Kongresse

Mehr als Daten sammeln

Wie das Medikationsmanagement im Krankenhaus 2021 aussieht

Der Pandemie geschuldet fand der 46. wissenschaftliche Kongress des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker e. V. (ADKA) vom 6. bis 8. Mai 2021 im virtuellen Raum statt. An drei Kongresstagen informierten über 1000 Teilnehmer über verschiedene Aspekte der Krankenhauspharmazie. Im Mittelpunkt der Vorträge und Seminare stand das Medikationsmanagement im Krankenhaus. Zahlreiche themengebundene Beiträge von Industriepartnern, ein PTA-Programm sowie Posterpräsentationen ergänzten den Kongress.

In der einleitenden Keynote Lecture erläuterten eine Apothekerin eines Krankenhauses der Grund- und Regelversorgung sowie ein an einer Universitätsklinik tätiger Pharmazeut ihre Beiträge zu einem verbesserten Medikationsmanagement. Hierbei zeigte sich die Erweiterung der Medikationsanalyse hin zum umfassenden Medikationsmanagement. Während die Medikationsanalyse die individuelle Betreuung eines Patienten zum aktuellen Zeitpunkt beschreibt, umfasst das Medikationsmanagement einen umfangreichen klinisch-pharmazeutischen Service. Darunter fallen unter anderem das Aufdecken von Interaktionen und Verordnungsfehlern, die ­Erhöhung der Arzneimitteltherapie­sicherheit, die Mitarbeiter-, Patienten- und Pflegeschulung, die Kooperation zwischen Arzt und Apotheker, der Ausbau des Antibiotic Stewardships, die Mitarbeit auf der Station als Stationsapotheker sowie das Aufnahme- und Entlassmanagement. Diese Herausforderungen verlangen die Ex­pertise und Spezialisierung aller Beteiligten. Welche Rolle hierbei der Stationsapotheker spielt, war Inhalt ­einer weiteren Keynote Lecture, der sich eine Podiumsdiskussion mit ­Vertretern des VUD (Verband der ­Universitätskliniken Deutschlands), der DKG (Deutsche Krankenhausgesellschaft), einer Krankenhausleitung, einer Krankenkasse sowie der ADKA anschloss.

Kopf oder Bauch? – Richtig entscheiden in Zeiten von Big Data

Der Mensch trifft täglich rund 100.000 Entscheidungen, wobei unser Vorderhirn Informationen nur begrenzt aufnehmen und verarbeiten kann. Wie trifft der Mensch seine Entscheidungen und was unterscheidet ihn von Maschinen, die unendlich mehr Daten aufnehmen können? Mit diesen Fragen beschäftigte sich Prof. Dr. Volker Busch, Regensburg, in dem diesjährigen Festvortrag. Das reine Verarbeiten von Daten erfolgt nach ­einer Mustererkennung. In diesem Punkt ist das menschliche Gehirn einer Maschine weit unterlegen. Zum Treffen einer klugen Entscheidung reicht indes die Mustererkennung nicht aus. Erforderlich ist das Herstellen eines Kontextes und der sinnhaften Bewertung der Daten. Das heißt, die Daten zu erfassen ist ein Teil, der entscheidende Schritt ist aber das Erkennen von Zusammenhängen. Der Mensch greift hierbei auf seine Erfahrung zurück (Bauchgefühl, unbewusste Wahrnehmung). Busch beschreibt dies als „Erfahrungsbibliothek im Kopf“ oder als intuitives System, das auf Abweichungen von Bekanntem reagiert. Diese Erfahrungen muss der Mensch selbst machen und kann dabei auf kein technisches Hilfsmittel zurückgreifen. Der eigene Sachverstand speist sich aus der Erfahrung, wobei sich der Mensch immer wieder mit der eigenen Erfahrung auseinandersetzen muss, um Fehler zu verhindern und klug entscheiden zu können.

Lieferengpässe in Pandemiezeiten

Das Thema Lieferengpässe wurde in einer Keynote Lecture von Prof. Dr. Dr. Klaus Nagels, Bayreuth, unter ­verschiedenen Aspekten beleuchtet. Neben Ausmaß, Ursachen, Folgen, ­Lösungsansätzen und dem Risikomanagement wurden auch die öffentliche Wahrnehmung sowie die Reaktionen vonseiten der Politik, der Krankenkassen und Krankenhäuser skizziert. Von derzeit besonderem Interesse sind Lieferengpässe in Pandemiezeiten und in post-Pandemiezeiten. Ein erster Rückblick zeigt, dass sich die Situation während der ersten Monate der Pandemie verschärfte, aus heutiger (Außen)-Sicht treten keine gravierenden Probleme mehr auf. Bleibt die Frage nach zukünftigen Entwicklungen. Welche Möglichkeiten bestehen, um in Zukunft Lieferengpässe zu vermeiden bzw. zu verringern? Die Forderung nach einem Reshoring, das heißt einer Rückverlagerung der Produktion nach Europa, ist auch mit Risiken verbunden. Nagels erwähnte hier die Frage der Finanzierung, regulatorische Anforderungen und den Bedarf an Ausbildungskapazitäten. Ferner ist unklar, mit welchen Gegenreaktionen von indischer und chinesischer Seite her zu rechnen ist.

Top Papers

Einer Tradition folgend wurden zum Abschluss des Kongresses einige Top-Papers aus den Bereichen Infektiologie, Innere Medizin, Onkologie sowie Klinischer Pharmazie und Krankenhauspharmazie vorgestellt. Vier Experten erläuterten relevante internationale Publikationen der vergangenen Monate, wobei neben klinisch-medizinischen Fragestellungen auch einige außergewöhnliche oder kuriose Studien erwähnt wurden. So etwa zur Verbreitung pathogener Keime auf Banknoten – verschiedene Währungen sind unterschiedlich stark kontaminiert – oder zum Einfluss einer hypnotischen Intervention während der Vollnarkose. Meditative Musik und das Vorlesen eines kontemplativen Textes führten zu einer geringeren Schmerzintensität und in der Folgezeit zu einem verringerten Schmerzmittelbedarf. Eine weitere Studie untersuchte die Assoziation zwischen Verordnungen von Antidepressiva und der Artenvielfalt und dem Baumbestand in Wohnortnähe. Die Artenvielfalt hatte keinen Einfluss, wohl aber der Baumbestand: Ein höherer Baumbestand reduzierte die Häufigkeit von Antidepressiva-Verschreibungen. |

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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