteil kann man dennoch nutzen: Mit einer sogenannten Kurzzeitprophylaxe kann die nächste Attacke gemildert oder sogar verhindert werden. Für welche Arzneimittel spricht die aktuelle Studienlage?
Foto: Andrey Popov/AdobeStock

Zwei Tage vor bis drei Tage nach Einsetzen der Blutung treten die Schmerzattacken einer menstruellen Migräne auf.

Um eine menstruelle Migräne handelt es sich, wenn die Attacken in der Zeitspanne von zwei Tage vor bis zu drei Tage nach dem Einsetzen der Blutung und mindestens während zwei von drei Zyklen auftreten. Kommt es auch außerhalb dieses Fensters zum Kopfschmerz, spricht man von einer menstruationsbedingten Migräne. Attacken während der Periode dauern länger als nicht-menstruelle Schübe, sprechen schlechter auf Arzneimittel an und können nach einer kurzzeitigen Besserung noch einmal mit voller Wucht zurückkommen. Vermutlich sind diese Besonderheiten in der Pathophysiologie begründet.

Noch viele Fragezeichen

Die Mechanismen im Hintergrund einer menstruellen Migräne sind noch immer nicht ganz verstanden. Sicher ist, dass Hormonschwankungen eine Rolle spielen. Dafür spricht nicht nur das periodische Auftreten, sondern auch die Änderungen in hormonell besonderen Situationen: So erfahren Betroffene in Schwangerschaft und Stillzeit meist eine Linderung, während in der Perimenopause die Migräne-Prävalenz steigt. Bisher konnte aber weder ein Unterschied in der absoluten Estrogen-Konzentration zwischen Frauen mit und ohne menstrueller Migräne, noch ein Grenzwert des Estrogen-Spiegels ausgemacht werden.

Die Beteiligung der weiblichen Sexualhormone an der Pathogenese darf jedoch kaum bezweifelt werden. Sie können die Aktivität verschiedener Neurotransmittersysteme modulieren, die an Migräne sowie an der Schmerzübertragung im Allgemeinen beteiligt sind, darunter das opioide und das serotonerge System. Estrogen hat zudem Einfluss auf die Sensibilisierung von Trigeminusneuronen über pro­nozizeptive Neuropeptide wie das Calcitonin-Gen-verwandte Peptid (CGRP) – ein Schlüsselmolekül bei Migräne.

Was hilft im Akutfall?

Noch weniger ist bekannt über die Rolle von Prostaglandinen. Frauen mit Dysmenorrhö, bei denen der Schmerz durch Prostaglandine vermittelt wird, tragen ein höheres Risiko für menstruelle Migräne. Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), die die Prostaglandin-Synthese hemmen, sind im Akutfall sicher und wirksam. Naproxen wartet mit einer vergleichsweise langen analgetischen Wirkung von zwölf Stunden auf (Diclofenac: ca. sechs Stunden, Ibuprofen: vier bis sechs Stunden) und hat sich in der Kurzzeitprophylaxe bewährt (siehe Interviewkasten). Aufgrund der Häufigkeit, der Dauer und der Schwere von menstruellen Attacken muss das Risiko eines Arzneimittelübergebrauch-Kopfschmerzes im Auge behalten werden. Bei lang anhaltenden, intensiven Attacken sind Triptane indiziert. Ihre Wirksamkeit bei menstrueller Migräne ist belegt. Bei etwa der Hälfte der Patientinnen wirken sie allerdings weniger gut als bei Frauen mit Attacken außerhalb der Periode. Die Kombination mit einem NSAR kann sinnvoll sein, da sich hierdurch die Wirkdauer des Triptans verlängern lässt. Die Vertreter Almotriptan, Frovatriptan, Rizatriptan und Zolmitriptan zeigten in Studien eine äquivalente Wirksamkeit bei perimenstruellen Attacken in puncto zweistündige Schmerzlinderung, Schmerzfreiheit und anhaltende Schmerzfreiheit nach 48 Stunden. Frovatriptan stach aber mit der niedrigsten Rezidivrate heraus, vermutlich aufgrund seiner langen Halbwertszeit von 26 Stunden, und wird heute bevorzugt eingesetzt (siehe Kasten „Lieferengpass Allegro®“).

Lieferengpass Allegro® (Frovatriptan)

Zur Markteinführung 2012 von Berlin-Chemie noch als das „Triptan für alle“ beworben, steht Frovatriptan (Allegro®) heute eher im Schatten seiner Verwandten Sumatriptan, Zolmitriptan, Rizatriptan und Naratriptan – außer bei menstrueller Migräne. Hier empfiehlt sich Frovatriptan, da seine Wirkung lange anhält. Zudem soll die Rate an Rezidiven und Nebenwirkungen geringer sein als unter Sumatriptan. Derzeit ist das Präparat Allegro® jedoch nicht lieferbar. Die Wirkstoffbeschaffung gestalte sich schwieriger als erwartet, begründet der Hersteller. Man gehe davon aus, erst ab Ende 2021 wieder lieferfähig zu sein.

Was schützt vor einer Attacke?

Spricht die übliche Akuttherapie nicht ausreichend an, rückt eine medikamentöse Prophylaxe in den Vordergrund. Eine generelle Prophylaxe mit Kandidaten wie Topiramat ist bei menstrueller Migräne eigentlich nicht angezeigt, da die Attacken nur einmal pro Monat auftreten. Zudem konnte das Antiepileptikum in Studien auch nicht überzeugen. Für die Praxis geeignet ist dagegen eine sogenannte Kurzzeitprophylaxe mit Naproxen und einem Triptan im Off-Label-Use, zum Beispiel Frovatriptan (zweimal täglich 2,5 mg). Die Intervention beginnt zwei Tage vor dem erwarteten Einsetzen der Migräne und wird über insgesamt sechs bis sieben Tage durchgeführt. Alternativ kommt das Duo Naproxen und Naratriptan in Betracht. Ein Pluspunkt: Unter Naratriptan ist keine Toleranzentwicklung zu befürchten. Allerdings können nach Ende der Kurzzeitprophylaxe vermehrt Attacken auftreten.

Die perkutane Gabe von niedrig dosiertem Estrogen wird dagegen nicht mehr empfohlen, da die Attacke zwar aufgeschoben, aber nach Absetzen des Estrogens sogar stärker sein kann.

Welche Verhütung ist sicher?

Hormone spielen dafür bei der Auswahl einer geeigneten Verhütungsmethode eine große Rolle. Kombinierte orale Kontrazeptiva beeinflussen den Verlauf der menstruellen Migräne leider meist nachteilig. Wichtig: Bei einer Migräne mit Aura sind kombinierte orale Kontrazeptiva tabu, da beide unabhängig das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall erhöhen. In diesem Fall sind reine Gestagen-­Präparate eine Option. Angesichts des Sicherheitsprofils und zweier Beobachtungsstudien wäre Desogestrel besonders geeignet. Bei menstrueller Migräne ohne Aura und in Abwesenheit weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren spricht nichts gegen kombinierte orale Kontrazeptiva, außer sie entpuppen sich als Triggerfaktor. Auch dann bietet ein Gestagen-Präparat einen Ausweg. Frauen, die bereits mit kombinierten oralen Kontrazeptiva verhüten, sollten die Einnahme für drei bis sechs Monate pausieren oder einen Präparate-Wechsel erwägen. Hier muss allerdings individuell ausprobiert werden. Die internationalen Fachgesellschaften raten zu Präparaten für den Langzeitzyklus, um die Zahl der Zyklen und der dadurch getriggerten Migräneattacken zu reduzieren. Noch gibt es kaum Daten über die Wirksamkeit von Depot-Injektionen, Implantaten oder Intrauterin-­Systemen. Verhütungsmethoden, die zu Amenorrhoe führen, scheinen aber generell besser bei menstrueller Migräne geeignet zu sein als andere. Noch gibt es keine zugelassene Strategie für die Kurzzeitprophylaxe der menstruellen Migräne. Welche Risiken der Off-Label-Use von Triptanen birgt, klärt Prof. Hans-Christoph Diener, Essen, im Interview auf der vorigen Seite. In der Pipeline befindet sich der GABAA-modulierende Steroidant­agonist Sepranolon zur Behandlung der prämenstruellen Dysphorie. Auch Erenumab, ein monoklonaler Antikörper gegen den CGRP-­Rezeptor, wird als Option gehandelt. Zu anderen neuen Substanzen wie den 5-HT1F-Rezeptor-Agonisten Lasmiditan und den CGRP-Antagonisten Gepants werden noch Daten gesammelt. |
 

Literatur

S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, herausgegeben von der Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), AWMF-Registernummer: 030/057, Stand: November 2020

Vetvik KG et al. Menstrual migraine: a distinct disorder needing greater recognition. Lancet Neurol 2021;20:304–15

Holle D et al. Frauenspezifische Therapie der Migräne. Arzneimitteltherapie 2015;33:288–94

Borsch J. Pausenlos verhüten bei Migräne. Meldung auf DAZ.online vom 7.September 2016, verfügbar unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2016/09/07/pausenlos-verhueten-bei-migraene, Abruf am 18.Mai 2021

Schwabe U et al. Arzneiverordnungs-Report 2017, Springer-Verlag

Korrespondenz bei der Autorin

Apothekerin Rika Rausch

 

 

„Temporärer Triptan-Einsatz bedenkenlos möglich“

Drei Fragen zur Kurzzeitprophylaxe von menstrueller Migräne

Derzeit ist kein Arzneimittel zur Kurzzeitprophylaxe bei menstrueller Migräne zugelassen. In der Praxis kommen off label Triptane zum Einsatz – bis zu sieben Tage am Stück in Maximaldosierung. Prof. Diener ist federführender Autor der S1-Leitlinie Migräne und weiß um mögliche Risiken dieser Strategie.

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

DAZ: Frovatriptan wird noch eine Weile nicht verfügbar sein. Welches Triptan empfehlen Sie als nächstes?
Diener: Das Triptan der zweiten Wahl für die Kurzzeitprophylaxe der menstruellen Migräne ist Naratriptan. Dessen Wirkung ist ebenfalls gut belegt.

DAZ: Falls ein Triptan nicht anschlägt, sollten dann noch andere versucht werden?
Diener: Wenn ein bestimmtes Triptan nicht ausreichend wirkt, lohnt es sich ein anderes auszuprobieren. Wenn die Wirksamkeit weiterhin nicht ausreichend ist, kann das Triptan mit einem nichtsteroidalen Antirheumatikum wie Ibuprofen oder Naproxen kombiniert werden.

DAZ: Welche Gefahren gehen von einer Kurzzeitprophylaxe mit Triptanen aus?
Diener: Es bestehen keinerlei Risiken, wenn Triptane über eine Woche eingenommen werden. Ebenso wenig besteht Gefahr, bei der Einnahme von Triptanen über sechs bis sieben Tage einen arzneimittelinduzierten Dauerkopfschmerz zu entwickeln. Um dieses Krankheitsbild zu bekommen, müssen Triptane über mehrere Jahre an zehn und mehr Tagen im Monat eingenommen werden.

DAZ: Professor Diener, vielen Dank für das Gespräch!

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