DAZ aktuell

AvP: Zivilrechtliche Klage angekündigt

Forderungsabtretungen und Umgang mit Abrechnungen nach Insolvenzantrag im Fokus

tmb | Bisher zielten die Äußerungen zur AvP-Insolvenz weitgehend einhellig auf eine gütliche Einigung. Doch schon seit Wochen sind keine wesentlichen Neuigkeiten zu hören. Darum kann es nicht erstaunen, dass nun eine erste zivilrechtliche Klage auf Aussonderungsrechte für Betroffene angekündigt wird. Dabei soll es um die Rechtsnatur der Forderungsabtretung und den Umgang mit den Abrechnungen nach dem Insolvenzantrag gehen.

Die Rechtslage zu vielen Fragen zur AvP-Insolvenz ist so komplex, dass es wohl nur eine Frage der Zeit war, bis Betroffene eine Klage einreichen würden. Dieser Moment steht nun unmittelbar bevor. Gegenüber der DAZ erklärten der Fachanwalt für Insolvenzrecht Thomas Reichelt und Rechts­anwalt Claus Geilen von der Kanzlei DiLigens Rechtsanwälte Insolvenzverwalter PartG mbG in Leipzig, dass sie eine solche Klage vorbereiten. Dabei geht es um ein Thema, das seit dem Bekanntwerden der Insolvenz ein zentraler Aspekt der Diskussion ist: die möglichen Aussonderungsansprüche der betroffenen Apotheken.

Fiduziarische Abtretung

Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos hatte solche Aussonderungs­ansprüche außer in einem Spezialfall bisher stets zurückgewiesen – auch in Stellungnahmen gegenüber der DAZ. Doch Reichelt und Geilen widersprechen dieser Position. Nach ihrer Einschätzung bestehen solche Ansprüche. Geilen erklärte dazu gegenüber der DAZ, die Abtretung gemäß den AGB von AvP vom Januar 2016 sei als fiduziarische Treuhandzession zu verstehen. Dabei finde trotz einer Vollrechtsabtretung keine wirtschaftliche Übertragung statt. Solche Abtretungen seien auch gegenüber Inkasso­unternehmen üblich. Daraufhin seien die betreffenden Gelder im Innenverhältnis als treuhänderisches Vermögen zu betrachten, sie stünden wirtschaftlich dem Zedenten (also den Apotheken) zu, und die Apotheken hätten nun Aussonderungsansprüche. Die Überlegung, solche Aussonderungsansprüche aller betroffenen Apotheken könnten in der Summe die bei AvP vorhandene Vermögensmasse übersteigen, ist für die Anwälte kein Gegenargument. Denn dies sei bei Insolvenzverfahren regelmäßig der Fall. Die Anwälte sähen dennoch bessere Aussichten als bei einem Vergleich, bei dem Apotheken auf Aussonderungsrechte verzichten würden.

Foto: Robert Kneschke/AdobeStock

Abrechnungen nach dem Insolvenzantrag

Zu einem Teil der Apothekenforderungen führen Reichelt und Geilen noch ein weiteres Argument für Aussonderungsrechte an. Sie betonen, dass der Insolvenzantrag eine Zäsur für AvP darstelle. Zu diesem Zeitpunkt habe der (damals noch vorläufige) Insolvenzverwalter noch nicht abgerechnete Rezepte vorgefunden und diese zur Abrechnung gebracht, um die Fristen zu wahren. Diese Rezepte seien den Apotheken eindeutig zuzuordnen. Gemäß Insolvenzordnung müssten diese Vorgänge separiert werden, und Hoos habe die getrennte Verbuchung dieser Vorgänge auch bestätigt. Reichelt erklärte gegenüber der DAZ, der Insolvenzverwalter müsse sich hier so verhalten, wie AvP sich bei gesetzeskonformer Anwendung der Verträge hätte verhalten müssen. Dann seien diese Abrechnungsbeträge zuzuordnen und müssten an die jeweiligen Apotheken ausgekehrt werden. Demnach dürften diese Gelder nicht in die Insolvenzmasse fließen. Dies betreffe ganz besonders diejenigen Beträge, die noch gar nicht an AvP gezahlt worden seien und die derzeit wohl von den Krankenkassen wegen der unsicheren Rechtslage zurückgehalten würden.

Noch ein weiter Weg

Damit wird bei dem angekündigten Rechtsstreit neben der Rechtsnatur der Forderungsabtretungen auch die Bedeutung des Abrechnungszeitpunkts zu klären sein. In seinem Gutachten für das zuständige Gericht zum Stichtag 22. Oktober 2020 hatte Hoos die damals noch offenen Forderungen gegenüber Krankenkassen auf etwa 200 Millionen Euro beziffert. Außerdem seien bis dahin bereits etwa 15,1 Millionen Euro von den Krankenkassen eingegangen. Bei insgesamt angemeldeten Forderungen in Höhe von 626 Millionen Euro umfassen die Rezeptabrechnungen für die Apotheken nach dem Insolvenzantrag demnach über ein Drittel aller For­derungen gegenüber AvP. Falls den Apotheken dafür Aussonderungs­ansprüche zustehen sollten, wäre dies also ein maßgeblicher Betrag.

Der angekündigte Rechtsstreit betrifft derzeit allerdings nur eine Betroffene. Zur Einschätzung der Aussichten erklärte Geilen, es werde auch darauf ankommen, wer wofür beweispflichtig sei. Es wird also noch ein weiter Weg für die Betroffenen, doch offenbar gibt es nun einen neuen Ansatz. |

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